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29.03.15 - SciaccheTrail

Una corsa tra vigne, cielo e mare


Kampfzone Wald


Der Boden ist angenehm weich, keine Steine stören den Tritt. Auf der schmalen Trail-Autobahn kann ich einige hundert Meter gutmachen. Im Unterholz raschelt es. Ich bin im Runner‘s High, als plötzlich keine Stocklänge vor mir eine genervte Wildschweinmutter mit ihren Frischlingen aus dem Gebüsch sticht. Stumm, fasziniert und regungslos klammere ich mich an den nächstbesten Baum. Hinter mir kommt eine Läuferin, sie bleibt neben mir stehen. Einige der zart gesteiften Frischlinge haben wohl den Anschluss an ihre Rotte verpasst und suchen verwirrt nach ihrer borstigen Mutter.

 
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Andere Frischlinge kommen neugierig auf uns zu. Himmel, ihr seid ja wirklich süß, aber mit eurer Mutter, die lautstark schnaubt und bläst, möchten wir wirklich keine Bekanntschaft machen. Keine ungefährliche Situation, so zwischen Bache und Frischling. Das Herz klopft bis zum Hals, wir vergessen zu fotografieren. Die Zeit läuft, auch ohne Rücksicht auf derartige ungeplante Pausen. Irgendwann ist es wieder ruhig. Die Familienzusammenführung scheint geglückt. Die oberste Regel lautet „leise sein“. Und so pirschen wir uns auch wieder auf die Strecke. Und was passiert? Nichts!

 
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Am Colle del Telegrafo ist die nächste Zeitkontrolle erreicht. Ich atme erleichtert auf, trotz des tierischen Abenteuers liege ich noch gut in der Zeit. Hoch über dem Meer genieße ich für einen Moment den Ausblick. Korsika versteckt sich im Dunst. Noch schnell ein Stoßgebet beim Vorüberlaufen an der Wallfahrtskirche Santuario Madonna Montenero auf dem Hügel (324 Meter über N.N.) oberhalb von Riomaggiore, denn schon warnt mich ein Schild an der Strecke: „Attenzione! Tratto pericoloso!“ (Gefährliche Strecke). Gemeint ist ein steiler und technisch schwerer Abstieg über einen uralten Mulattierra, einem Saumpfad, der hinunter nach Riomaggiore führt.

 

31,4 Kilometer - Riomaggiore


Es ist 12:56 Uhr. Vor mir liegt das erste und östlichste Dorf der Cinque Terre: Riomaggiore, auch als Fototapete "Riomaggiore Cinque Terre - Italien" für 19,90 Euro auf eBay zu ersteigern, endlich in live und in Farbe. Dieses Dorf war früher nur auf dem Seeweg oder wie für uns heute, auf einem langen beschwerlichen Fußweg an der Küste und über die Berge erreichbar. Der Küstenweg SVA (Sentiero Verde Azurro) führt über steile Hänge mit Hunderten von Stufen und teils sehr schmal an (geschützten) Abgründen entlang. Ein erstaunliches Profil liegt vor meinen Augen; teils steil wie eine schwarze Piste. Verpflegungsstellen, besonders Wasserstellen, sind ab jetzt noch mehr vorgesehen, denn unablässig müssen Höhenmeter bezwungen werden. Jahrhunderte waren die fünf Dörfer vom Rest der Welt getrennt und die Bewohner galten als eigenbrötlerisch. Die Obrigkeit des reichen Genuas untersagte den armen Bauern dieser Region, die „edlen Speisen des Meeres“ selbst zu essen. Fischfang war, bedingt durch den schweren Meereszugang, noch aufwendiger als der Wein- und Olivenanbau.

 
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„Saubere Gesichter, vierfüßige Tiere, eine Hebamme, ein Arzt findet man hier nicht“, schrieb 1860 der Florentiner Maler Senniorini bei seinem Besuch der Cinque Terre. Ein Chronist ihres Lebens. Weiter erwähnte er „…und wir stiegen zwischen diesen schwarzen und schmutzigen Höhlen, zwischen diesen Abgründen von Gewölben und stinkenden Treppen zum Hafen hinab." Noch heute ist Riomaggiore ein Gewirr aus schmalen hohen Häusern, steilen Treppen und verschlungenen Gassen. Als weitgehend autofreie Region ist in allen fünf Dörfern das alte Ortsbild erhalten geblieben und in jedem Dorf lauern gefahren.

Eis, Kaffee, Schinken, Käse ….. Auch für uns gibt es Wasser. Putz bröckelt teilweise von den Häusern, weiße Wäschelaken und bunte Hemden wehen von den Wäscheleinen über unsere Köpfe. Es ist Palmsonntag, die kleinen Mädchen haben ihre schönsten Kleider an. Vor der Kirche San Giovanni Battista verabschiedet der Pfarrer gerade die letzten Gläubigen der Messe. Auch an einer großen Mauer bröckelt bereits die verblaste Farbe ab. Noch ist das Motiv zu erkennen, es zeigt Schiffe, Menschen in Not und wundersame Errettungen.  Auf der gegenüberliegenden Seite, sieht man noch deutlich die Ruinen der Burg aus dem 15.-16. Jahrhundert.

Nicht weit von hier würde der berühmte Weg der Liebe beginnen, der "Via dell'amore", der sich mit Vorhängeschlössern und Treueschwüren schmückt. Trotz Befestigung von Stahlnetzten ist eine Gefährdung durch Steinschlag nicht auszuschließen und der Weg daher geschlossen. Für Liebesgeflüster ist heute ohnehin keine Zeit. Nur würde dieser bequem in wenigen Minuten nach Manarola führen – also der perfekte Weg für Einsteiger. Unser Weg aber, führt uns über einen extrem beschwerlichen Umweg hinauf zur Cantina Sociale del Groppo. Warum? Das sollen wir bald erfahren.

 

Sciacchetra(il)


Ich schwitze und ich komme kaum voran. Selbst Everest Besteiger sind auf ihren letzten Metern zum Gipfel schneller unterwegs als ich gerade. "Madonna!" entfährt es Lucia beim Anblick der steilen, nicht enden wollenden ungleichmäßigen Steintreppe. Der Weg zur „Cantina Cinque Terre“ führt durch unglaublich steile Weinterrassen.

Nur die kräftigsten Rebstöcke überleben auf dem mageren Boden, die Trauben reifen lang und langsam. Halsbrecherische Weinlese, da haben Maschinen keine Chance mehr. Noch heute ist der Weinanbau harte körperliche Handarbeit. Die Arbeiten und die Ernte sind mühsam und gefährlich auf den extrem steilen, terrassierten Hängen. Also eine echte Herausforderung, genauso wie der Sciacchetrail.

Der Name „Sciacchetrail“ und "die Vereinigung der Wörter Sciacchetra (il) und Trail bringt die Natur und die Seele der Region nahe. Nicht wir stehen hier im Vordergrund. Es sind die Menschen, die hier leben und arbeiten. Die Beine sind schwer, die Oberschenkel ziehen, nein sie brennen! Und sie werden es auch noch die nächsten Tage tun, so viel ist sicher. Die Philosophie des Sciacchetrail scheint aufzugehen! Dabei laufe ich doch nur hier rum, wie hart muss erst das Arbeiten in diesen Weinbergen sein?

 
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„Das Außerordentliche geschieht nicht auf glattem, gewöhnlichem Wege“, wusste schon Goethe. Genau von diesen steilen Terrassen kommt der herbe Weißwein sowie der ambrafarbene Dessertwein Sciacchetrà. Hier also gibt es eine, bei uns würde man sagen, Weingenossenschaft, die sich zur Aufgabe gemacht hat, sich um die Erhaltung der Weinberge und die enge Verbindung zwischen der Landwirtschaft und nachhaltigen Tourismus, zu bemühen. Uns allen soll bewusst werden, dass man sich durch den Kauf eines lokalen Weines aktiv an der Aufrechterhaltung dieses einmaligen und schutzbedürftigen Weltkulturerbes beteiligen kann. Nur so werden die mit harter Arbeit erzeugten Produkte den Landwirten und Weinbauern angemessen honoriert.

 

Informationen: SciaccheTrail
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