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31.12.12 - Zagora Sahara Trail

Zurück in die Wüste

Autor: Joe Kelbel

Zwölf  bedröppelte Gesichter aus Österreich und Deutschland  stehen am Flughafen Marrakesch. Vier weitere sind schon auf eigene Faust auf den 8 stündigen Weg nach Süden aufgebrochen. Mein Pionierbericht vom Zagora Marathon 2011 löst eine kleine Massenwanderung mit ungewissem Ausgang aus, bei der ich jetzt auch noch der Verantwortliche bin.

Begeisterung sieht anders aus, zumindest bei mir, denn ich hatte letztes Jahr im ersten Satz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies keine Reise für Rollkofferzieher und Kleiderbeutelabgeber ist. Und nun rattert das Übergepäck samt Haarfön, Duschhaube und feuchtem Toilettenpapier durch die Flughafenhalle.

Aber so beginnt der schönste Silvester-Marathon, den ich und wir je erleben durften. So beginnt ein ausgelassener Triumphzug, den Gabi für uns alle mit einem zweiten Platz krönen wird. So beginnt ein Abenteuer, welches sich niemand von uns je erträumt hätte, ein wirklicher Spaß am Marathonlaufen mit einem Rundum-Programm der Superlative. So beginnen Freundschaften fürs Leben.

 

Wo ist Robert?

 

Silvester ist ein wichtiges Datum: Wer in diese Nacht nicht richtig feiert, der versaut sich eventuell das gesamte folgende Jahr. Also ordere ich bei der Deutschen Botschaft in Rabat einige Paletten Bier und andere magenfreundliche Getränke, wurde aber durch zahlreiche E-Mails gebremst: “Für mich nur Wasser!” Schon am zweiten Abend musste ich nachordern. Die Wüste ist kein Spielplatz, die Luft sautrocken.

Beim UTAT im Oktober lernte ich Lhoucine Akhdar kennen, 12facher MdS-Teilnehmer und Montainguide, er kennt jeden Stein im Hohen Atlas. Er holt uns mit einem Kleinbus ab, denn meine Höllenfahrt vom letzten Jahr, eingepfercht zwischen sechs Ziegenhirten in einem baufälligen Mercedes aus den 70ern kann nicht wiederholt werden.

Zum vierten Mal in diesem Jahr fahre ich durch den Hohen Atlas, freue mich, wie  meine “Schützlinge” langsam wach werden, wie statt der Rollkoffer nun die Fotoapparate rattern. Laute Begeisterungsrufe beim Anblick der grandiosen, weltweit einmaligen, rauen Naturkulisse, übertönen die wirklich schönen Berberlieder aus dem Radio.

Robert erinnert mich, wie wir beim KUT (“beware of the chair”) ein Bierchen tranken. Ihn kostete es zwei Stunden, da er auf der Abraumhalde in Tiefschlaf versank. Auch morgen wird er ein einstündiges Nickerchen im Sand abhalten. Ich erinnere mich, wie wir am Start des KUT lachend beobachteten, wie ein Zweimannzelt über den Sportplatz rollte: “Schau mal, irgendein Idiot hat sein Zelt nicht befestigt!” Es war sein Zelt.

Er spricht sehr laut. Sein Hörgerät blieb in Deutschland und er verschwunden, als wir für ein Mittagessen in Taddart auf 2200 Meter Höhe anhalten. Anders als in Marrakesch geht in diesem Teil Marokkos kein gebrauchtes Teil verloren und in den  folgenden 6 Tagen freuen wir uns jedes Mal wie kleine Kinder an Ostern, wenn wir ihn wiederfinden.

Weiter geht die Fahrt entlang der Palmenhaine des Draaflusses, es ist die Straße der Kasbahs, der uralten Wehr-Lehmburgen, deren verfallene Türme in den vom Vollmond hellerleuchteten Sternenhimmel ragen.


Zagora, Eingang zur Sahara

 

Es ist stockdunkel als wir ankommen. Ich schleppe 4 Kisten Underberg zur “Basisstation” der sechs Botschaftangehörigen, die in einem 4x4 Konvoi  unsere Getränke hierher schafften. (Wir hatten letztes Jahr hier zusammen Silvester in Zagora gefeiert). Denise fragt, ob ich Bücher hätte, die sie den von ihr betreuten deutschen Gefangenen in marokkanischen Gefängnissen bringen könnte, doch “Feuchtgebiete” erscheint mir nicht so die rechte Literatur für die trockene Wüste.

Hier, im Jardin Chez Ali, wo der Wüstensand die bunten Blüten der stacheligen Bougainville-Ranken trübt, dort findet man die “Bekloppten” der Sahara, die Aussteiger, die Freaks, an deren glühenden Augen wir hängen, wenn sie in gebrochenen europäischen Sprachen von ihren wilden Abenteuern erzählen, während sie die Tanjjerine löffeln, die wir ihnen spendieren. Sandgestrahlte Haare, von der Kälte der Wüste geschwollene Finger, faltige Gesichter - gegerbte Gestalten erzählen mit auf den Horizont gerichteten Augen vom Reiz der Wüste. Auch wir wollen laufen, laufen hinaus in die Wüste, neue Länder entdecken, immer den Horizont im Blick. Die Beine zucken und brennen, als hätten wir eine Nervenkrankheit. Wir wollen Afrika im Lauf erobern, uns mit dem goldenen Sand der Sahara schmücken, brennende Haut, sandige Augen und aufgeplatzte Lippen als Trophäen.

Lhoucine macht die Startunterlagen klar. Lahcen Ahansal, (mindestens) 10facher MdS-Gewinner und Mohamad, 4 facher MdS-Gewinner, begrüßen uns freudig. Die Brüder organisieren den Zagora Marathon, sprechen sehr gut deutsch, haben in Halle bei der Cierpinski-Familie trainiert. Das Gebäude der Provinzregierung ist der Start-und Zielplatz und mit hell leuchtenden Weihnachtsbäumen dekoriert. Die ganze Stadt ist rausgeputzt und strahlt hinaus in die Palmenhaine der Oase.

 
© trailrunning.de 22 Bilder

 

Extrem Marathon de Zagora

 

Weil irgendwo die Sonne aufgeht, weckt uns der Muezzin stündlich. Das ist aber nicht unangenehm, die Füße wollen eh aus dem festgeklammerten Betttuch befreit werden. Der Kaffee ist dezent mit Zimt und Kardamon gewürzt, Temperatur am Start etwa 8 Grad oberhalb der Duschtemperatur.

 
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Rachid el Marabity ist der Gewinner der letzten zwei MdS-Läufe, zuletzt sah ich ihn beim UTAT. Er will unbedingt ein Foto zusammen mit mir. Ich genieße die Bekanntschaft der großartigen Läufer ungeniert, drücke Lahcen Ahansal sogar eine m4y-Mütze auf den Turban. Viele Marathonläufer kennen mich auch vom Ouarzazate-Marathon im März. Komisch, allesamt sind sie FB-Freunde.

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Informationen: Zagora Sahara Trail
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