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15.11.14 - Special Event

Oman Desert Marathon 165 km

Autor: Joe Kelbel

7. Tag, 6. Etappe, 34 Km

 

Junge, war das wieder eine Scheiß Nacht! Der Morgentau mit dem kriechenden Wind setzt der Gesundheit zu. Jeder rotzt morgentlichen Schleim in den Sand. Längst habe ich gelern,t meine Ausrüstung vor dem Tau zu schützen, aber heute hängt noch mein Hemd in einer Zeltschlaufe. Igitt! Jeder sortiert seine Ausrüstung hochkonzentriert vor dem Start.

Ich mag morgens nicht angesprochen werden. Dieses „Ca va? Bien dormi?“ ist lieb gemeint, aber sehr lästig. Trotzdem stehe ich jeden Morgen freudig auf, sogar vor all den anderen, genieße die Dunkelheit, die Ruhe und meinen Ingwertee, damit der Magen tagsüber ruhig bleibt.

 
© trailrunning.de 9 Bilder

Ich habe die Morgensonne liebgewonnen. Es gibt auch piepsige Vogelstimmchen, die irgendwo in den vereinzelten Büschen sich bemerkbar machen. Trotz meiner Schwäche fühle ich mich sauwohl. Die Wüste gibt Kraft.

Wie jeden Morgen kommen pünklich zwei Polizeiwagen angebraust
Fragt mich nicht warum die wissen, wann wir starten, wir wissen es selbst kaum. Die Polizisten lassen die Luft aus den Reifen, um mehr Gripp im Sand zu haben. Sie sprechen gut Englisch. Ich, der „Schärmen“ ernte Bewunderung: „Mercedes, Merkel!“

Iamad, Salom, Mohamed, Achmed, alle versägen mich schon sehr früh. Hanna, die Polin, saust mit ihren kurzen Trippelschritten vorbei, doch dann verirrt sie sich. Ein Pfiff auf der Notfallpfeife und sie sieht mich vom Dünenkamm aus. Wir müssen runter von den Dünen. Das macht man nur widerwillig, wenn man keine Markierung sieht. Ein Grund, warum ich nicht mit Kontaktlinsen und Sonnenbrille laufe. 

Ihr Wille ist jetzt gebrochen, 45 Minuten werde ich ihr abnehmen. 
Es ist die schwierigste Etappe überhaupt. In den Dünen finde ich noch den Weg. Doch dann, in der weiten Ebene, nehme ich die falsche Richtung und peile nach Osten, denke, dort wäre das Camp. Doch es ist das falsche Tal. Als ich kein Wasser mehr habe, kommt ein Helferauto angefetzt, gibt mir Wasser, die Richtung und Mut.

Es ist einfach nur brutal. Zwar versuche ich eine Art Laufen aufrechtzuerhalten, aber es muss erbärmlich aussehen. Es ist einfach kein Ziel, kein Ende, kein Baum, kein Verpflegungspunkt auszumachen. Doch solange ich mich bewege, kommt das Ziel näher. Mein Kopf ist tief gesenkt, sucht laufbaren Untergrund. Doch der Wechsel in andere Rillen, Furchen, Steinchen gibt jedesmal keine Befriedigung.

Es ist aber gerade diese Entbehrung, dieses Suchen, ohne zu finden, was  mich weitertreibt. Das Streben von Sandkorn zu Sandkorn bringt mich voran, im Laufen, wie im Leben.

Schön gesagt, doch es gibt ein Problem: Diese Mordsdüne! Leck mich, ist die gewaltig! Ich muss da hoch, ich muss! Der Saft ist raus. Ich muss gaaanz kleine Schritte machen. „Martin“ läuft jubelnd vorbei. Es ist wie im wirklichen Leben: Der kleine Taiwanese  bricht gerade meine Willen. Ich will nicht mehr.

Einen Kilometer vor Ziel ist die letzte Wasserstation. Man weiss warum. Doch es gibt kein Pocari mehr, das Wasser ist brühwarm. Warum stehen hier die Polizisten? Ich bin gebrochen. Ein Kilometer nur noch! Doch jede Düne gibt nur den Blick auf eine noch höhere frei. Weiter, höher, erschöpfter!

Eine Ewigkeit später stehe ich oben. Unter mir urplötzlich das Basiscamp mit dem Zielbogen, unter dem wir vor einer Woche schon stehen durften.

Traue ich mich nicht, will ich nicht, oder genieße ich den Moment? Von unten das Gebrüll der Lauffreunde. Flatsch. Mein Arsch hängt auf der Düne, beobachte den vitalen Zieleinlauf von meinem Leidensgenossen „Martin“  Hu Yu Hsin. Ich bin auf dem Sprungbrett und will nicht finishen. „Jump! Jump!“ „Joeeeeeee!“  ruft es von unten.

Der Blick ist so grandios von hier oben, ich will nicht zurück in die Welt da unten. Ich möchte umkehren, zurück dorthin, wo ich 6 Tage lang glücklich war. Trauriger Blick nach hinten, sehr traurig.

Ohne die Anfeuerungen von unten würde ich noch immer dort oben sitzen oder zurück gelaufen sein. Ich weiß es nicht, es ist verwirrend. Also stehe ich zaghaft auf,  prüfe mit ersten Schritten, ob die Beine mitmachen.

Langsam, dann schneller, immer schneller. Dann hüpfe ich, dann fliege ich. Immer höher, immer weiter werden meine Sprünge. Der tiefe Sand fängt mich liebevoll auf. Es ist schön, frei zu sein! Es ist der schönste Zieleinlauf der Welt! Hamdallah!

Trotzdem habe ich kaum Erinnerungen daran. Auf den Fotos sehe ich, dass mir Kinder Rosen schenken. Jemand drückt mir Getränke in die Hand, Finishershirt, Medaille. Es geht zu schnell. Fotografen zupfen links und rechts, rücken mich zurecht, zerren mich hierhin und dorthin. Ich soll ein Interview vor laufender Kamera geben, doch in welcher Sprache? Ich entscheide mich für: „Mannmannmann, scheiss die Wand an! Was für ein geiler Lauf!“

Mit voller Ausrüstung zum Mittagessen: Salat, Salat, Fleisch! Unglaublich, wie toll Essen ist! Um Rückfragen vorzubeugen: Kein Bier, aber Cola!

Platz 27 von 37 Läufern, mit 24:15 Stunden Gesamtlaufzeit entspricht dies meinen 100 Meilen Ergebnissen. War wohl ein Weltklasselauf! Ich glaub, die Welt ist schön.

Spät abends die Siegerehrung vor dieser riesigen Burg. Wir sind total übermüdet, doch was hier abgeht, weckt Adrenalin: Menschenmassen wollen uns sehen! Nach all den Tagen der Entschleunigung haut mich das um! Es ist die schönste Siegerehrung, die ich je erlebt habe.

Die Omanis sind sowas von würdevoll, respektvoll und zuvorkommend. Gibt mir stark zu denken.

Ein Film von unserem Rennen auf der Großbildleinwand. Klasse Bilder, wie sich die drei Erstplatzierten bekämpfen. Wunderschön die Bilder von der Perspektive der Kameradrohne. War wohl doch ein Extremlauf. Ich jedenfalls fühle mich nicht überanstrengt, eher erholt, doch sehr weit weg davon, eine Länderfahne zutragen. Ich mag den Oman. Bin bereit für kommende Laufabenteuer.

Ein letzter Tag mit Freunden unter Palmen und im glasklaren Wasser irgendwo in den Bergen. Ich bin sehr, sehr froh, diesen tollen Lauf spontan gemacht zu haben.

Chef Said fragt mich, was besser sein sollte. “Super, all perfect, but please, next year one stage at the seaside!”  Diese Idee findet er gut,  ausdrücklich genehmigt. Die Verlegung auf Januar, damit der Lauf von Salemeh in Jordenien (Cupwertung) im September nicht konkurriert, ist  vom Tisch. Es bleibt bei November. So ist genug Zeit, um sich für den MDS vorzubereiten.

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Abreise mitten in der Nacht. Die Augen und das Herz übervoll mit Eindrücken einer grandiosen Landschaft und absolut herzlicher Menschen. Neue Lauffreundschaften geschlossen, alte gefestigt. Einer der schönsten Läufe ist vorbei, nicht jedoch der Sand. Rot, gelb und weiß verteilt er sich im Flieger,  jedes Korn eine sehnsuchtvolle Erinnerung an eine traumhafte Laufzeit.

Prädikat: besonders empfehlenswert!

1.Rachid El Morabity, Maroc 11:18
2.Salameh Al Aqra, Jordanie 11:22
3.Glyva Evgenii, Ukraine 11:30
4.Aziz Al Akad, Maroc 12:05
5.Sami Essaadi, Oman 12:42
6. Mohamed Ahnida, Maroc 12:59
7. Jiminez llorens Juan Maria, Espane 13:!5
8. Weking Van Reeth, Belgique, 14:19
9. Mohammad Al Swaiti, Jordanie, 15:19
10. (w) Aziza Araji, Maroc, 15:47
11. Mustapha Ait Amar, Maroc 17:13
12. Rudolph Geoffrey, France 17:16
13. Hamoud Elbahri, Oman 17:40
14. Demottoni Tommaso, Italie, 18:06:33
15.(w) Charlotte Best, GB, 18:06:43
16. AbdelKani Boukenadel, France 18:28
17. Riccardo Zaccaria, Italie, 18:46
18. Benoit Laval, France, 18:52
19. (w)Amodio Silvia, Uruguay 19:43
20. Mohamed Falah, Oman 20:01
21. Jean Luc Darteyre, France, 20:07
22. Marouan El Addsi, France, 20:30
23. (w)Laetitia Montant, France, 21:08
24. Bruno Durieu, France, 22:06
25. (w) Fatima Ait Hamou, Maroc 22:55
26.(w) Chrystel Montant, France, 22:51
27. Joe Kelbel, Alemagne, 24:15
28. Imad Narakat, Siria, 24:35
29. Ahmed Kitous, Algerie, 26:05
30. (w)Hanna Sypniewska, Poland 26:18
31. Ckaude Giaouni, France, 26:32
32. Yu Hsin Hu, Taiwan, 26:35
33. Salom Suliman, Oman 27:30
34. (w)Odile Hochard, France, 27:31
35. (w)Davinia Chulio Fuster, Espane, 28:22
36. Michel Olle, France 29:30
37. Hubert Erard, France, DNF


 

 

 


 
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