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25.05.13 - Madeira Island Ultra Trail

Madeira von der schönsten Seite


Zu spät


Jetzt ist es nicht mehr weit bis zum CP Estanquinhos. Ein letzter Anstieg noch und der CP ist erreicht. Es ist 6.08 Uhr und ich bin zu spät. Um 6 Uhr hätte ich den CP bereits verlassen müssen. Ich versuche den Posten von der Unsinnigkeit der Zeitgrenze zu überzeugen. Während des Gesprächs kommen andere Läufer die ebenfalls zu spät sind. Ich erkläre, auf eigenes Risiko das Rennen fortzusetzen und bin weg.

Auf das Zeitlimit komme ich später noch einmal zu sprechen.

Den Weg bis Encumeada kenne ich vom letzten Jahr. Zunächst geht es auf breitem Schotterweg abwärts. Ich laufe aber nicht viel. Es ist immer noch dunkel und der grobe Schotter und die Steine auf der Piste lassen mich zumeist abwärts gehen.

Da habe ich plötzlich eine Erscheinung. Ich denke mir, das glaubt dir keiner. Ich sehe am Weg einen Nadelbaum mit Schnee. Glaube ich zumindest. Von der Kälte hier oben hätte es durchaus Schnee sein können. Beim näheren Betrachten stellt sich der Schnee jedoch als silbriger Glanz der Nadeln heraus.

Es wird Zeit, dass es hell wird. Von der Schotterpiste wechseln wir in eine Farn- und Baumheidezone. Ein weiterer Posten notiert am Abzweig alle Startnummern der Läufer.


Und wieder eine Levada


An einer Stelle führt der Weg über eine Bergkuppe, an beiden Seiten gut gesichert mit Drahtseilen. Sieht spektakulär aus, ist aber nicht wirklich gefährlich. Es geht über mit Holzbalken versehene Stufen steil abwärts. Bis es für die 85er nach rechts geht, während die 115er weiter hinab müssen.

Für die 85er geht es denn bald wieder hinauf. Wir stoßen an eine Levada und können hier im Licht des beginnenden Tages recht bequem laufen. Die Levada führt uns an mehreren Wasserfällen vorbei und durch mehrere Tunnel. Gut, dass wir die Stirnlampen dabei haben.

Es ist angenehm, entlang der Levada zu laufen. Meine Stimmung wird besser. Nach dem Erlebnis mit dem Zeitlimit in Estanquinhos war meine Stimmung doch etwas gedrückt. Aber der beginnende Tag mit der aufkommenden Helligkeit und der schöne Levadaweg lassen gute Laune in mir aufkommen.

Vor einem Tunnel steht ein Schild: Encumeada 1,4 km. Na also, es geht doch voran. Nach dem Tunnel laufe ich weiter entlang der Levada bis zum CP. Unmittelbar vor dem Erreichen des Passes werden wir von der Levada links kurz hinauf geschickt und stehen dann vor dem Zelt des CP3.

 
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Erst mal Pause


Ich bin froh, mich setzen zu können. Tasse raus und erst mal einen Kaffee trinken. Während ich so da sitze komme ich mit allen Helfern ins Gespräch. Man erkennt mich vom Fernsehinterview, es folgen unzählige Fragen. Eine nette Unterhaltung. Macht richtig Spaß, sich Zeit für solche Pausen zu nehmen und mit den Helfern in Kontakt zu kommen. Die Hilfsbereitschaft ist überwältigend. Nicht nur hier am CP in Encumeada werde ich wieder gefragt: „Klaus, möchtest Du noch etwas?“
Erholt und gestärkt mache ich mich auf den Weiterweg. 35,3 km liegen hinter mir, gut 50 km noch vor mir. Aber immerhin sind schon mehr als die Hälfte der positiven Höhenmeter geschafft.

Vor mir liegt die Etappe auf den Pico Ruivo. Von 1.000 m Höhe hinauf auf 1.748 m. Höhenunterschied hier insgesamt 1.094 aufwärts. Und das weiterhin in Kälte und Nässe. Und es geht direkt steil los. Der Weg lässt einem keine Atempause. Es ist glitschig, Nebel ist um uns herum, keine Sicht. Meine Laune sinkt. Ich will Sonne. Gleich kommt für mich der schönste Teil der Strecke, und den soll ich in solch einer Suppe absolvieren müssen? Nee, keinen Bock darauf.


Du schaffst es!


Der Kurs ist aber auch im Nebel spektakulär. Leider ohne Weitblicke. Nach etwa 400 hm steilen Aufstieges geht es langsamer bergan. Leider nun immer wieder auch abwärts, was dann wieder hinauf zurückgekämpft werden muss.

Ich bin für mich allein. Kein weiterer Läufer weit und breit. Ich spüre, dass so langsam meine Kräfte schwinden. Ich durchlebe eine satte Krise. Plötzlich merke ich, dass ich nicht mehr Schritt für Schritt mache, sondern an den Aufstiegen immer wieder nach Luft schnappend stehenbleibe. Der Rhythmus ist weg.

Ein weiterer einsamer Kontrollposten wird passiert. Wieder wird meine Startnummer notiert. Ich kämpfe, schnappe nach Luft, mache wieder einige Meter, kämpfe weiter. Ist echt hart. Vielleicht hätte ich statt des UT 85 doch besser bei Madeiraoutdoor eine Canyoningtour mitmachen sollen? Oder Vogelbeobachtung. Wäre weniger anstrengend und sicher auch interessant.

Da bekomme ich eine SMS von Doris. Drei Worte lassen mich auf andere Gedanken kommen: „Du schaffst es!“ War das Gedankenübertragung? Ich denke jedenfalls nicht ernsthaft an ein Aufgeben. Erst einmal will ich mich bis zur Schutzhütte am Pico Ruivo und dann folgend zum höchsten Punkt der Strecke am Gipfel des Pico Areeiro schleppen.


Du bist doch der Klaus!


Und dann passiert gegen 13 Uhr das langersehnte, kaum noch für den heutigen Tag Erhoffte. Die Sonne bricht durch und ich kann die grandiose Berglandschaft im Herzen der Blumeninsel in schönster Sonne sehen. Einfach herrlich. Was will ich mehr? Die Sonne verleiht mir zwar keine neuen Kräfte, spornt mich aber an. Weiter zum Ruivo. Jetzt kommen auch mehrere Läufer an mir vorbei. Es sind 115er, die von Curral das Freitas von tief unten herauf kommen. Wahnsinn, was die heute leisten müssen.

Es kommen nun auch einige Wanderer. Alle muntern die Läufer auf. Viel Zuspruch erfolgt dabei in Deutsch. Eine Wanderin spricht mich an. Du bist doch der Klaus: Ja ist klar, steht ja auf meiner Startnummer. Nein nein, Du bist doch der Klaus Klein. Ja, das steht auch auf der Startnummer. Ich frage daher zurück, woher wir uns kennen. Es stellt sich heraus, dass sie mich von der FH Bund in Brühl kennt, wo ich einmal in der Woche mit Studenten einen Lauftreff durchführe. Die Welt ist klein. Ich bitte die Studentin um Berücksichtigung, dass sie mich nach über 12 Std. Anstrengung nicht bei normaler Verfassung, weder geistiger noch körperlicher Weise, antrifft.

 

Informationen: Madeira Island Ultra Trail
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