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07.02.15 - Trail des Bosses

Der Trail ist das Ziel

Brüssel zählt zu den Städten, die ich schon seit vielen Jahren unbedingt mal besuchen will. Als ich erfahre, dass in der Nähe der belgischen Metropole ein reizvoller Ultratrail veranstaltet wird, sehe ich dies als perfekte Gelegenheit, Freitag und Sonntag durch diese interessante Stadt und ihre Museen zu schlendern und dazwischen einen Tag über Trails zu laufen. Meine Bilder aus Brüssel zeige ich Euch am Ende des Berichts.

Vor einem Jahr lobte ein Teilnehmer den Trail des Bosses, weil die Strecke eine herrliche Schlammschlacht war. Heute ist dagegen der Boden meist gefroren, aber steinharte Spurrillen fordern die Muskulatur an den Fußgelenken und den Gleichgewichtssinn fast ebenso. Mit nur 12 Euro Startgebühr ist dies ein enorm günstiges Trail-Vergnügen. Dazu gibt es für 8 Euro gutes Abendessen, für 10 Euro kann man direkt am Startgelände in urigen Holzhütten übernachten. Richtige Berge gibt es in dieser Gegend nicht, aber der "Pfad der Buckel" führt über zahlreiche Hügel und vor allem einige sehr steile Böschungen sorgen für weiteres Vergnügen. 

 
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Mit dem Zug erreicht man die Gemeinde Brain-Le-Comte von Brüssel aus in 20 Minuten, zum Start sind es von dort noch ca. 3,5 km, die ich hin- und zurück problemlos per Anhalter zurücklege, da genügend andere Teilnehmer diese Strecke fahren. Die letzten paar hundert Meter muss dann ohnehin jeder zu Fuß gehen. 418 Leute starten auf der 25 km Distanz. Für den 65 km Wettkampf stand in der Ausschreibung die Einschränkung, dass er nur bei mindestens 100 Startern ausgetragen wird, was in diesem Jahr mit 124 Anmeldungen (davon starten 106) klappt. Bei der Mitteldistanz mit 299 Teilnehmern muss man erst ungefähr bei km 31 entscheiden, ob man 35 oder 45,1 km weit laufen will.

Ich starte um 11 Uhr auf der Mitteldistanz. Die 65er sind bereits seit 3 Stunden unterwegs, die Kurzen seit einer Stunde. Nicht nur für die Verteilung der Läufer auf der Strecke ist dieser Zeitabstand gut, denn auch in dem Haus mit der Startnummernausgabe wäre es sonst noch enger als es ohnehin schon ist.

Zuerst laufen wir ein kurzes, flaches Stück auf der Trasse einer ehemaligen Bahnlinie. Bald geht es über einen Wiesenpfad schon recht trailig weiter. Bei zwei Grad wärmerem Wetter würden wir schon hier durch rutschigen Schlamm laufen, doch der Boden ist heute gefroren. Da bereits jetzt das Thermometer knapp über null steigt, gehe ich davon aus, dass ich mittags doch noch durch nassen Schlamm darf. Am Ortsrand von Hennuères kommen wir an einem Bauernhof vorbei, dann führt eine Straße hinauf in den Wald. Zum Glück gibt es heute nur sehr wenige Abschnitte auf Asphalt. 

 
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Bald biegen wir rechts ab und laufen eine steile Böschung hinab, gleich darauf wieder steil hinauf. Weiter geht es auf abwechslungsreichen Trails, an denen man manchen Passagen ansieht, dass sie an „normalen“ Tagen ein Paradies für Schlammfreunde sind. Doch ich spüre schnell, dass steinhart gefrorene Spurrillen fast ebenso die Muskulatur der Fußgelenke sowie den Gleichgewichtssinn beanspruchen. Wir haben also heute nicht weniger Trail-Vergnügen, nur auf eine etwas andere Art. Wolkenlos blauer Himmel und Windstille sorgen trotz dem Eis unter unseren Schuhen für Frühlingsgefühle.

Als ich sehe, dass ich einer der letzten Läufer bin, beschleunige ich und überhole einige Trailer und stehe prompt kurz im Stau, denn vor uns geht es außerordentlich steil einen Hang hinauf. Die Streckenführung bietet hier zwei Varianten zur Wahl - rechts (für die meisten Teilnehmer) zuerst auf einem steilen Pfad und erst ganz oben am Seil, oder links gleich von Anfang an steil hinauf kraxeln und dann an mehreren Seilen auf rutschigem Untergrund hinauf hangeln. Ich wähle natürlich die Hardcore-Version. Als ich mich einmal zum Fotografieren umdrehe und das Seil loslasse, rutsche ich gleich zwei bis drei Meter bergab. Ein überdehnter Daumen ist die Folge. Dennoch weiß ich spätestens jetzt, dass sich die Fahrt nach Belgien für mich gelohnt hat.  

 
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Lange Zeit wechseln wir zwischen breiteren Wegen und schmalen Pfaden, mal einigermaßen flach, mal steil. Die Genuss-Trails überwiegen. Die Strecke ist weder zu leicht noch zu schwer. Manche Pfade führen über niedrige, aber ganz schmale Hügelkämme, die mich sehr an die Moränen in den Alpen erinnern. Landschaftlich bietet der Trail des Bosses keine spektakulären Aussichtspunkte oder sonstige touristische Highlights - hier ist einfach nur der Trail das Ziel, die pure Freude am Laufen auf interessanten Pfaden.  

 
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Auf einem Hügel ragt eine vergrabene Kanone aus dem Boden, das Denkmal eines ehemaligen Schlachtfeldes. Wegweiser zeigen nach Waterloo und anderen Stätten. Nach zwei Stunden, während derer wir fast ausschließlich durch Wald gelaufen sind, wechseln wir nun für einige Kilometer in eine stark landwirtschaftlich geprägte Region.

Als ich durch einen Durchgang unterhalb der alten Bahntrasse gelaufen bin, will ich geradeaus weiter, doch plötzlich höre ich scheinbar über meinem Kopf jemanden "Stopp!" rufen. Ich hatte die Kreidemarkierung am Boden übersehen und nicht gemerkt, dass ich gleich die steile Böschung zur Trasse hinauf kraxeln und oben weiter laufen muss.

Eine Weile später geht es landschaftlich schön über eine weglose und unebene Wiese, anstrengend aber unterhaltsam. Inzwischen ist der Boden aufgetaut, so dass ich wieder richtigen Schlamm statt harten Frost unter den Schuhen habe. Dann geht es wieder einen Steilhang hinab, bei dem man sich über jeden Baum zum Festhalten freut und dennoch unfreiwilligen Bodenkontakt einbaut. 

 
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In der Ferne ragt etwas in die Höhe, das wie ein riesengroßer Monolith aussieht. Dieses Bauwerk ist kein Turm, sondern Teil des Schiffshebewerkes von Ronquieres. Leider führt unsere Strecke nicht dort hin, doch wer mit dem Auto hier her kommt, der sollte dieses unbedingt besichtigen, denn es ist faszinierend, wie hier die Schiffe am Brüssel-Charleroi-Kanal in großen Wannen steil den Berg hinauf gezogen werden.

Schließlich erreiche ich nach 2:35 Stunden bei km 20 die erste Verpflegungsstelle. Hier liegt auch eine Messmatte am Boden, um unsere Zwischenzeit aufzuzeichnen. Neben einer Auswahl der üblichen Verpflegung wird auch Wein (Liebfrauenmilch) in ganz kleinen Bechern angeboten. Für die restlichen Getränke nehmen wir die Becher, die wir selbst mitbringen sollten. Auch hier wurde die zum Glück bei immer mehr Trailveranstaltungen übliche Vermeidung von Plastikmüll eingeführt.

Danach laufen wir ein kurzes, wegloses Stück über eine Wiese, später steigen wir ebenfalls weglos an einem schrägen Hang hinauf, dann wieder hinab, erneut kurz auf der Bahntrasse, dann quer über ein matschiges Stoppelfeld.  

 
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Die nächsten Kilometer führen über etwas leichtere Wege. Schließlich erreiche ich den Brüssel-Charleroi-Kanal. An dieser Stelle verlängern die 65 km Läufer "meine" Route um eine 20 km Schleife auf der anderen Seite des Kanals. Im Gegensatz zur ersten Streckenhälfte ist die Route nun zwar noch immer ganz nett, aber nicht besonders anspruchsvoll.  

Bisher war die Streckenmarkierung sehr gut, doch nun komme ich an eine Kreuzung, an der kein Hinweis zu erkennen ist, wie es weiter geht. Zufällig bin ich hier gerade in einer lockeren Gruppe mehrerer Läufer, doch niemand sieht eine Markierung. Da wir nicht glauben, dass wir geradeaus zwischen Häusern hindurch laufen sollen, entscheiden wir uns für einen schmalen Pfad nach links, doch der endet bald. Zum Glück kostet diese Verzögerung nur fünf Minuten.

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Informationen: Trail des Bosses
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