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15.09.12 - Sardona Ultra Trail

Von Könnern für Kenner

Der Weg ist diesseits des Bachs gut erkennbar, weitgehend aber auch ein Rinnsal. Wer sich nicht jetzt schon total versauen will, tut gut daran, jeden Schritt zu planen. Weiter unten geht es in einer Schrunde zwischen schroffen Felsen in unzähligen Serpentinen hinunter auf die Alp Precht. Von Ober- bis Unterprecht folgen wir dem Wirtschaftsweg. Weniger Gefälle und weniger Konzentrationsaufwand bieten eine Erholungsphase. Ein überholender Läufer bemerkt, dass sich der Reißverschluss meines Rucksacks geöffnet hat und schließt ihn mir. Mein Gedanke danach ist: „Hoffentlich ist nichts herausgefallen!“

Nach der  Phase der Erholung geht es steil über eine Weide hinab in den Wald. Genau betrachtet ist es ein Sumpf von der Breite eines schmalen Weges mit beachtlichem Gefälle, der von einem Wald gesäumt wird. War es eine Herde Kühe, die an dieser Stelle ins Tal gepflügt ist oder waren das einfach die Schnellen im Feld? Die Kühe eher nicht, denn sind anderweitig daran, von den Alpweiden ins Unterland zu dislozieren. Aus dem Talgrund herauf hört man das Ohren betäubende Klingen der Glocken und Dröhnen der Treicheln. Gäbe es Hörgeräteakustiker für Rindviecher, könnten sie sich heute die Hände reiben.

In Schwendi kommen wir mitten in den Alpabzug, können die Straße aber problemlos kreuzen. Zeitverlust ist kein Thema. Wie bei anderen Ultratrails sind viele Teilnehmer mit Kamera bestückt und lassen sich dieses Fotomotiv nicht entgehen. Was ich zum ersten Mal sehe, ist der Verpflegungsposten für die Leute, welche die Viehkarawane begleiten. Da habe ich wieder etwas gelernt.

Auf der anderen Talseite geht es wieder ein Stück hoch und dann der Talflanke entlang im Wald talaufwärts. Während der ganzen Zeit sind die Glocken und Treicheln zu hören und beim Eintreffen am Verpflegungsposten in Weisstannen sehe ich noch den Schluss dieser Alpabzugskolonne.

 
© trailrunning.de 34 Bilder

Ich will es nun wissen und sehe meine schlimmste Befürchtung bestätigt. Die zuoberst gepackte Stirnlampe ist mir unterwegs aus dem geöffneten Rucksack gefallen. Dass ich meines geschätzten Superscheinwerfers verlustig gegangen bin, ist ärgerlich genug. Nun fehlt mir aber ein Teil der Pflichtausrüstung – und für einen Läufer in meiner Preisklasse ein unverzichtbarer Teil. Für mich wird die Nacht lang werden.

Daniel ist mein Retter in der Not. Er ist nur deshalb nicht schon weit über alle Bergen, weil er Tanja bei ihrem verletzungsbedingten Ausscheiden in Schwendi assistiert hat, nun leiht er mir seine Ersatzlampe. Ein anderes Angebot hätte ich sonst bereits von Max gehabt: Er würde sich meinem Tempo anpassen, damit ich im Schein seiner Lampe laufen könnte. Da würde er sich aber langweilen... So viel vorerst zum Thema Sportsgeist beim Ultralauf.

Nachdem diese Sache geritzt ist, kann ich mir das reichhaltige Buffet schmecken lassen. Otto ist auch eingetroffen. Er hat mich auf dem letzten Ultra am Schluss noch begleitet, als ich den anderen Läufer zum Sanitätszelt brachte, und zusammen haben wir danach den motorisierten Rückweg angetreten. Er will heute seinen ersten Ultra ins Ziel bringen. Er hebt die Tafel früher auf als ich und zieht davon.

Das Dorf Weisstannen bietet das Bild einer heilen Welt. Ein kleines Schulhaus, die Kirche in makellosem Weiß und heimelige Häuser mit reichem Blumenschmuck. Hier kann man entschleunigt leben. Die auf dem Wanderwegweiser angezeigte Zeit von 6:30 bis zur Spitzmeilenhütte drängt auch mir keine Verschärfung des Tempos auf. Ausgangs Dorf geht es auf einen lauschigen Wanderweg, welcher dem Fluss folgt. Ein Stück geteerte Straße, zusätzlich gepflastert mit den Hinterlassenschaften der muhenden Alpbewohner, unterbricht das angenehme Geläuf nach Vorsiez. Mittlerweile laufe ich mit Otto zusammen und weder er noch ich fühlen uns von den ausgehängten Angeboten des dortigen Restaurants angezogen. Nicht, dass es nicht gut tönen würde; wir fühlen uns beide in bester Verfassung, um ohne Unterbruch den Anstieg zum Wendepunkt in Angriff zu nehmen.

Die Steigung des Wirtschaftsweges ist moderat, dass er zur Beständigkeit seines Bestehens weiter oben geteert ist, wird sicher nicht von allen mit Begeisterung registriert. Dafür gibt es in einer der Kehren einen Brunnen und jemanden von der Alpin Rettung mit einer Kiste Gel und Riegel im Gepäck.

Aus der roh in den Fels gehauenen Straßengalerie geht der Blick hinüber in Richtung Foo, woher wir auf der Originalstrecke kommen würden.

Wir sind noch nicht auf Obersiezsäss angelangt, da kommen uns schon der Führende und bald darauf der Zweitplatzierte entgegen. Wahnsinn! Als Läufer, der überhaupt einen solchen Ultratrail läuft, werde ich schon als Verrückter angeschaut – und dann diese Steigerung dazu.

Die Alpweiden und Ställe sind verwaist. Einzig zwei Pferde halten hier oben noch die Stellung. Dafür sind Zweibeiner unterwegs. Von denen kommen immer mehr entgegen. Als nächster rauscht Samuel auf dem Weg zum dritten Platz mit entspanntem Lachen an uns vorbei. Dies nur gerade eine Woche nach seinem dritten Platz am samstäglichen Jubiläums-Jungfrau Marathon!

Wenig später wird der Anstieg ziemlich herausfordernd. Wenn ich bei Stadtmarathons von heftigen Steigungen berichtet habe, dann muss ich jetzt schon fast das Adjektiv überhängend bemühen, um dem Verhältnis gerecht zu werden. Denise Zimmermann beeindruckt so etwas nicht, sie ist auf dem Rückweg und dabei, wieder einen ihrer ersten Plätze zu holen.

Nach dem Chammhüttli ist – nicht weit entfernt aber weit oben – Fansfurggla zu sehen, ein weiterer Kontrollposten. Kurz vorher kommen mir Stephanie, die spätere Drittplatzierte, und Richi entgegen. In Sachen Ultratrail kennt er sich in der Schweiz aus und seine Einschätzung deckt sich mit der anderer Insider: Der Sardona Ultra Trail ist bereits in seiner entschärften Version der härteste unter Seinesgleichen. So viele Höhenmeter auf diese Distanz verteilt können nicht anders als mit einem sehr eindrücklichen Profil gesammelt werden.

 
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Umso mehr, als es nach Erreichen der Passhöhe vergleichsmäßig eben bis zur Spitzmeilenhütte weitergeht. Auch sonst ändert sich der Charakter der Landschaft sofort. Von Steinen und Felsen durchsetzte Schafweiden und Hochmoor prägen diesen Abschnitt. Als geologischer Schwachmat ohne jegliche Ahnung staune ich einfach wie ein Kind, dass auf kleinstem Raum Felsbrocken in verschiedensten Farben liegen. Noch näher beim Wendepunkt kommen Otto und ich zur Überzeugung, eben eine beträchtliche Summe Geld gespart zu haben. In dem uns nun umgebenden Nebel kommen wir uns in dieser Landschaft vor wie in Schottland. Läufer auf dem Rückweg geben uns immer wieder ungefähre Zeitangaben für unseren Countdown zur warmen Suppe. Vor der Spitzmeilenhütte ist wieder ein gut bestückter Verpflegungsstand aufgebaut, an welchem uns fürsorgliche Freiwillige verwöhnen und hinter welchem Sanis mit aufmerksamem Blick darauf achten, dass die Selbstwahrnehmung der Läufer mit der ihres medizinisch geschulten Auges übereinstimmt.

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Informationen: Sardona Ultra Trail
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