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24.12.11 - Bärenfels Heiligabend Marathon

Weihnachtsgeschichten vom Bärenfels

Autor: Joe Kelbel

24. Dezember, Heiligabend früh, die Kälte der Nacht frostet sich durch meinen Körper. Die elektrisch geladene Synthetik der Laufklamotten wehrt sich, indem sie sich in die rissigen Finger krallt. Die Schlammkruste der Laufschuhe bröselt beim Anziehen. Auf einem Bein  hüpfend, einen Schuh in der Hand, versuche ich die Krümel wieder auszuschütten, während der andere Schuh eine herrliche Weihnachtsdeko  auf dem Parkett hinterlässt.

Das Parkett gehörte früher zum amerikanischen Lazarett, nun gehört es zum Umweltcampus Birkenfeld, Ableger der Fachhochschule Trier. Dort erforschen mehr als 2000 Studenten aus 60 Ländern erneuerbare Energien, Elektromobilität, Biotechnologien, innovative Roboter und mehr. Dort gibt es preiswerte Übernachtungsmöglichkeiten. Abendessen wie immer in der Waldesruh. Dort ist wohl die örtliche Verkehrsleitstelle und so erfahre ich, dass die Polizeikontrolle auf der Bundesstrasse gerade abgebaut wird. Weihnachten kann beginnen. Dieter schwärmt noch am nächsten Morgen von unserer Party, muss dann aber auch einige Gehpausen einlegen.

Habe Kaffee vom Frühstück mitgenommen, versuche jetzt die Tasse in die Halterung am Amaturenbrett zu quetschen, in der linken Hand ein angebissenes Marzipanbrot.  Hätte nie gedacht, wie so ein  Biß auf die Aluminiumfolie mich aus meinen Weihnachtsträumen reissen kann.

Im Autoradio nur SWR 1 bis 7 und DKultur. Ich überlege, ob die Gans nicht doch zu groß für die Mikrowelle ist und bin froh, dass der Spätburgunder aus Oberkirch, den ich mir nach dem Eisweinlauf gekauft hatte, einen Schraubverschluß hat.

Am westliche Ende des Hunsrücks, zwischen Rheinland-Pfalz und Saarland, dort ist Hoppstädten Weiersbach. Es  besteht nur aus Verkehrskreiseln. Der Vorteil: egal welche Richtung, du kommst immer am biologischen Heizkraftwerk an. Wenn nicht, dann denkt dran: Kolumbus hatte auch kein Navi.

An dem Tag, an dem  der Josef mit der schwangeren Maria die 113 Kilometer von Nazareth nach Bethlehem gelaufen ist, treten wir an, um läppische 42,2 km  mit insgesamt 1000 Hm um den Bärenfels zu laufen. Und es wird wunderbar werden.

 
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Hatte mir überlegt, ob ich die albernen Elchdinger vom Bärenfelslauf  2009 anziehe, die Brigitte geschneidert hatte, mit Röckchen und rotem Bürzel. Aber als ausgesprochener Morgenmuffel will ich keine Gespräche provozieren,  hole mir schnell die mundgemalte Startnummer ab. Das geht ruckzuck, Robert ist Profi.

Auffallend die gute Laune in der dunklen Röhre der Autobahnunterführung, das steckt an, macht mich augenblicklich hellwach. Jutta Feller, die 100 km Läuferin und Clanchefin, ist hinter dem riesigen, dampfenden Teetopf kaum zu erkennen.  Clanchef Franz auch nicht, da ihm seine vielen Mützen über die Brille rutschen. Dafür hat er noch nie eine 100 km Meisterschaft verpasst. Den Stammeltern der Bärenfelsläufe  gehört unser Dank und Respekt.

Und dann  Läuferweihnachten: Dort steht der beste Mehrtagesläufer der Welt: Rainer Koch, der  Gewinner des Transeuropa- und Transamerikalaufes!
522 Stunden hat er von LA nach NY gebraucht und war damit 107 Std schneller als der Zeitplazierte, der Franzose Patrick Malandain. Das Foto zusammen mit ihm ist mein schönstes Weihnachtsgeschenk.

Zahlreiche bekannte Gesichter aus der Ultraszene, doch auch viele Läufer, für die das Zeitlimit von 6 Stunden gedacht ist, stehen hier um 8 Uhr am Start. Später erscheinen noch die 8,5 Kilometerläufer, die nur eine Runde um den Bärenfels absolvieren.

 
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Fünf Runden sind für uns vorgesehen. Wendepunkt ist am Nussknacker. Die erste Runde geht wie Butter, denn hier sind hochmotivierte Läufer, mit denen es Spass macht, die Steigungen zu bewältigen. Es wird wenig über ferne Läufe geredet, vielleicht weil der Transamerikalauf vom Rainer nicht zu toppen ist. Es werden viele Witze gerissen, es wird gescherzt und gelacht. Doch niemand kann mir einen Tip geben, was ich heute schreiben soll. Wenigstens wird es jetzt hell. Also hoch auf die zweite Runde. Ich überhole Uwe, der schon um 7 Uhr gestartet ist.

Ich bin an Weihnachten nicht immer gelaufen, war mal Messdiener. Gereon und ich, wir waren für den Weihrauch zuständig. Gereon findet zufällig während der  Christmette  den Schlüssel für den Schrank mit dem Messwein. Messwein schmeckt so, als würde dir ein Englein auf die Zunge pinkeln. Unten in das Weihrauchfass gehört ein Stück Kohle und dann der Weihrauch darauf.  Da wir inzwischen aber gut drauf waren, haben wir experimentiert. Jedenfalls gab es eine gewaltige Stichflamme und aus der Sakristei quoll der Nebel des Grauens in das Kircheninnere.

Faszinierend ist, wie Menschen in Extremsituationen reagieren: Zuerst waren es die Mädchen in der ersten Reihe, die sich unter heftigem Kichern auf dem Boden kringelten. Der alte  Pastor versuchte noch die Seriösität zu erhalten, aber alsbald gröhlte die ganze Gemeinde und lachte Freudentränen. Die Messe und unser Messdienerdasein war frühzeitig beendet.

 
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Rainer Koch und Rene Strosny, der Erste und der Dritte des Transeuropalaufes, machen heute  Weihnachtsparty. Vorbildhaft-fröhlich, wie die beiden den Berg hochspringen. Doch an der Verpflegungsstation sehe ich die  beiden etwa 5 Meter gehend!  Unbedingt erwähnen muss ich, dass es Keule tatsächlich gelungen ist, den Rainer am Berg zu überholen. Ich hoffe, Keule erinnert sich, dass er mir für diese Erwähnung einen Kasten Bier versprochen hat.  Die 8,5 Kilometerläufer kommen uns entgegen. Wende am Nussknacker und dritte Runde.

Einmal feierte ich mit meinem Bruder Weihnachten. Er liebte dieses brennende Zeug mit den Kaffebohnen. Als mein Bruder mit unserer Mutter telefoniert, gibt es  plötzlich eine Stichflamme und schleudert ihn nach hinten vom Stuhl,  die Telefonleitung spreuzt in einem Gipsnebel aus der Wand. Es gab noch nix Schnurloses. Gespräch unterbrochen. Wir lagen wiehernd auf dem Rücken, über und über mit weissem Putz bedeckt. Meine Mutter dachte, das Studentenheim wäre explodiert und verständigte umgehend die Rettungskräfte. Das Pressefoto war der Hit des Jahres. 

Ich verstehe nicht, warum das Laufen heute so einen Spass macht. Alle sind fröhlich, jeder quatscht mit jedem und mir geht es glänzend. Gerhard will, dass ich wieder zusammen mit ihm den Teppich beim Neujahresmarathon in Zürich aufrolle, aber ich werde von ganz weit weg von einem Silvestermarathon berichten. Vierte Runde.

Ein selbstgefangener Karpfen wäre der Weihnachtshit. Jörgs Idee mit dem Regenschirm war Kokolores, denn so schnell kann man im Wasser den Schirm nicht schliessen. Also klauten wir uns von der Baustelle zwei Eisenstangen. Jens drehte dann mit seinem Kadett quitschende Runden um den Rüsselsheimer Stadtpark, während wir hinten aus den Fenstern hingen, um die Stangen spitz zu schleifen. Doch der beeindruckende Funkenflug alarmierte die Ordnungskräfte, die uns dann freundlicherweise halfen, den Jörg aus dem Teich zu ziehen. Auf der Wache gab es sogar trockene Klamotten.

 
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Irgendwie vergeht die Zeit wie im Fluge und ich nehme die fünfte und letzte Runde in Angriff. Oben auf dem Bärenfelsen liegen noch Schneeflecken und erinnern mich an 2009, als Nicole nicht mehr bremsen konnte und  den Verpflegungstisch umriss. Der Anblick von Dominosteinchen, zerbrochenen Salzstangen und Gummibärchen im Schnee löste damals einen Lachanfall in mir aus.

Wie immer findet die Siegerehrung im Kino statt. Jeder ist Sieger, und als ich aufstehe, um meine Preise entgegenzunehmen, kleben mir Popcornstückchen an ungünstigster  Stelle. Es waren wohl richtig große, flauschige  Stückchen, denn der Kinosaal brüllt.

Ja, was wäre Heiligabend ohne den Bärenfels-Marathon. Ganz ganz großen Dank an die Familien Feller und Helferich für diesen weltweit einzigartigen, fröhlichsten und schönsten Marathonlauf des Jahres. Euch allen fröhliche Läuferweihnachten!

 

 

Informationen: Bärenfels Heiligabend Marathon
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