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28.07.12 - Dirndltal Extrem Ultramarathon

Extrem gut gemeistert

Autor: Joe Kelbel

Von den wilden Hochalpen kommend, hat westlich von Wien die Pielach ein mildes, fruchtbares Tal geschaffen, dessen Symbol für den  Reichtum des Tales die leuchtend roten Früchte des Dirndlstrauches sind. Der Dirndl, ein Hartriegelstrauch, wird in Deutschland Kornelkirsche genannt. Die Früchte haben einen hohen Vitamingehalt, eignen sich für Marmeladen, Sirup und natürlich Schnaps.

Früher fertigte man aus den harten Hardriegelhölzern (die Männlichen genannt)  Lanzen, Speere und das trojanische Pferd. Das Holz ist so schwer, dass es nicht schwimmt. Aus den weichen (den weiblichen, daher eventuell der Name Dirndl, von altdeutsch Tirn oder slawischen dernica= Frucht), fertigte man  Flechtwerk und Medizin.

Was sich anhört wie ein Trachtenlauf durch liebliche Wildobstplantagen, wird uns  fertig machen und nächstes Jahr mit 3 UTMB-Qualipunkten belohnt.

111 km - 5000 Hm, acht Gipfel, teilweise Selbstverpflegung, Singletrails - endlich ein Lauf, bei dem ein Finish meinerseits nicht garantiert ist.

Petra und Willi sind das erste Mal an einem Flughafen und so aufgeregt, dass Petra sich den Kaffee über das weiße Orgashirt schüttet. So besudelt werde ich empfangen…ich ahne…es wird grausam werden.

Die beiden haben einen dicken Ordner dabei, in dem für die nächsten zwei schlaflosen Tage jeder Shuttle-, Versorgungs- und Aufbauauftrag mit Zeitplan vermerkt ist, aufgestellt vom Chef des Laufes, dem  Extremläufer Gerhard Lusskandl. Gerhard hält den europäischen Streckenrekord beim Badwater.  94 Wettkämpfe ist er dieses Jahr schon gelaufen, also ein paar mehr als ich.   

Vom Wiener Flughafen geht´s  ins 80 km westlich gelegene  Ober Grafendorf. Thea,  persönliche Betreuerin von Gerhard, weiß was Läufer brauchen: “Joe, was magstn trinken?” Angelika: “Joe, möchst eine rauchen?” Karl: “Ich mach die Technik”. Somit kenne ich blitzschnell das gesamte Orgateam und fühle mich gut aufgehoben. Langsam werde ich mir sicher,  diesen Lauf zu finishen. 

 
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Übernachten kann ich im ESV-Heim, dem Eisenbahner Sportverein. Der Verein, der  wie der Extremlauf  sehr dezent daher kommt, stellt sich  einer besonderen Herausforderung: er restauriert  Österreichs  Schmalspurbahnen. Berühmt ist die Dampflokomotive Mh6 ( M= Marienzeller, h= Heißdampf, 6= sechste Lok), durch 21 Tunnels und über 50 Viadukte führt die Strecke (85 km) der Marienzellerbahn in atemberaubenden Serpentinen bis zum Wallfahrtsort am Talende.

 Im “Heizhaus” werden zurzeit die Dampflock Uv3 und U.4 revitalisiert. Das Gelände der Lokstelle mit Wasserturm, Drehscheibe und Rundschuppen sind für Raimund, Sven und mich ein genialer Spielplatz, bevor wir Dirndlprodukte einkaufen. Alles was süß und sauer ist, trägt hier den Namen Dirndl.

16 Uhr Briefing, 17 Uhr Kontrolle der Pflichtausrüstung. Es stehen Boxen bereit,  in denen man Eigenverpflegung für die 10 Kontrollstellen (CP) deponieren kann. 18  Uhr Pasta Party.

 

Samstag

 

Startaufstellung. Ich stopfe mir noch zwei belegte Brötchen in meinen Raidlight-Rucksack. 34 Grad und Gewitter werden diese Brötchen ungenießbar und 10 der 40 Starter zu DNF machen.

 
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6 Uhr:  20 Viererstaffelteams rennen mich nieder, bevor sie im morgendlichen Dunst am Horizont verschwinden. Prächtige Feldhasen flitzen im Gegenlicht davon. Bin ich langsam? Kaputt, müde? Anstieg auf den Eck.

Weinburg. Der Blick geht über das Tal, eine malerische Kulturlandschaft. Ein großartiges Gemälde mit  leuchtenden Grüntönen und Farbtupfern. Weiden, Streuobstwiesen, kleine Wäldchen und Hecken ergeben ein abwechslungsreiches und vertrautes Puzzle, in dem ich langsam die Furcht vor den  111 Kilometer vergessen kann und in morgendlicher Läuferumnachtung den falschen Weg nehme. Nicht die Streckenmarkierung ist das Problem, es ist die plötzlich fehlende Erinnerung an die letzte Markierung aufgrund der Leichtigkeit des Laufens, die mich ins grenzenlose Läuferuniversum abtreibt.

Es erfordert große Willenskraft, einen Lauffehler  einzugestehen. Zusätzlich ist die Reue eines Läufers  immer mit einem langen Anstieg verbunden. Aber was soll´s, ich habe 28 Stunden Zeit für diesen Lauf.  Deswegen bin ich hier und nicht auf irgendeinem Ironversprechen. Ich will nach langer, teurer Anreise nicht rausgeworfen werden, weil Organisatoren ins Bett wollen. Ich bin Tourist, sportlicher Tourist, kein Hochleistungssportler, deswegen fühle  ich mich hier beim Dirndltal Extrem gut aufgehoben. Niemand von uns wird auch nur annähernd eine Cut-Off-Zeit  ankratzen. Das ist ein wichtiger, angenehmer Faktor.  

 
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Die Hecken, hier Zeilern (sprich: Zeulern) genannt, bestehen größtenteils aus den Dirndlsträuchern, dazwischen die kunstvoll gestutzten Schnoatbäume, meist Eschen, die als Grünfutter Verwendung finden, aber auch die Winterlinde, deren rohe Blätter und süße Fruchtdolden wegen der Schleimstoffe gut  für den Läufermagen sind.

 

Informationen: Dirndltal Extrem Ultramarathon
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