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28.08.10 - Karwendelmarsch

Der 2. war mein 6. oder: Der Bach ist der Weg

Autor: Klaus Duwe

Die Eng, das Almdorf auf 1200 m Höhe, ist mit dem Großen Ahornboden und seinen bis zu 600 Jahre alten Ahornbäumen ein beliebtes Ausflugsziel, das man auch mit dem Auto über eine Mautstraße erreichen kann. Und jetzt ist es beim Karwendelmarsch auch nach 35 km wieder das Ziel der „Tourenklasse“, wie es früher hieß. „Sonderklasse“ nannte man die Strecke bis Pertisau.

Heute nutzen die Engalm auch etliche, um vorzeitig auszusteigen. Denn, habe ich es schon gesagt, es regnet noch immer. Nicht einen Gedanken verschwende ich in diese Richtung. Ich habe beim Karwendelmarsch schon ganz anderes Wetter erlebt. 1988, die Tiroler Tageszeitung titelte „Wintermarsch durch das Karwendel“, lagen auf dem Hohljoch, von dem wir gerade kommen, 20 cm Schnee. Ein Teilnehmer ließ sich vor der Falkenhütte mit einem 2 m hohen Schneemann fotografieren. Trotzdem war man damals schnell unterwegs. Tobias Hosp aus Reutte hieß der Sieger. Er war nur 4:04:50 Stunden unterwegs. (Fotos: Christoph Birbaumer/mit freundlicher Genehmigung der Tiroler Tageszeitung)

 
1988: Zwischen Falkenhütte und Hohljoch
© Tiroler Tageszeitung 4 Bilder

 

Engalm bis Gramai

 

 
© trailrunning.de 19 Bilder

Nach Gemüsesuppe (hitverdächtig), Kräutertee und einem Gespritzten laufe ich weiter. Der Weg ist zunächst noch eben, dann ist wieder einiges Geschick bei einer Flussquerung gefordert und schließlich geht es auf einem breiten Fahrweg ziemlich steil hinauf in Richtung Binsalm (km 37, 1500 m). Als ich das erste Mal hier ankam, zündete ich mir genüsslich eine Zigarette an und meinte: „So, das war’s.“ Ich glaubte nämlich, den höchsten Punkt erreicht zu haben. Dann zeigte die freundliche Helferin mit dem Finger fast senkrecht nach oben, wo man bei genauem Hinsehen zwischen den Latschen bunte Punkte sehen konnte. „Nein,“ sagte sie, „da geht's rauf!“ Mir fiel fast der Glimmstengel aus dem Gesicht. Und unterwegs, als es immer steiler wurde, dachte ich auch ernsthaft darüber nach, vielleicht mit dem Rauchen aufzuhören. Aber das ist eine andere Geschichte.

Heute bin ich natürlich mental auf dieses brutale Finale eingestellt. Trotzdem bleibe ich nicht nur wegen eines Fotos an einigen Kehren stehen, atme durch und lasse ein paar  (meist einheimische)  Naturtalente passieren. Zwischendurch geschieht etwas völlig Überraschendes: auf einen Schlag hört der Regen auf und fast gleichzeitig sind am Himmel riesige blaue Flecken zu sehen. Hätte ich auf dem schmalen, steilen Steig einen sichereren Stand, würde ich mir die Regenjacke vom Leib reißen.  So lasse ich sie an und stapfe weiter. Trotz meiner langsamen Schritte bin ich schneller als erwartet oben am Gramaisattel (1903 m), wo die Bergwacht tapfer die Stellung hält. Hier bläst der Wind und erstmals ist mir so richtig kalt. Sofort setzt auch wieder Regen ein. Bis ich das kurze Stück hinunter zum Gramai Hochleger (km 40, 1758 m) gegangen bin, ist es schon wieder am Schütten.

 

Gramai bis Pertisau

 

 
Klaaauus!
© trailrunning.de 23 Bilder

Was soll’s, weiter geht’s. „Klaaaaaus!“  ruft es plötzlich hinter mir. Ich drehe mich um und sehe Irene. Die hat mir gerade noch gefehlt. Gestern habe ich sie zufällig kennengelernt. Sie ist bei der Tiroler Tageszeitung und wie die meisten hier in den Bergen auch recht sportlich. Aber laufen? Null Ahnung. Und einen Marsch wie den hier hat sie noch nie gemacht. Und jetzt holt sie mich ein. Nicht nur das, mit Stockeinsatz und lockeren Beinen rennt sie mir davon. Es gab eine Zeit, da hätte ich das nicht auf mir sitzen lassen. Aber mit der inzwischen gewonnen Altersweisheit und einem lädierten Knie lasse ich es geschehen.

 500 Höhenmeter verlieren wir hinunter zur Gramai Alm (1263 m) und der Weg ist wieder recht abenteuerlich. Besonders dort, wo sich ein Wildbach in die Tiefe stürzt, der nur über ein angedübeltes Brett zu überqueren ist. Zum Glück mache ich mir erst Gedanken über die Situation, als ich schon drüber bin. Der Weg wird besser, ist nicht mehr ganz so steil und bei der Alm dann richtig bequem. Hier treffe ich auch Irene wieder, stoße mit einer köstlichen Heidelbeersuppe an und laufe weiter.

Ganz ohne Vorsatz kann ich mich für die Schmach am Berg revanchieren. Als Läufer, noch dazu als einer, der seine Körner noch nicht ganz verpulvert hat, ist man auf den letzten leicht abschüssigen 9 Kilometern durch das Falzthurntal den Marschierern natürlich überlegen. Auf den asphaltierten Abschnitten nehme ich sogar richtig Fahrt auf. Es könnte mir nämlich gelingen, in 9 Stunden das Ziel zu erreichen. Das wären 2 Stunden weniger, als vor 22 (!) Jahren.

Es macht Spaß, das Tal ist trotz der nur manchmal und dann auch nur schemenhaft zu sehenden Berge wunderschön. Wanderer und Spaziergänger sind unterwegs, klatschen und feuern uns an. Bei der Falzthurnalm gibt es noch einmal eine kleine Stärkung, dann geht es nonstop nach Pertisau.

Mit Bändern und Werbebannern ist der Weg durch den Ort markiert. Aber wegen des Wetters gibt es keine Zuschauer und keine Stimmung. Das ganze Dilemma wird dann im Ziel sichtbar. Liebevoll hat man eine Festwirtschaft aufgebaut. Man läuft eine kleine Runde über eine Wiese und dann durch den Zielbogen. Aber außer dem tapferen Mädel mit der Medaille ist niemand zu sehen. Es ist nass, kalt und windig. Ich lasse mir eine Wärmefolie umlegen und verschwinde im Verpflegungszelt. Dorthin hat sich auch der Anton verzogen, der seit zwei Stunden im Ziel und natürlich längst geduscht und gekämmt ist. Ausgeruht übernimmt er meine Erstversorgung.

Dann wird es doch noch ganz urig und stimmungsvoll. In einem umgebauten Heuschober gibt es für die Finisher ein Geschenk und bei zünftiger Musik und Schuhplattler kann man sich erholen. Ich würde gerne noch auf Irene warten, aber mir wird kalt. Später sagt sie mir, ich hätte recht lange warten müssen, sie wäre noch tüchtig eingebrochen. So schlimm kann es nicht gewesen sein. Denn am Sonntagmorgen lese ich ihren Beitrag bereits in der Zeitung. Ihr Kollege, der Florian  Madl, wurde übrigens Dritter (4:47). Er war auch zum ersten Mal „bei so was“ dabei.

So, jetzt seid Ihr dran. Der nächste Karwendelmarsch (denkt dran, es ist auch ein Lauf) ist am 27. August 2011. Wir sehen uns.

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Informationen: Karwendelmarsch
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