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27.08.11 - Karwendelmarsch

Auf den Schwingen des Adlers

Einst strengbewachte Grenze, heute das Tor zu Österreichs größtem Naturpark, dem Karwendel Alpenpark. Für mich persönlich war der Grenzübergang in Scharnitz auch immer so etwas wie das Tor zum Süden. Von Bayern führte mich der Weg in den Urlaub meistens über Zirler Berg und Brennerpass nach Italien, Südfrankreich oder Spanien.

Legendär ist schon der Karwendelmarsch, der auf einer Punkt-zu-Punkt Strecke von Scharnitz nach Pertisau am Achensee führt. Nach 19-jähriger Pause wurde die von 1969 – 1990 sehr erfolgreiche Veranstaltung vor zwei Jahren wieder neu aufgelegt und feiert somit heuer ihr 25. Jubiläum. Bis zu 4.000 Marschierer waren vor ihrer Pause am Start, die Neuauflage hat man auf 2.500 limitiert. Aber noch sind die Startplätze keine Mangelware, heuer sind in den unterschiedlichen Bewerben gut 1.200 Teilnehmer gemeldet.

Zum Wandern bin ich natürlich nicht hier. Zu den Disziplinen Karwendelmarsch und Karwendel Nordic Walking gesellt sich noch der Karwendellauf über 52 km und 2.280 Höhenmeter. Während die Wanderklassen ohne Zeitmessung durchgeführt werden, ist beim Lauf der gelbe ChampionChip im Einsatz. Gleich ist bei allen Langstrecken der Zielschluss um 20 Uhr am Achensee. Wer bis 15 Uhr die Kontrollstation Engalm (Km 35) nicht erreicht hat, für den ist der Lauf/Marsch beendet. Für mich eine gute Gelegenheit nach dem APM Ultra vor 7 Tagen heute etwas langsamer machen zu können ohne Zeitdruck.

Wer in Tirol wandern geht, kommt zwangsläufig mit dem Adlerweg in Verbindung. Die 280 km lange Hauptroute des Adlerwegs zieht sich quer durch das Land. Ein Abschnitt des Weitwanderweges führt auch auf unserer Route durch das Karwendelgebirge. Wer sich den Routenplan genauer ansieht, wird feststellen, dass er wie die Silhouette eines Adlers, der seine Flügel ausbreitet, aussieht. Das gleiche kann ich aber auch in der Grafik der Karwendelmarsch-Strecke erkennen. Wir laufen praktisch auf den Schwingen des Adlers. Der Kopf unseres Raubvogels befindet sich genau am dritten Aufstieg über den Binssattel, unserem höchsten Punkt heute. Bin mal gespannt, was uns da erwartet.

Schwerelos gleitet der König der Lüfte dahin und betrachtet die Welt von oben. Diese Freiheit kann man hier in den Tiroler Bergen erleben und deswegen wurde der Adler zum Namenspatron für den großen Wanderweg und ist auch sowas wie das Wappentier des neu aufgelegten Karwendelmarsches. Insgesamt beheimatet das Karwendel 21 Brutpaare. Das Gebiet bietet ihm die benötigten Lebensumstände in den hohen Gebirgsketten. Mit ca. 2 Paaren pro 100 km² ist das Karwendelgebirge flächendeckend vom Steinadler besiedelt und weist zurzeit eine der höchsten Adlerdichten im Alpenraum auf. Heute werden wir aber bei dem zu erwartendem Wetter wohl kaum einen am Himmel kreisen sehen.

Eigentlich hatte ich gehofft, nichts darüber schreiben zu müssen. Aber jetzt ist doch wieder da, der Sommer 2011 und sein grausliges und regenreiches Wetter. Der Durchzug eines ergiebigen Regentiefs ist uns fest versprochen und der schon zur Genüge bekannte Laufalptraum hat uns wieder. In Chamonix weiter westlich, von wo man uns die Wolken rüberschiebt, hat man vor ein paar Stunden beim berühmten Ultra Trail du Mont Blanc schon den Start wegen des Starkregens einige Stunden nach hinten verschoben. Um 4 Uhr nachts kann ich in Scharnitz am Himmel aber immer noch die Sterne ausmachen. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, daher hoffe ich immer noch auf Verspätung des Unwetters.

Beim Marsch zum Start am Gemeindeplatz direkt an der Durchgangsstraße fallen aber schon die ersten Tropfen vom Himmel. Zehn Minuten vor dem Startschuss gebe ich meine Wechselkleidung zum Transport an den Zielort ab. Meine kompletten Laufklamotten habe ich gestern bei fast 35 Grad eingepackt, da war im Internet noch von Temperaturen bei Regen um 10 Grad die Rede. Günter Kromer erzählt mir von den „Latest News“ und die sprechen schon von möglichem Schneefall oben in den Bergen. Ich bin eigentlich ganz gut ausgerüstet, aber an eine lange Hose habe ich nicht im Entferntesten gedacht, also habe ich auch keine im Laufrucksack. Eingepackt habe ich aber Regenjacke, Mütze, Ärmlinge und Handschuhe, weswegen ich von meiner lieben Frau sogar etwas gehänselt wurde.

 
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Da es bei der Kleiderabgabe auch schon stärker zu regnen beginnt, entscheide ich mich bereits für einen Start in Regenjacke. Vom Sprecher bekommen wir nochmals Informationen über die Wetterentwicklung der nächsten Stunden. Es wird im Laufe des Tages auf alle Fälle mit stärkeren Regenfällen zu rechnen sein, werden wir „beruhigt“. Stockdunkle Nacht, Regen prasselt hernieder und die Aussichten sind miserabel, das ist so eine Situation wo ich mich schon kurz frage: „Warum stehe ich eigentlich hier und wie verrückt muss man eigentlich sein, überhaupt los zulaufen?“ Alle Gedanken sind aber nur Momentaufnahmen und wirklich nicht zu starten ist natürlich auch keine Option.

Nach einem flachen Kilometer Einlaufen dürfen wir auch schon den ersten kleineren Aufstieg bewältigen. Mir wird‘s mit meiner Regenjacke bereits richtig warm und da der Regen tatsächlich wieder aufgehört hat, entledige ich mich ihrer sehr schnell. Mittlerweile ist es hell geworden und es sieht alles wesentlich freundlicher aus am Himmel als angenommen, bequem lässt es sich in kurzer Hose und Shirt laufen.

Nach drei Kilometern komme ich mit Tom Eller ins Gespräch, wir haben uns schon am vergangenen Sonntag auf der Strecke beim APM Ultra mal kurz getroffen. Er ist schon ein ganz verrückter Hund und Hardcore Trailer, nächste Woche wird er noch die 170 km Rund um Köln packen und danach entscheiden ob er „wieder“ beim „Tor de Géants“ über 330 km und 24.000 Hm antreten wird. Zu uns gesellt sich noch der Dieter Ladegast aus Bayreuth und so pflastern Storys und Erlebnisse unseren Weg, der so für mich unglaublich kurzweilig und unterhaltsam ist. So schnell kann sich die Stimmung ändern.

Im Karwendeltal sind entlang des wildromantischen Karwendelbaches bis zur ersten Labestation etwa 10 km zurückzulegen. Rechts über uns thronen die gewaltige Pleisen- und Larchetkarspitze mit über 2.500 m Höhe. Bedeutendster Fund war 1951 ein ca. 8.000 Jahre altes Elchskelett auf der Pleisenspitze, das man heute in Scharnitz bewundern kann. Gefühlsmäßig kommt mir der Weg eigentlich fast flach vor, dem ist aber nicht so, laut Höhenprofil geht es immer leicht aufwärts. Nach gut einer Stunde haben wir schon die Larchetalm zum Frühstücken erreicht. Äpfel, Bananen und Kekse werden uns serviert.

 
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So könnte es weitergehen …tut es aber nicht, am Himmel kann man schon sehen wie die Wolken immer bedrohlicher werden und die Gipfel langsam umschließen. Die Strecke legt jetzt auch spürbar an Steigung zu, was sich auch bald auf die Temperaturen auswirkt. Wir legen alle unsere wärmeren Klamotten bzw. unsere Regenjacken wieder an. Unterhalb des Karwendelhauses (Km 19) auf 1.771 m hat es sich bereits richtig ungemütlich zugezogen, die Bergspitzen über uns und selbst die Alpenvereinshütte in unmittelbarer Nähe sind im Nebel nur mehr schwer erkennbar. An der großen Brotzeitstation steuere ich als erstes die leckere, warme Kartoffelsuppe an, die auch sonst begeisternde Abnehmer findet. Dazu wird uns u.a. heißer Tee geboten. Aber an der zugigen Zeltstation ist schon empfindlich kalt geworden, trotz Handschuhe komme ich bald ins frösteln.

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Informationen: Karwendelmarsch
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