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08.11.15 - Rursee-Marathon

Ist da kein „ H“ drin?

Autor: Joe Kelbel

Als es diesen Marathon noch nicht gab, war noch eines drin. Doch zur Unterscheidung zum Fluss im Ruhrgebiet, liess man das „h“  in der Rur weg. Nur die  Einwohner des Startortes Einruhr bestanden auf ihr „h“, weil sie sich keine neuen Briefköpfe zulegen wollten. „Ruhr“ ist altgermanisch und bedeutet „ sich schnell bewegen“. Daher auch der Ausdruck „sich rühren“. Das passt also voll auf diesen Marathon!

Wer die Ruhr hat, der muss sich auch schnell bewegen, das gibt sich aber nach spätestens zwei Tagen, dann liegt man flach. Der Rurseemarathon ist relativ flach und einfach, man muss nur einmal um das ganze Seengebilde, entstanden durch Sperren, Vorsperren, Felsschüttdämmen, Stützkörper, Überfallwehre, Aufbauten usw. rumlaufen. Es gibt keine Kilometerschinderei in Industriegebieten oder durch verträumte Vorstädte, keine ewig langen, einsamen Straßen, keine dunkle Wälder und keine geparkten Autos. Links gibt es immer irgendeinen Stausee mit herbstfarbenen Ufern oder einer Insel, rechts farbenfroher, heller Laubwald. Wegen der vielen gefluteten Täler gleicht die Streckenführung den Linien von Nasca, wer sie kapieren will, der muss Überflieger sein.

 
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Um einen Parkplatz zu finden, reicht es auf dem Boden zu bleiben. Es wird innovativ geparkt, da wird heute kein Stress gemacht. Die Startnummern gibt es im unübersehbaren Festzelt, direkt an der Rur gelegen. Kaffee und Frühstücksbuffet sind von der besseren Sorte. Im Starterbeutel liegt ein neuartiges Imprägniermittel für Funktionsjacken, vielleicht mal eines, das funktioniert. Und es gibt noch ein Shirt, der Jahreszeit entsprechend mit langem Arm, dazu noch Magnesium-Kalium Tabletten. Der Winter kann kommen.

Bei den letzten Austragungen füllte man das Wasser für die Marathonläufer am Heilsteinbrunnen ab. Die eigentliche Quelle des Heilsteinbrunnes liegt nicht hier im Ort, sondern oben bei der NS Ordensburg Vogelsang, und damit im ehemaligen belgischenTruppenübungsplatz. Erst 2003 durfte eine 4 km lange Leitung hinunter nach Einruhr gelegt werden, um die „sure Pötz“ wieder trinken zu können. Für einige Läufer war sie wohl zu kohlensäurehaltig, deswegen gibt es ab sofort stilles Wasser an den Verpflegungsstationen.

Die Rur entspringt im belgischen Hohen Venn, der Monschau Marathon führt an der Quelle vorbei. Bei Einruhr wird aus dem Fluß der Obersee. Südlich des Ortes Rurberg kommt dann von Osten der Urfttalstausee zum Obersee hinzu und beide zusammen werden hinter dem Paulushofdamm zu Schwammenauel und Rurtalsperre. Man muss es nicht verstehen, schon gar  nicht, wenn man Läufer ist.

 
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10:30 Start.  Schnell hat sich das Läuferfeld verteilt. Nach kaum 2 Kilometer laufen wir in das  Gebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes. Die Warnschilder kann man nicht übersehen, und dennoch zieht es sofort Läufer mit Schwachstellen in die Büsche, in dem Vertrauen, es sei alles Explosives entfernt worden, und die eigene Explosion vorangig.

Doch hier warten  Glasminenfelder (1938, Westwall). Glasminen sind nicht per Detektor zu orten. Und Sprengstoffhunde finden die Dinger zwischen den vielen Munitionsresten, die die  Belgier Ende 2005 hier zurückließen, auch nicht.

Am gegenüberliegenden Ufer laufen die Schnellen über einen Bunker (km 8), dessen Schiessscharten knapp oberhalb der Wasseroberfläche liegen. Etwa 50 dieser Dinger gibt es in den Tälern rund um die Rurtalstauseen, alles Überbleibsel des Westwalles.  Die Urftalsperre wurde schon 1900 gebaut. Um zu ihr zu gelangen, geht es bei km 6 steil hinauf. Links und rechts unseres Weges sind Bombentrichter, die nun als Biotope dienen. Die Trichter stammen von Rollbomben. Die wirft man aus Flugzeugen ab, sie titschen über die Wasseroberfläche und detonieren an der Staumauer.

 
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Der Bergrücken, den wir hinaufwandern,  nennt sich Kermeter, ragt wie ein Fersensporn in den Obersee hinein und schützt wie ein Bollwerk die Urftalsperre. Für Flieger nicht erreichbar, warfen sie angesichts des Bergrückens schnell ihre Last ab und zogen die Maschine nach oben. Nach dem Krieg diente der Bergrücken als Kugelfang für die übenden Belgier. Er ist nun sehr bleihaltig.

Die Talsperre ist sehr hoch, gewaltig und schön. Die Grundablasstürme geben dem ganzen einen burgartigen Charakter. Man kann innerhalb der Türme hinuntergehen und gelangt so zu zwei unterschiedlich tiefen Kontrollgängen, die entlang der Gründungsfuge verlaufen. Links ist jetzt der Obersee, rechts der Rurtalstausee.

Die Gaststätte „Urftseemauer“ brauche ich nicht, ich steuere direkt den hinteren Tisch des esrten Verpflegungspostens (km 7) an. Dort steht der Els, der Kräuerschaps, den man den  Kühen gegen Magenbeschwerden gab. Da eine Kuh vier Mägen hat, weiss sie ja nicht, mit welchem sie gerade Probleme hat. Also nehme ich sicherheitshalber einen für den Pansen und einen für den Blättermagen.

Kaum reiße ich mich vom Verpflegungsstand los, da fetzen auch schon die ersten 16,5 km Läufer vorbei. 16,5 Km entspricht genau dem Umfang des Obersees. Bei km 10 verlassen uns die Unruhestifter und laufen über den Paulusdamm gen Ziel.

 
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Michael, heute mit Familie AN der Strecke, erklärt mir nicht ganz glaubhaft, warum er nicht AUF der Strecke ist. Peter Borsdorf, der für kranke Kinder Spenden sammelt, ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und eines ledernen Australienhuts und fotografiert die Läufer.

Wir biegen nach rechts zum Rurstausee ab. Eine Granate diente einmal als Befestigung für eine Schranke -  makabres Überbleibsel des Truppenübungsplatzes. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt jetzt Rurberg, das 2011 in einer repräsentativen Umfrage des renommierten forsa-Institutes als unbekanntester Ort Deutschlands ermittelt wurde. Wenn wir später, bei km 36, durch Rurberg laufen werden, wird sich zumindest der Marathonläufer an diesen Ort erinnern.

Bis zur  Schwammenauel-Staumauer ist es ein schöner, laubbedeckter, angenehmer Weg, manchmal unterbrochen von leichten Steigungen. Der Name Schwammenauel geht auf eine  Flurbezeichnung zurück:  „Schwammen“ bedeutet extrem sumpfig, „Auel“ bezeichnet die Au, die nasse Wiese. 

Unter dem Segelbootshafen, direkt an der Staumauer, liegt eine 4 motorige Lancaster, die von der deutschen Flak abgeschossen wurde, als sie versuchte, mit Rollbomben diese Talsperre zu zu sprengen. Das machte später die Wehrmacht selber und verzögerte mit der Flutung des Tales den Vormarsch der Amerikaner um ganze zwei Wochen. Die 8 köpfige Besatzung der Lancaster wurde Ende der 80er geborgen. Tauchen ist an dieser Stelle übrigens streng verboten. Ansonsten ist der Rurstausee bestes Tauchrevier mit einer glasklaren Sicht.

Wegen des sauberen Wassers gibt es zahlenmäßig wenig Fische, das Nahrungsangebot ist gering, es fehlen Schwebstoffe und Algen. Dafür gibt es aber viele Arten und die in bester Qualität. Barsch, Aal, Karpfen, Forelle, Hecht, Zander, Saibling, hier gibt es nahezu alles. Mönche brachten Blaufelchen aus dem Bodesee hier her. Sehr schmackhaft, die Dingerchen.

Was wie riesige Zuchtkäfige für Fische aussieht, sind Bootsparkplätze. Jetzt im Herbst wird der Wasserstand kontinuierlich abgelassen, um die bevorstehenden Winterniederschläge auffangen zu können. Bis März können die Pegelstände extrem schwanken, deswegen müssen die Seen bis nächste Woche bootsfrei sein. Zu groß wäre die Gefahr, dass Boote beschädigt würden. Man holt sie per Kran aus dem Wasser. Noch fahren zwei Ausflugsschiffe und transportieren einige wenige Marathon-Zuschauer.

 
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Übrigens sind die Niederländer, die hier Urlaub machen, immer wieder erstaunt, dass sie ohne Segelschein nicht aufs Wasser dürfen. Wer den hat, der darf auch im Winter hier segeln, vorausgesetzt er hat eine Winterplakette gekauft und holt das Boot am selben Tag wieder aus dem Wasser. Die Wassertemperatur beträgt zur Zeit 14 Grad.

Früher hörte man die Musik vom Verpflegungsstand schon von weitem, aber die Sicherungen machen nicht mehr mit. So gibt es die schmutzigen Lieder ein wenig leiser, doch der Service bleibt unverändert herzlich. Der kleine Helfer weiss jetzt auch, wie man Bierflaschen mit dem Feuerzeug öffnet.

In Woffelsbach (km 31) geht es erst steil nach unten und ab der Dorfmitte steil nach oben. Wie die meisten Dörfer hier wurde auch Woffelsbach zweimal umgesiedelt. 1938 mit der ersten Flutung, 1955 mit der Erhöhung des Dammes und zwischendurch gab es noch den Krieg. Jetzt lebt man von den Campinggästen, die sich teilweise das ganze Jahr über hier aufhalten.

Bei km 34 kommen wir nach Rurberg. Mehr als 2300 russische Soldaten sind hier begraben, es waren Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, die durch alliierte Bomben umkamen. Jetzt ist der Ort reichlich belebt, man feiert und lässt es sich in den zahlreichen Gaststätten gut gehen.

Gut laufen kann man auch, und zwar auf dem Eiserbachdamm. Man muss nur den zahllosen Spaziergängern ausweichen. THW und Feuerwehr wachen darüber, dass wir nicht umgefahren werden. Wenn ich ankomme, werden schon lange vorher die Autos angehalten, dann zücken die Insassen Fotoaparate, hängen sich aus den Fenstern, jubeln mir zu und werfen weisse Rosen.

Hinter dem Damm, bei km 37, geht es steil hinauf. Wir laufen über einen Bergrücken zum Obersee zurück. Bei km 38 ist der letzte VP. Kinder spielen mit großen Fackeln oder wühlen im Dreck. Ich mache jetzt Feierabend, lege meine Beine hoch und lasse mich massieren. Sie macht das sehr gut. Die männliche Helfermannschaft grölt und gibt entsprechende Kommentare und Getränke ab. Hier habe ich doch alles, mir geht es gut. Warum jetzt weiterlaufen? Ein Läufer nach dem anderen zieht vorbei. Die wissen nicht, wie gut man es hier hat.

Aber der Rest ist auch noch gut. Der ganze Rursee Marathon ist gut! Sehr gut! Spitze! Da ist kein einziges Haar drin!

 

Einen weiteren Laufbericht mit vielen Bildern
gibt es hier auf Marathon4you.de

 

Marathonsieger

 

Männer

1 Werker, Markus  2:44:36
2 Keitzel, Gunnar 2:45:52
3 Ciambra Daniele 2:54:44

 

Frauen

1 Esefeld, Katrin 3:03:57
2 Andres , Gabi 3:12:30
3 Hatzmann, Hendrike 3:33:54

416 Finisher

 

Informationen: Rursee-Marathon
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