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17.03.13 - Trail du Petit Ballon

Balanceakt

Lange vor Ankunft habe ich mich schon auf den Kleiderwechsel gefreut. Ich habe Handschuhe, Kopfbedeckung und einen dickeren Pulli im Gepäck. Das subjektive Wohlbefinden und somit auch den Spaß auf dem Trail kann ich mit trockener Wechselbekleidung doch spürbar steigern. Da lasse ich mich hernach auch gerne als Warmduscher titulieren.

 
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Weiter geht’s zum finalen Gipfelsturm. Den Singletrail durch den Wald habe ich vom Vorjahr noch in allerbester Erinnerung. Heute beginnen hier die größten Herausforderungen des Tages. Kaum einer kann sich ohne Zuhilfenahme sämtlicher Extremitäten auf den Füßen halten und so kämpfen wir uns mühsam Meter für Meter nach oben. Wo es geht, wird durch den Tiefschnee gestapft um der Eispiste zu entrinnen. Ein paar wenige ganz Clevere sind aber auch dabei, sie haben Yaktrax aufgeschnallt und zeigen uns sprichwörtlich die lange Nase. Zweifelsfrei hätte man heute größte Schwierigkeiten, diesen Pfad abwärts, wie im Vorjahr, unversehrt zu bewältigen.

Zu Eis und Schnee kommt noch dichter Nebel, als wir die Baumgrenze und die schneebedeckten Stoppelfelder der Haute Chaumes erreichen. In Serpentinen geht es über freies Feld hoch zur Marienstatue, der Gipfelmarkierung des Petit Ballon. Nur noch Schemenhaft sind Vorder- und Hintermänner auszumachen. Der Schnee bläst uns fast waagerecht ins Gesicht. Zwar ist das hier nicht unbedingt ungewöhnlich, in den Vogesen herrscht stets ein strenges Klima. Im Winter vergleichbar mit Island, im Sommer häufig kühl mit rauen Stürmen und 2.000 mm Regen und Schnee im Jahresschnitt. Aber warum denn unbedingt heute?

Wo sich sonst an der Marienstatue ein grandioses 360° Panorama über den Hohneck, das Münstertal, zum Grand Ballon und zum Schwarzwald und sogar bis in die Schweizer Alpen eröffnet, gibt es heute nur dicke Suppe. Einheitlich Grau in Grau. Nichts wie weg, es lohnt kein Aufenthalt.

Der Abstieg wird kriminell. Kaum habe ich die ersten hundert Meter hinter mir, liege ich schon auf dem Rücken. Es gibt ohne Spikes kaum ein Halten auf dem eisigen Schneebelag. Zweihundert Meter weiter zerlegt es mich ein weiteres Mal. Da bin ich aber nicht der Einzige. Es lebe der Sport, er ist gesund und macht uns hart…

Etwas unterhalb führt ein Weg um die Kuppe in einer 30 cm tiefen Traktorspur herum …oder wahlweise im Tiefschnee, der gewährt wenigstens festen Stand. Nach einer Schranke geht’s erneut abwärts, sofort ist wieder höchste Aufmerksamkeit angebracht. Der Balanceakt geht weiter. Ich kann die Beinahe-Stürze gar nicht mehr zählen und bin deswegen auch ziemlich verunsichert und vorsichtig, trotzdem will ich bergab unbedingt laufend bewältigen. Kollateralschäden gibt es heute zuhauf. Verena schmerzt der Rücken vom unsanften Aufprall. Jens steht geknickt am Wegesrand und hält sich seine gebrochene Hand. Bei der nächsten Unterhaltung legt sich eine Gesprächspartnerin direkt vor meine Füße.

 
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Zwei Becher Cola gönne ich mir auf die Schnelle an der Station Boenlesgrab und weiter geht der Spaß. Jetzt aber mit gemäßigterem Gefälle und besser zu Laufen. Schnell werde ich übermütig und muss heute ein drittes Mal in den Schnee. Trotzdem bereitet mir der Downhill sehr viel Spaß.10 Kilometer geht es fast ausnahmslos abwärts. Bin durchwegs auf der Überholspur.

Ab dem Col du Firstplan wird der Schnee zusehends weniger, der Schlamm dafür umso tiefer. Von hier gäbe es auch eine direkte Möglichkeit, um ins Vallée de Munster zu gelangen, dort wird der berühmte Elsässer Weichkäse bereits seit dem siebten Jahrhundert und immer noch von Hand hergestellt. Benediktinermönche in Münster waren die Urheber der Produktion. Zu dieser Zeit diente der Vorgang dazu, die Milch haltbar zu machen. Westlich des Gebirgskamms in Lothringen wird der würzige „Stinkerkäse“ im Übrigen Géromé genannt. Da ich aber bereits den Kofferraum bei der Herfahrt vollgeladen habe, nehme ich doch lieber weiter die markierte Strecke.

Urplötzlich drehe ich eine Roulade durch die Suhle, das trifft mich hart, hinter mir sind einige, die meine gratis Fangopackung miterleben. Einmal abgerollt, geht es unbeschadet weiter und ist man erst einmal den Schlamm gewohnt, stört er auch kaum noch. Osenbach erreiche ich deutlich außerhalb der ursprünglichen Cut-Off-Zeit, da ist man aber scheinbar heute davon abgegangen, es ist auch noch ein umfangreiches Aufgebot hinter mir. Besser wird die Strecke auch nach der Ortsdurchquerung nicht. Im Gegenteil, zum Schlamm kommen auch noch große Wasserpfützen. Man könnte jetzt auch sagen: Trailers Paradise. Auf einem Abschnitt bin ich ganz alleine unterwegs und bin scheinbar zu unkonzentriert. Nein, kein Sturz, dieses Mal nehme ich eine falsche Abzweigung, das bringt einige hundert Zusatzmeter. So bekomme ich heute wenigstens meine 50 km voll.

 
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In Sichtweite der l’Eglise, der von weitem schon hervorstechenden Kirche von Rouffach, bekommen wir zum krönenden Abschluss noch einmal ein Schlammbad vom Feinsten. Ein schmaler Pfad durch ein Wäldchen lässt uns nicht die geringste Möglichkeit, irgendeinen unbefleckten Quadratzentimeter unserer Laufschuhe ins Ziel zu bringen. Ein letzter Downhill durch die Weinfelder und das Ziel an der Allee de Humaniste ist erreicht. Finishershirt und ein Mirofaserhandtuch werden direkt nach dem Zieldurchlauf überreicht.

 
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Wie ist es meinen Ultra-Novizen ergangen: Leider hat es auch Charly unterhalb des Gipfels erwischt, bei seinem achten Sturz knickte er grauslig um und holte sich eine schwere Kapsel- und Bänderzerrung, humpelte aber noch bis zum Cut in Osenbach (km 40,5), begleitet von Greppi. Als Letzter wird er aus dem Rennen genommen und mit dem Auto ins Ziel chauffiert, ist da aber heute nicht der Einzige. Greppi darf im gesunden Zustand noch weiter, ist gut drauf und kann sogar noch ein paar vor ihm liegende kassieren und darf sich jetzt auch Ultraläufer titulieren.

Heute war auch wirklich alles dabei, von dem man noch in Jahren erzählen wird. Im Hotel empfängt mich Gerhard Börner mit Leuchten in den Augen: „War doch geil heute“. Und er wird’s wohl wissen. Ein paar Dinge gibt es schon noch zu verbessern. Christophe hat versprochen, den Zeitabstand zum Circuit des Grands Crus zu überdenken und erhöhen. Da hat es scheinbar mehrere Beschwerden gegeben. Aber dann wird es wieder perfekt passen.

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