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28.08.11 - Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB)

UTMB: Tage der Wahrheit

Was Tage werden sollten, beschränkte sich für mich auf Stunden. Die Wahrheit ist hart – und so ist ein DNF. Ja, nach 85 Kilometern und 5200 Höhenmetern muss ich aus gesundheitlichen Gründen bereits die Segel streichen.  Ausgerechnet an dem Anlass, auf den ich so lange hingefiebert hatte. Nun hat mich genau bei diesem Lauf hinausgefiebert.
 
Jetzt aber alles der Reihe nach.

Es ist erst drei Jahre her, dass ich mich beim Swissalpine erstmals weiter als über die Marathondistanz gewagt habe. Die Kombination von Ultralauf und Berglauf hat es mir besonders angetan, so war es eigentlich logisch, dass ich schon ein halbes Jahr später den Entschluss fasste, mir im Jahr des runden Geburtstags den UTMB zu schenken. Mit Qualifikationsläufen habe ich mich an dieses Abenteuer herangetastet. Nebst verschiedenen Läufen mit zwei Punkten, holte ich mir am Mountainman mit seiner brutalen Zeitlimite drei, am Trail Verbier-Saint Bernard sogar vier Punkte.  Den Start in diese Saison mit dem erklärten Höhepunkt Chamonix würde ich also beruhigt angehen können. Anfangs Juli gab mir der Doppeldecker in Österreich ein gutes Gefühl für die finalen Vorbereitungswochen, doch eine Sommergrippe bremste mich vor dem Trail du Pays Welche aus und anschließend kam der Urlaub in Kalifornien mit einem minimalen Laufprogramm. Je näher das letzte Augustwochenende kam, umso mehr war es mit der Ruhe vorbei und kamen mir Zweifel. Wäre es nicht besser gewesen, ich hätte mir in Davos und Gondo den letzten Schliff geholt, statt „hanging loose“ in Kalifornien?

Ich versuche mich noch auf der Fahrt nach Chamonix mental zu stärken und halte mir die Vorteile vor Augen, die mir die vergangen Wochen so verschaffen. Ich bin ausgeruht, habe mit keiner Verletzung und keinen Anzeichen des Übertrainings zu kämpfen und habe mich nicht durch negativ erlebte läuferische Tagesform verunsichern lassen. Wenn es für die Teilnahme fünf Qualifikationspunkte aus zwei Läufen in den letzten beiden Jahren braucht, ich diese Vorgabe weit übertroffen und in diesem Jahr ich am KUT und am Zugspitz Ultratrail auch schon fünf Punkte gesammelt habe, dann bringe ich mehr als nur die Mindestvoraussetzung mit. Das ist die eine Seite.

Die andere ist die, dass ich die Hose trotzdem voll habe, mich vor dem eigenen Mut fürchte. Oder ist es gar nicht Mut, sondern Selbstüberschätzung? Dazu kommt, dass sich ausgerechnet jetzt, vor meinem erklärten Saisonhöhepunkt, mich der Anflug einer Erkältung verunsichert. Ich glaube, es ist ganz gut, dass ich nicht früher anreisen und mich dem Vibrieren aussetzen konnte, welches in Chamonix zu spüren ist. Seit Dienstag und dem Start des Teambewerbs PTL läuft es hier rund. Gestern haben sich in Courmayeur die Teilnehmer des TDS auf den Weg gemacht, sind entweder schon hier oder treffen im Verlauf des Tages ein, und zum Zeitpunkt meiner Ankunft wurden ebenfalls in Cormayeur die Läufer für den CCC auf die Strecke geschickt.

Meine erste Station ist das Pressezentrum, wo ich gerade die Meldung lesen kann, dass der Start aus meteorologischen Gründen gegen Mitternacht hin verschoben wird. Nach den Sturm- und Unwetterwarnungen, die ich bereits gelesen und gehört habe, kommt diese Mitteilung nicht unerwartet.

 
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Auf dem Weg zur Startnummernausgabe im Sportzentrum treffe ich Beat Lohner, den ersten Liechtensteiner Teilnehmer am UTMB. Bevor die Unterlagen ausgehändigt werden, wird der sorgfältig gepackte Rucksack auf die Vollständigkeit des Pflichtmaterials überprüft und gekennzeichnet. Über einzelne Punkte dieser Liste wurde im Forum der Website des UTMB lebhaft diskutiert. Fakt ist, dass der Veranstalter diese Vorgaben macht und damit Punkt. Oder wie es in den USA heißt: It’s the law! Ich habe großen Respekt vor den Bergen und habe lieber Sicherheitsreserven, als dass ich mich am Limit bewege, auch wenn das zusätzliches Gewicht am Rücken bedeutet. Dagegen hab ich vorgesorgt und mir noch die Fronttasche gekauft, welche zum Finishergeschenk des Zugspitz Ultratrails, dem Laufrucksack mit Trinkblase, kompatibel ist. Zugegeben, wenn über den Zeitraum der kommenden drei Tage eine Affenbullenhitze und keine Niederschläge zu erwarten wären, dann würde ich mindestens ein Ausrüstungsteil als überflüssig erachten. Dass bei einer Veranstaltung dieser Dimension nicht so individuell gehandelt werden kann, leuchtet mir ein. So flexibel handeln kann man bei einem der kleinen, feinen Trails, die sich dem Kenner anbieten. Der hier ist halt groß – aber fein soll er auch sein. Und noch vieles mehr. Ich bin gespannt.
 
Beim Mittagessen erreicht mich die SMS, dass der Start auf 23.30 Uhr verschoben wird. Dabei wäre ich froh, ich könnte mich jetzt schon vom Acker machen. Die zusätzliche Zeit verbringe ich damit, dass ich den ankommenden Teilnehmern des TDS zujuble und dabei besonders auf Max warte. Der wirkt bei der Entgegennahme der Finisher-Weste noch sehr frisch, obwohl sein Lauf aus Wettergründen 10% länger als vorgesehen ausfiel.

Im Zielbereich vernehme ich, dass der CCC ebenfalls umgeleitet wird. Bovine, der berüchtigte Berg nach Champex, ist wegen Erdrutsch- und Steinschlaggefahr nicht begehbar und es wird über Martigny und den Col de la Forclaz ausgewichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei solchen Bedingungen, die Strecke über den Bovine und Catogne einen Tag später für die UTMB-ler sicher begehbar sein würden…

Unangenehm empfinde ich, dass zwar eine Verschiebung des Starts kommuniziert wurde, eine Anpassung der Zeiten für die Pasta Party und die Abgabe des Drop Bags für Courmayeur nichts mitgeteilt wird. Irgendwann finde ich dann einen Offiziellen, der darüber Bescheid weiß, womit ich die Gestaltung der verbleibenden Stunden weiter planen kann. Ich lege mich also nochmals hin, bevor ich mir um 19.00 Uhr meine Nudeln einverleibe. Auf dem Weg in den Speisesaal erhalte ich eine SMS mit der Meldung, dass die Zielzeit um zweieinhalb auf 46 Stunden reduziert wird, dafür der letzte Aufstieg nach La Flégère ausgelassen und ab Vallorcine der Weg durchs Tal genommen wird. Diesen Teil der Mitteilung kann ich nachvollziehen. Dass jedoch ohne weitere Streckenänderung die Durchgangszeiten vorher um bis zu 1 ¼ Std gekürzt werden, befremdet  mich. Da werden die Spielregeln kurz vor dem Start massiv geändert. Eine Reduktion von teilweise über 20% ist ganz schön happig. Ist das Fairplay? Diese Frage stellen sich auch April und Craig, welche auf ihrem Honeymoon für den UTMB nach Chamonix gekommen sind.

Das Warten im Speisesaal ist endlos, immerhin sitzen wir im Trockenen. Ein Unwetter ist bisher ausgeblieben, doch es stürmt und regnet ganz heftig.

Der noch immer kräftige Regen kann die Leute auf dem Place du Triangle de l’amitié nicht davon abhalten, für Stimmung zu sorgen. Zuschauer und Läufer stehen nach hinten zur Kirche hin teilweise durcheinander, auf der anderen Seite der Startlinie stehen Absperrgitter, hinter welchen Maßen von Menschen den Start erwarten. Dann geht es endlich los. Die Sympathie und Anfeuerungen, die den Teilnehmern entgegenbranden, sind unbeschreiblich. Weil sich das Feld nur langsam in Bewegung setzt, komme ich sehr lange in diesen Genuss. Volle zehn Minuten dauert es, bis ich endlich vom Gehen in einen leichten Laufschritt wechseln kann. Zu diesem Zeitpunkt habe ich schon die erste Panne zu verzeichnen. Der Bauchgurt meines neuen Trinkrucksacks ist beim Nachziehen abgerissen. Super…

Auf dem welligen Abschnitt bis Les Houches schwimme ich mit dem Strom mit und lasse mich bei der ersten Getränkestelle nach 8 km positiv davon überraschen, dass sogar Nudelsuppe im Getränkeangebot ist. Mit diesem Wärmedepot im Magen geht es in die erste Steigung zum Col de Voza und weiter nach Le Délervet. Zu dem weiterhin unablässig herabströmenden Nass kommt in der Höhe ein bissig kalter Wind. Meine Bronchien hätten es lieber weniger unwirtlich.

Diesem Wunsch wird beim Abstieg nach Saint Gérvais teilweise entsprochen. Wind und Regen lassen nach, doch der aufklarende Himmel macht auch klar, dass der Rest der Nacht empfindlich kühl werden dürfte.  Auf dem schmalen, schmierigen Serpentinenpfad kommt es zwischendurch zu Staus, in welchen fast alle geduldig warten. Fast alle. Auch unter den Trailern gibt es Ausnahmen. Rücksichtslos drücken sie sich durch…

Die Verpflegung in Saint Gérvais eröffnet den Reigen der reichhaltigen Angebote, präsentiert von einer Unzahl freundlicher, hilfsbereiter Freiwilliger. Die Produkte aus örtlicher Herstellung munden besonders gut.

Dann geht es wieder hinaus in die Nacht, mit wechselnder Steigung, tendenziell aber aufwärts. Auf den zehn Kilometern bis Les Contamines kommen verhältnismäßig bescheidene 500 Höhenmeter dazu. Auch hier gibt es wieder einen kompletten Verpflegungsposten, an welchem Warmes, besonders die Nudelsuppe, gefragt ist. Beim Verlassen des Zeltes, eine halbe Stunde vor Cut Off, sehe ich die Angaben zur nächsten Station mit Verpflegung und „barrière horaire“.  Die ursprüngliche Zeitlimite prangt unverändert auf dem Schild und da die Reduktion dieser Durchgangszeiten nicht einheitlich ist, erkundige ich mich bei einer Offiziellen nach der gültigen Limite. Schön wärs, wenn sie es wüsste…

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