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22.04.23 - Ultratrail Fränkische Schweiz

Auch hinten macht’s Spaß - ein etwas anderer Laufbericht

Gute Läufer müssen an der Stelle nicht weiterlesen, da gibt es andere Berichte, die sicher interessanter sind. Dies ist eher für das hintere Feld gedacht, also ganz hinten…

„Die Distanz ist zu lang, zu viele Höhenmeter, zu enge Zeitlimits und ich bin zu alt, zu dick und zu langsam!“  Was man machen kann, um trotzdem dabei zu sein.

Aus so manchem Gespräch während eines Laufs weiß ich, dass gerade Altersläufer sich so manchen Lauf nicht mehr zutrauen, bzw. schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ich auch. Der Leistungsknick kam gefühlt plötzlich, obwohl eine Analyse der Daten zeigt, dass es tatsächlich kontinuierlich geschah. Trotzdem war es so, dass sich auf einmal ein paar DNF’s angesammelt hatten. Es war Zeit, darüber nachzudenken, was man tun kann – denn weiter an Landschafts- und Bergultras teilnehmen wollte ich schon. Hier eine Zusammenfassung meiner Philosophie und was daraus beim Ultratrail Fränkische Schweiz, kurz UTFS.

Als letztes Jahr der UTFS zum ersten Mal ausgeschrieben wurde, wollte ich unbedingt dabei sein, ist doch Start und Ziel in Ebermannstadt, dem „Herzen der Fränkischen Schweiz“ und meiner Heimatstadt. Die Strecke war 66km lang mit ca. 2500Höhenmetern im Anstieg versehen. Viele der Natur- und geschichtliche Sehenswürdigkeiten der Fränkischen Schweiz werden im Verlauf des Rennens angelaufen, wie z.B. Ruine Neideck, Burg Gößweinstein, Burg Rabenstein, Burg Rabeneck, Versturzhöhle Riesenburg und noch viel mehr und das Ganze auf herrlichen Trails in einer wunderschönen Landschaft.  

Der Lauf war blitzschnell ausverkauft, aber die Veranstalter haben später freiwerdende Startplätze auch wieder aufgefüllt und so kam ich auch noch ins Starterfeld. Mit ordentlich Coronaspeck auf den Rippen und viel zu wenig Training hab ich’s dann versucht. Bin zwar ins Ziel gekommen, musste aber die letzten beiden Anstiege auslassen, sodass es doch ein DNF wurde. Die Finishertrophäe bekam ich trotzdem. Bei der zweiten Ausgabe heuer wollte ich es besser machen oder gar nicht erst antreten.

Im Folgenden eine kurze Beschreibung wie ich es anpacken wollte:

Realistische Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit: Aus fast 30 Jahren Lauferfahrung kenne ich meine Möglichkeiten mittlerweile recht gut und habe das alles in eine Kalkulationstabelle eingebaut. Natürlich gibt es immer noch weitere Faktoren, die man nicht einplanen kann, wie z.B. Wetter, Tagesform, Beschaffenheit der Strecke, usw.

In meiner Kalkulationstabelle wird das Höhenprofil datenmäßig erfasst, Kilometerangaben und absolute Höhe braucht man vom Lauf. Laufgeschwindigkeit im Flachen, Höhenmeterzuschläge, Ermüdung abhängig von der Dauer des Laufs und Pausen sind Eingangsvariable, der Rest errechnet sich dann von selbst. Wenn dabei rauskommt, dass es eine Chance gibt, das Ziel im Limit zu erreichen (etwas Bonus aufgrund der Extramotivation am Renntag ist ok), dann kann ich mich anmelden. Das war der Fall.

Dabei ist es natürlich auch von Vorteil, wenn man die Toleranz der Veranstalter einschätzen kann. Die kannte ich von der Erstausgabe schon und teilweise kann man auch in gewisser Weise etwas dazu aus den Cutoff -Zeiten ableiten. So waren die Zeitlimits an den Verpflegungsposten anfangs leicht erreichbar gesetzt, dann aber zunehmend fordernder, was das Durchschnittstempo angeht. Man hat daraus erahnen können, dass man die Teilnehmer so weit wie möglich ankommen lassen wollte. Das war schon mal sehr positiv! Die Berechnung sagte mir, dass ich relativ nahe (drüber) an den Cutoff im Ziel kommen konnte, also grünes Licht für die Anmeldung.

Gewicht reduzieren: Der Coronaspeck musste weg. Die Motivation, den Lauf diesmal zu finishen, hat mir dabei geholfen, innerhalb von drei Monaten 10kg Gewicht abzubauen. Erst eine Woche Heilfasten, dann bewusst ernähren, um das Gewicht weiter langsam runterzubekommen.

Trainingsplan erstellen und verfolgen: Es gibt ja viele tolle Trainingspläne, aber mit den meisten kann ich wenig anfangen. Daher habe ich mir meine eigene Taktik zurechtgelegt, die für mich prima funktioniert hat. Was den Kilometerumfang betrifft, so orientiere ich mich an Trainingsplänen, sofern es welche für meine Leistungsklasse gibt. Ich habe mich dabei an Hubert Beck: „Das große Buch vom Ultramarathon“ angelehnt. Somit ergaben sich ca. 600km in 12 Wochen. Dieser Umfang war zugegebenermaßen an der Grenze dessen, was meine Schienbeine vertragen konnten. Aber aufgrund der jahrzehntelangen verletzungsfreien Lauferfahrung nach einem Überlastungsbruch im Schienbein 1994 glaube ich die Grenzen zu kennen.

Am wichtigsten ist es, in den Körper hineinzuhören und entsprechende Anpassungen im Training vorzunehmen, sowie genügend Erholungstage einzubauen. Jeder Trainingskilometer/Höhenmeter zählt, aber eben nur, wenn man sich dabei nicht überfordert. Ein entscheidender Faktor ist dabei der Impact auf die Schienbeine. Daher habe ich etliche Trainingseinheiten von vorne hinein im Nordic Walking Schritt durchgeführt, was mir eine deutliche Steigerung der Trainingskilometer erlaubte. Zudem passte das gut zum Höhenprofil, da ich die meisten der zahlreichen Anstiege sowieso nicht im Laufschritt absolvieren konnte.

Darüber hinaus konnte ich auch von meinem Heimvorteil profitieren, da ich auf er Originalstrecke trainieren konnte. Das war später entscheidend, hat es doch mich und eine andere Läuferin an einer Stelle vorm Verlaufen bewahrt, an der ein paar Scherzkekse die Markierungen entfernt hatten. Die Streckenmarkierung war top vom Veranstalter angebracht worden, aber man kann eben eine Ultrastrecke nicht komplett überwachen.

Rennverlauf planen: Am Rennsamstag war Topwetter, der bisher wärmste Tag des Jahres in der Gegend war angekündigt. Mein Problem ist es oft, ausreichend hydriert zu bleiben. Daher erstellte ich mir zusätzlich zum Zeitplan auch einen Trinkplan. 1l immer am Mann und dann an jeder Station, die im Abstand von 8-12km platziert waren, auffüllen. In meiner Flüssigkeitsbilanz am Ende des Tages standen 7l, die ich unterwegs getrunken hatte und trotzdem 4kg Gewichtsverlust nach dem Lauf.  Ohne die Vorausplanung wäre das schief gegangen, war so schon an der Grenze zur Dehydration, aber mehr wollte der Magen einfach nicht tolerieren. Die Verpflegungsstände waren vom Feinsten ausgestattet und alles, was das Läuferherz begehrt, war da. Und die Supporter waren richtig gut drauf und immer zuvorkommend!

Weiterhin gehört dazu, dass man die Strecke so gut wie möglich kennt. Wie oft üblich, war auch hier das Streckenprofil auf der Startnummer angedruckt. Das ist sehr hilfreich! So kann man dann auch zwischendurch mal etwas höherpulsig laufen, wenn man sich nachher wieder erholen kann.

Positive Einstellung: Nachdem alles gut geplant, die Gewichtsreduktion erfolgreich und der Trainingsplan erfüllt waren, konnte ich mit ausreichend Vertrauen in die eigene Stärke an den Start gehen. Der Rest würde sich unterwegs ergeben, da war ich zuversichtlich. Was mir auch gefallen hatte war, dass die Veranstalter die schon genehmigte Strecke zum Schutz von Fledermäusen und brütenden Vögeln angepasst hatten. So wurde zum Beispiel der Durchlauf der Oswaldhöhle gestrichen, stattdessen kam die Burg Rabenstein neu ins Programm. Wer die Fränkische Schweiz kennt, weiß, dass es hier nur so vor Burgen, Felsen, herrlichen Wäldern und Genußtrails wimmelt. Das Naturerlebnis ist garantiert!

Der perfekte Tag: Alles verlief nach Plan und vielleicht gerade weil ich die Sache locker anging, war ich etwas dem Zeitplan voraus. Als es später aber richtig warm wurde, kam das Limit jedoch immer näher, sodass es an der letzten Verpflegungsstation eine Punktlandung war. Somit wusste ich, dass ich den Cutoff im Ziel nicht mehr realistisch erreichen konnte. Aber, da hat man mich gleich beruhigt, da die Rennleitung schon eine kleine Verlängerung angekündigt hatte. Das fand ich toll! Beim Jungfrau Marathon bin ich mal um 3min zu spät beim Wixi angekommen und fand das Gatter vor mir bereits verschlossen. Das war hart. Hier ist man sehr tolerant und möchte auch die hinteren Läufer im Ziel sehen. Dort waren es dann tatsächlich 42min über dem Limit von 12h und man hat tatsächlich gewartet! Das konnte man echt nicht erwarten, umso schöner war dann die Tatsache!

 
 Den Lauf kann man nur empfehlen, Landschaft, Streckengebot mit Ultratrail und Speedtrail, Organisation und Supporter könnten kaum besser sein und die Finishertrophäe ist einmalig! Schwer ist der Lauf trotzdem, das ständige Auf und Ab ist anstrengender als die gleichen Höhenmeter bei einem Berglauf, wo man längere Passagen auf- oder absteigt. Diese Veranstaltung ist bereits jetzt ein echtes Highlight am Anfang des Laufjahres!

 

Informationen: Ultratrail Fränkische Schweiz
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