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22.04.12 - Bilstein-Marathon

Wirklich Prima der BiMa

Autor: Joe Kelbel

Es war in der Nähe der Bahnhofsmission, wo ich Keule entdecke. Er  hatte hier in Kassel übernachtet. Jedenfalls sitzen wir beide alsbald im Zug nach Witzenhausen, Bahnhof Nord, als gäbe es dort noch einen Bahnhof Süd. Aber eine Uni soll´s dort geben,  im Grenzgebiet von Hessen/Niedersachsen und Thüringen -  für Öko-Landwirtschaft, Ableger der Uni Kassel. Am Zugfenster zieht die Ökolandschaft vorbei: Blühende Kirschbäume, so wie es Altkanzler Helmut prophezeit hatte, aber halt doch im Westen.

 
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In Witzenhausen macht man aus den Kirschen „Spuckekuchen“. Die Witzenhausener sind so witzig und behaupten, die Kirschkerne würden dem Kuchen ein besonderes Aroma geben. In meinem Ernährungsplan kommen Kirschen nicht  vor, es sei denn, sie kommen aus dem Piemont.  Witzig, denn dort wachsen keine Kirschbäume, allenfalls Barolobäume. Die Frankfurter Firma Ferrero, im Piemont gegründet, erfand den Ausdruck Piemontkirschen als Werbewitz. Die Kirschen  stammen  definitiv aus Witzenhausen.

Auf jeden Fall ist die Bahnfahrt mit Keule witzig, wir sind ja noch nie in Witzenhausen gewesen, und Keule ist ganz aufgeregt. Hätten wir morgens schon gewitzt, äh gewutzt, welche Marathonentdeckung wir machen werden…wären wir noch witziger gewesen.

Ich hatte vor, mich von Witzenhausen zum Austragungsort des Marathons in  Kleinalmerode zu Fuß durchzuschlagen. Nicht was Ihr denkt!  Sind ja nur 6 Kilometer, aber Keule war gewitzter, hat den  Vater von Gerno für nen  kostenlosen Shuttleservice  gebucht. Gerno und Klaus (nicht Keule-Klaus) sind die Ausrichter und da nicht soviele Züge  in Witzenhausen  landen, außer der um 8:33, ist ein Shuttle in diesem und im nächsten Jahr kein Problem, wenn man Gerno Bescheid gibt. Damit nehme ich eines vorweg: es wird einen Bilstein Marathon, liebevoll und kurz BiMa genannt, auch in 2013 geben, denn die Masse will das, ich auch.

Im Gemeindehaus, der Lindengaststätte in Kleinalmerode, wird sonntags normalerweise die evangelische Messe abgehalten. Von meinem Großvater habe ich gelernt, dass der beste Zeitpunkt für ein unaufälliges Entfernen zum Frühschoppen der Augenblick der Kommunion ist. Anscheinend sind da die Evangelischen aber reformierter, denn die Theke befindet sich hier direkt im Vorraum, dort wo jetzt die Torten gebunkert sind.

 
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Der Pastor, die Bürgermeisterin und die Kirschblütenprinzessin schicken uns 100 fröhliche Läufer bei schönster Sonne auf die Strecke.

Der Weg hoch zum Rodeberg trennt die Läufer, die zu warm angezogen sind vom erfahrenen m4y Reporter. Die Runde um den Rodeberg in Richtung Witzenhausen ist gar nicht witzig, in der Ausschreibung steht groß und breit: flach ist anders. Dann folgt im Buchholz ein knackiger steiler Trail, der zahlreiche harte Treppen aufweist aber herrlich durch die Karstfelsen führt, überall tief Karstlöcher, und oben die herrlichen Trockenwiesen.

 
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Einigen mag noch „Knutschi“ aus dem Sommerloch 2009 in Erinnerung sein. Der 320 kg- Elch wurde hier am Rodeberg zuerst entdeckt, zog dann nach Nordwesten, starb aus unerklärlichen Gründen, wahrscheinlich ausgekarstet.

Wir kommen in den Kaufunger Wald, Frau Holle-Weg erinnert an die Gebrüder Grimm, die hier die Märchen recherchierten.  An der Grenze zu Niedersachsen entlang, dann mal kurz rüber und zurück nach Hessen.

Grenzsteine Königreich Hannover (KH), Kurfürstentum Hessen (KFH) von 1838. Die Leute hier mussten an beide Landsherren Steuern zahlen, je 10 %, aber dafür waren sie vom Kriegsdienst befreit.

Zurück geht es nach Kleinalmerode, der Ausflug war schon mal nicht schlecht gewesen, aber es wird noch besser.  Am Sportlerheim die Verpflegungsstelle mit Hinweis, dass dort nachher geduscht wird, dann folgt der ewig lange Aufstieg zum Bilstein (km 15).

 
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Es geht stetig an den dicken Schichten des Buntsandstein vorbei aufwärts, du musst laufen und ewig kämpfen, immer höher bis zur  Passhöhe (446)  Umschwang. Hier auf dem Verbindungsweg zwischen dem Fulda- und dem Werratal wechselten die Kaufleute zwischen den Vorspannpferde der Hessischen und der Hannoveranischen „Pferdevermieter“.

Es ist das Land der Glasbläser. Aus dem hier vorhandenen Quarzsandstein wurde Glas gewonnen. Es war das sogenannte Waldglas, grünlich schimmernd. Um 1700 wurde die Glasgewinnung eingestellt, weil der gesamte Kaufunger Wald  abgeholzt war. Bei Nieste gibt es die größte Abwurfhalde Europas mit Schutt und Glasresten, eingebrochenen Öfen, jede Menge Altmetall, Haushaltsreste und Werkzeuge  aus  500 Jahren.

Extra steile, lange  600 Meter-Strecke  hoch zum Bilstein. Der Bilstein (642) ist eine Basaltkuppe. Ende des Tertiärs durchbrach Magma aus einem Spaltensystem den Buntsandstein und blieb unter der Erdoberfläche stecken. Erst die Verwitterung legte die Kuppe frei.

 Frühere Schreibweise  Bielstein, eindeutiger Hinweis auf den keltischen Gott Bel (der Helle), Belenus bei den Römern, dessen Heiligtümer einigen hundert Stätten im keltischen Raum den Namen gab. Hier führt man den Namen Bil auf das althochdeutsche bilu zurück, was „hervorragend“ bedeutet und eine Ableitung von „Belenus“ ist.

Und dann steht er vor mir, der hohe Turm. Er gehört nicht zur Laufstrecke. „Beim Belenus“ würde jetzt Asterix sagen und schon hechte ich hinauf, da mein Nachname Kel= Kelte und Bel= Hervorragend bedeutet.

Vom Aussichtsturm (km 25) sehe ich den Brocken im Harz. Dort beim eisigen  Brocken Challenge hatte ich den Freistart für diesen Marathon gewonnen, und wie wunderschön ist es hier. Mein Blick reicht weiter bis zur  Rhön, ins Sauerland und zum Thüringer Wald, Ort des Rennsteigs. Viele Läufer trainnieren beim BiMa für den Rennsteig, denn mit 1100 Hm ist der Bima fast so heftig als der Rennsteig (1500 Hm).

Unter mir Großalmerode. Nach dem Niedergang der Glasindustrie nutzte man die Tonvorkommen. Hier gibt es  unterschiedliche, hochwertige Tonarten. Der beste Ton wurde für Pfeifenköpfe genutzt. Oder für Murmeln, mir noch bekannt für  Üllern oder Knicker, im Rheinland Klicker. Sie waren fest und schwer, zerbröselten so manche  Glasmurmel.

Noch was entdecke ich unter mir: Die Berggaststätte. Dicke Pfeile markieren eindeutig den Weg über die Sonnenterrasse. Dort stehen die Jungs vom Roten Kreuz mit duftenden Kamillentee, aber auch die dufte Kellnerin mit isotonischem Tee.

 
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Ein Trail führt uns zum vielarmigen Wegweiser, wir umrunden den Wolfsberg.Eine Abkürzung hinunter gäbe es über den Bergmannspfad Bohlsgraben, doch wir haben genug mit unserem Weg zu kämpfen, der ist schlammig, sehr schlammig und 10 Kilometer lang.  Aber hier kann man voll Schlamm geben - erste Sahne, die mir hinten auf die Waden klatscht.

Unten im Tal sehen wir duch eine dünne Reihe Buchen die offene Landschaft  am Ortsrand von Roßbach. Wunderbar auf der anderen Seite ist der Kalkmagerrasen zu sehen, eine absolute Besonderheit. Im NSG gibt es noch eine geologische Besonderheit: Der verlorene Bach. Er verschindet im Erdboden, ohne dass bisher bekannt ist, wo sein Wasser wieder auftaucht. Wissenschaftliche Bezeichnung: Bachschwinde oder Ponor. Ist Schon eine ganz besondere Gegend hier,  zwischen Wacholderbüschen und blühenden Streuobstwiesen.

Es folgt der letzte Anstieg hoch zum Bilsteinweg (km 35). Der hat es in sich. Dazu kommt ein heftiger Sturm, der uns mit taubeneiergroßen Hagelkörnern zudeckt. Ich wette, es gibt noch eine unendeckte Zwergtaubenart irgendwo in den dunklen Wäldern vom Bilstein. Jedenfalls hat diese kleine Wetterkapriole zusätzlich Spass gemacht. Am Saurasen, er so riecht so wie er heisst, verlassen wir den Trail, kommen an der letzten Verpflegungsstation vorbei, an der es wie bei allen erstklassige Getränke, nicht Pulvergetränke gibt. Dazu Müsliriegel, Bananen Äpfel und sonstige gesunde Sachen.

 
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Blitzschnell laufen wir hinunter in das kirschblütenweisse Tal zu Bratwürsten, Brezel und Bier.

Er ist wirklich prima, der BiMa! 

 

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