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15.11.14 - Special Event

Oman Desert Marathon 165 km

Autor: Joe Kelbel

Der Oman Desert Marathon ist ein technisch nicht schwerer Etappenlauf über 165 km und wird zum zweiten Mal in der Wüste Rimah al Wahiba im Ost-Oman ausgetragen. Im letzten Jahr wurde er auf Anhieb zu den 10 besten Wüstenmarathons und in die Liste der 100  Must -Have-Done-Rennen der Welt gewählt.

Das Regelwerk entspricht dem des Marathon Des Sables (MdS).  Man hat sämtliche Ausrüstung, (Espitkocher, Verbandsmaterial, Signalspiegel, Kompass, Messer, Feuerzeug etc),  Schlafsack und Nahrung für sechs Tage bei sich.

 

Tag 1

 

In der Ankunftshalle des Flughafens Muskat markiert ein einsames Fähnchen  den Treffpunkt der Teilnehmer. Von einem sicheren Tisch im Café checke ich die eintreffende Konkurrenz ab. Jean-Luc erkennt mich aber an den Laufschuhen. Auch Weki (Platz 39 MdS), der belgische Argentinier findet mich sogleich. Nun beobachten wir zu dritt:

Es erscheint der Ukrainer Evgenii Glyva (100 km: 6:39). Er hätte auch dieses Jahr im Rodgau gewonnen, wenn ihn nicht eine Läuferin zu Fall gebracht hätte.

Rachid El Morabity aus Marokko,  Gewinner des MdS 2011+2014).
Salameh Al Aqra , Jordanien (Gewinner des MdS 2012) und ewiger Zweiter bei der 10 jährigen Gewinnserie von Lahcen Ahansal beim MdS.

Juan- Maria Jimenez, Spanien  (vierter des TDS 2013)
Benoit Laval,  Gründer von Raidlight (Gewinner des diesjährigen Annapurna Mandala Trail) mit seinen zwei Kindern.

Mohamad Al Swaiti (Jordanien, Zweiter des Ultra India),
Mustapha Ait Amar (Marokko, seit Jahren unter den Top 10 des MDS). Aziza Raji (Marokko, letztjährige Gewinnerin des Oman Desert Marathons und diesjährige Gewinnerin des Trans Altas Marathon).

Sami, das 45 kg Kerlchen läuft zum ersten Mal und wird überraschen.
Karim Mosta (Platz 73 MDS), der Laufprofessor läuft jeden Extremlauf mit.  Tommaso tritt in wenigen Tagen den GR10 Pyrenees Trail, einen 900 km langer Nonstoplauf mit Selbstverpflegung an.

Brahim und Hassan sind die Organisatoren der Trails in Oaurzazate, Marokko, wir kennen uns sehr gur, zusammen mit dem Omani Said Alhajri managen sie den Oman Desert Marathon.

Top Athleten die mich abklatschen. Es wird mein Lauf werden!
Ich werde in wenigen Tagen bester Deutscher von 37 Teilnehmern sein.

Von Maskat geht es 230 Kilometer in die Wüste Rimah al Wahiba, Region Sharqiyah. In  Bidiyah ist eine alte portugiesische Handelsstation.

13 4x4 Autos brettern über die 500 Meter breite Wüstenpiste zum Basiscamp, liefern sich ein staubiges Rennen, welches mein Fahrer gewinnt, sodaß ich zumindest heute einer der Ersten bin.

 
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Durch den Zielbogen treten wir in das Camp ein. Die Begrüßung ist fantastisch: Gewehre und Schwerter werden geschwungen, die Trommeln wummern, hüpfend tanzen wir im Kreis. Dann gibt es starken Kaffee, süsse Datteln und ein extrem süsses Gelee mit Pistatien, stark mit Kardamon gewürzt.

Mittagessen und Siesta. Ich nutze die Zeit, meinen Laufrucksack abzuspecken. Es schmerzt,  Tunfisch und Leberwurst auszusortieren. Dann bin ich aber bei 6,5 kg für 6 Tage. Es sickert durch, dass der Veranstalter Schlafsäcke bereitstellt, also nochmals 600 Gramm weniger. Das nicht benötigte Gepäck wird bis zum Zieleinlauf verschlossen gelagert.

Kontrolle der Pflichtausrüstung, der technischen Ausrüstung und des ärztlichen Attestes. Als mich Mario, der technische Leiter, Chef des Spiridonmagazins Portugal nach meiner Qualifikation fragt, lacht der  belgische MdS-Arzt  Geert laut auf. Somit bin ich ohne eigene Auskunft aufgenommen. Auch ohne Referenzen schafft jeder die Quali, denn das Zeitlimit für je 10 km liegt bei 3 Stunden. Für mich also eine angenehme Trainingswoche mit  Pfadfinderromantik. Mein leichter Rucksack wird lobend erwähnt.

Abendessen, Buffet, Softdrinks (was anders gibt’s eh nicht), Musik, Lagerfeuer. Außer der Teilnahmegebühr fallen nur noch 12 Euro Visagebühr (direkt am Flughafen) an.  

Sonnenuntergang auf der hohen Düne. 21 Uhr Nachtruhe in Zweimann-Zelten mit Betten, weißen Bettlaken, Made in PRK, also Nordkorea.

 

Tag 2, erste Etappe, 21 km

 

Die Rimah al Wahiba ist eine überschaubare Wüste, 180 km lang und 80 km breit. Die 200 Meter hohen Sanddünen verlaufen in Nord-Süd-Richtung, müssen mehrfach durchquert werden. Offizielle 24-Std Temperatur 20-30 Grad, also optimal.

Der 4x4 Konvoi bringt uns nach Al Wasil. Die kleine Stadt ist in heller Aufruhr, denn jeder Einwohner nimmt an den kurzen Läufen teil, die heute unseren Auftritt begleiten. Ab jetzt werden jeden Tag arabische und englischsprachige Zeitungen mit ganzseitigen Berichten an uns verteilt und geben uns das Gefühl, wichtig zu sein.

 
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In einer ewig langen Prozession aus Musikanten, schwerter- und gewehrschwingenden Krieger, Läufern, Kamelen, Presse und Zuschauern werden wir zum Starttor geleitet. Unsere Namen werden einzeln aufgerufen. Ich fühle mich sehr geehrt, doch unwohl, habe den Trubel, diese bewundernden Blicke nicht erwartet.

Es wird losgewetzt, als wäre Weltuntergang.  Herrlich die Palmen. Unglaublich viele 4x4 Wagen begleiten uns und noch bevor die Dünen anfangen, haben Eltern ihre Kinder schon wieder eingesammelt.

Bei km 5 ist die Wendestrecke der einheimischen Kurzstreckler. Die 37 Ultraläufer sind unter sich. Die Endplatzierung für den Zieleinlauf in 6 Tagen steht hier schon relativ fest, man mag es kaum glauben.

Ich mag es auch kaum glauben: es gibt Wasser und Iso aus der Eistruhe!  Iso mit 87 kcal pro Dose, vom Sponsor Pocari. Davon werde ich in den nächsten Tagen leben, denn ich habe meine Vorräte  gestern auf  1500 kcal pro Tag reduziert.

Ich überhole Charlotte. Warum, weiß ich nicht, sie wird in wenigen Tagen  6 Stunden vor mir im Ziel sein. Ich überhole Demottoni. Warum, weiß ich nicht, er wird in wenigen Tagen 6:45 vor mir sein. Ich überhole Tony, alias Achmed, den Algerier, er wird in wenigen Tagen hinter mir sein, weil er beide Blinde führen wird.

Ich überhole Yu Hsin Hu, weil er noch langsamer läuft, als ich. Ich überhole Fatima, die in wenigen Tagen 2 Std schneller sein wird. Doch bei km 10  mache ich einen gravierenden  Fehler: Ich kippe mir Wasser über den Kopf, das rieselt in die Schuhe, die mangels Vorbereitungszeit keine Gamaschen haben. Dort verbindet sich das Wasser mit dem Sand und bildet Schmiergel, der mir sofort und im selben Augenblick die Fersen aufreisst.

 
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So hänge ich inmitten der Dünen und klebe mir die Füsse mit den weissen Bändern zu, die sonst Reckturner benutzen. Ab sofort habe ich jeden Abend Termin bei der algerischen Ärztin. Damit ist mein Rennen quasi gelaufen.

Bezüglich Rucksackgewicht gibt mir Weki die Einweisung: Astronautennahrung in Gefriertüten umpacken und darauf achten, dass man hochenergetische Produkte hat. Das spart nochmals 600 Gramm.  Zahnbürste absäbeln, Zahnpasta reduzieren, überflüssige Schnüre vom Rucksack entfernen, eine Hose, ein Hemd, 2 Paar Socken, mehr nicht.

Am nächsten Controllpunkt (cp) wieder eiskaltes Wasser und Iso. So wird ein Wüstenlauf paradiesisch!

Wir passieren einen Friedhof. Hierher werden tote Dromedare gekarrt, auch Müll und Bauschutt. Müll ist ein großes Problem. Während Europäer ihre leeren Wasserflaschen zum nächsten cp bringen, werfen Araber gerne alles in die Gegend. Jeden Tag werden wir ermahnt. Marokkanischen Läufer  sind Vorreiter in Sachen Sauberkeit, ermahnen eindringlich ihre arabischen Mitläufer. Vielleicht gibt es bald Erfolge in dem Land, wo Plastik und Aluminium nicht verrottet.

Die Spitzenläufer beenden heute diesen Schnupperkurs mit unter 1:30 Stunden, ich kämpfe mich mit 3:40 oder so durch.Kaum bin ich im Ziel geht es per 4x4 zu unserem ersten wirklichen Wüstencamp.

Es gibt ab sofort zwei Gesellschaftszelte, mit Teppichen ausgelegt, Einzelzelte, sowie ein Sanitätszelt und zahlreiche Zelte für den geschätzen 70 Personen-Tross, der uns begleitet.

Die Afrikaner beginnen sofort, ihr Essen über kleinen Lagerfeuern zuzubereiten. Der Urkrainer führt Regie. Ein kleiner Espitkocher macht einsam, ein Lagerfeuer zieht Publikum an. Ich bin froh, in der Schule die wichtigsten Sprachen gelernt zu haben.

Essen mag ich nicht viel, hab auch nur wenig dabei. Ingwer- und Kamillentee, Brühwürfel, das reicht. Was niemand erwartet: Dort hinten steht eine Art Dreier-Dixistation, Klo und Dusche in einem, wie in arabischen Ländern Usus.  Die Kinder von Benoit machen Hausaufgaben.

Der Taiwanese Hu begeistert mit seiner Lebensfreude: „Oh my Gosh!“ ruft er alle paar Minuten mit freudenstrahlenden Augen. Die kleine, rotgefärbte Polin Hania begeistert mit ihrer kollosalen Vitalität, sie integriert den Urkrainer Evgenii mit englisch-polnisch-russischen Übersetzungskünsten, vor allem bei der Presse. Der Algerier Tony reisst mit seiner herzlichen Art sprachliche Grenzen auf: „One, two three, vive l´ Algerie!“

Ich ziehe mich zum Mittagsschlaf in eines der Einzelzelte zurück, da fängt es an zu regnen. Dann noch mehr, dann richtig und dann fetzt die Sintflut los. Internationale Schreie im Tosen der Urgewalten. Ich versuche meine Ausrüstung zu retten, doch das Zelt schwimmt weg, alles bricht über uns zusammen. Klatschnass, frierend und Tränen lachend kriechen wir nach zwei Stunden aus den rudimentären Resten unserer Burgen: „Oh my Gosch, what an adventure!“

Es wird die ganze Nacht durchregnen. Gemeinsam bauen wir Drainagen und Befestigungen, helfen beim Sortieren und Trocknen der Ausrüstung.

Es gibt heisses Wasser für die Zubereitung unsere Nahrung. Wir stehen Schlange vor dem Ärztezelt. Evgenii hat Blasen an jedem Zeh. Ich schaue zu, wie die algerische Ärztin ihm die Dinger aufsticht. Andere Läufer haben Restdornen im Fuss. Ich erfreue mich an den Operationen, übersetze manche Anweisungen der Ärztin zu dramatisch, aber es macht mir Spass, die Konkurrenz zu brechen.

17:30 ist es stockdunkel. Der Tag wird  früh beendet. Es regnet, es ist kalt. Die Wüstenschlafsäcke sind warm, wasserdicht, ekelhaft syntetisch.

 

 
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