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10.12.11 - Eisweinlauf

65 km laufend helfen

Autor: Joe Kelbel

Die Ultraläufer  sind eine große Familie, manchmal erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand von Schicksalsschlägen. Andere schreiben Bücher über ihre „Karriere“ und den Weg zurück ins Leben,  wieder andere brauchen nicht viel zu sagen, so wie Didi: „Laufen ist für mich alles, Ausgleich und Therapie. Laufen ist für mich lebenswichtig.“

Ich laufe, weil niemand meine anhaltend, schwere Jugend verkraftet, Brigitte und Rudolf Mahlburg, weil sie glücklich sind und den Kindern helfen, die nicht selbst zurück ins Leben laufen können. Die Spendenläufe der Mahlburgs sind legendär, die Anzahl der regelmäßig stattfindenden Läufe enorm. Der Rheinsteig-Erlebnislauf über 320 km zählt zur ehrfurchtsvollen Krönung eines Ultraläufers.

36.000 Euro haben die Mahlburgs allein letztes Jahr durch die Organisation der Ultraläufe einsammeln und spenden können. Ganz große Klasse, wenn man bedenkt, dass die großen Stadtmarathons ein Vielfaches an Startgeld verlangen.

Im Moment läuft das m4y-voting für den Hero2011,  ich will weder meinem Bierkumpel und Namensvetter Johann in den Rücken fallen, der mich nur beim Laufen schlagen kann, noch meinem blinden Lauffreund Didi, der nichts trinkt („weil ich sonst alles doppelt sehe“) , deswegen bleibe ich sachlich und schwenke sofort zum Lagebericht über, der am Freitag Abend in der Tullahalle  in Bühl-Vimbuch beginnt:

 
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Tulla klingt nach Karneval ist aber tatsächlich der badische Ingenieur, der den Oberrhein (19. Jahrh.) begradigt hat. Heute denkt man anders darüber, aber damals gab es viele Überschwemmungen und Malaria.

Bald fiebern auch wir, als bei Bier, alkfreien Getränken und Maultaschen die Heldentaten ausgetauscht werden. Es fallen die Namen großer Laufevents , werden Insidertipos dazu gegeben. Die Startertüten wurden von den Lebenshilfe-Kindern bemahlt, sind prall gefüllt, die Flasche Wein des Sponsors schon nicht mehr.

Kaum  Schlaf in der Halle, wenn man vom  Marathon des Sables oder Badwater träumt. Dann fällt es einem auch nicht schwer um 5:30 aufzustehen, zu frühstücken, und um 6:30 den Bus zum Start nach Offenburg zu nehmen. Man hat ja eh den Sand der Sahara oder des Death Valleys  in den Augen.

Sämtliche reichhaltige Mahlzeiten von Freitag abend bis Sonntag früh, zweimal Transfer und exellente Streckenverpfleungung  kosten 35€, die Übernachtung 10€. Da gibt so mancher Läufer gerne noch etwas ins Spendenschweinchen.

In Offenburg am Bahnhof geht es um 8 Uhr los. Kein Wetter für Hunde und so drücken wir uns in der Bahnhofshalle rum, bis wir von der hohen Politik Offenburgs mit einem Gedicht auf die Strecke geschickt werden: „Es gibt nichts Gutes, man kennt es - außer man rennt es.“ So oder so ähnlich. Das Gepäck kommt auf den Anhänger und wird zu den 5 Verpflegungsstationen gebracht. Isotonische Getränke habe ich nicht in meinem Gepäck, die gibt es zu Genüge an den VP´s.

Der Lauf heißt Eisweinlauf, weil er durch die Rebenlandschaft der Ortenau von Offenburg nach Baden-Baden geht.  Die Ortenau ist das  Weinanbaugebiet am rechten Oberrhein, am Fuße des Schwarzwaldes. Steile Westhänge und hüglige Wein-und Obstplantagen werden uns auf 65 km mit 1800 Hm beglücken. Eiswein gibt es nicht, sonst bliebe keine Kohle vom Spendenlauf für die Kinder übrig. Der diesjährige Eiswein hängt noch an den Reben des Ortenauer Weinpfades.

 
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Weitere 100 Läufer stoßen im Laufe des Tages auf  6 Etappen zu uns. Der Etappeneinstieg ist auf der Webseite mit Fahrplan von Bus und Bahn beschrieben. Wann der Zeitpunkt des Einstiegs ist, lässt sich genau berechnen, denn wir laufen langsam in einem gleichmäßigen Tempo, in einer Gruppe. Für Laufeinsteiger absolut genial. So lernen sie, nicht mit hängender Zunge, sondern mit Geduld zu laufen, viele Neu-Ultras sind deswegen dabei.

Dann geht es los. Wir kämpfen uns aus Offenburg hinaus in die Weinberge. Nur rote Ampeln halten uns auf. Alfons fährt mit blickendem Auto vor und sichert uns bei Strassenüberquerungen. Eddi faucht wie ein Gänsevater, wenn man seinem blinden Schützling, dem Horst zu nahe kommt. Doch bald sind wir sortiert. Ich laufe am Ende des Feldes um niemanden zu behindern, wenn ich ein Fotomotiv entdecke, doch im Dämmerlicht muss man lange stillhalten. Brigitte ist die Leitkuh, niemand darf sie überholen, außer der m4y-Reporter. Rudolf  wieselt durch das Läuferfeld, schaut, dass alles reibungslos läuft. 110 Spinner zusammenzuhalten ist eine große Aufgabe, aber wir sind gerne diszipliniert.

Steil geht es einen Hohlweg hinauf in die Weinberge. Ich hatte mich nie so richtig für Gruppenläufe interessiert, weil ich gerne mein eigenes Tempo laufe. Aber hier ist es ganz locker. Bergauf wird gegangen und oben gewartet, bis die Truppe wieder beisammen ist. Das macht Freude.  Die Zeit, die ich fürs Fotografieren brauche, hole ich schnell wieder auf.

Durbach, das Schloß Staufenberg auf dem 383 Meter hohen Bergkegel ist unser erster VP (km 10,5) mit Blick über die oberrheinische Tiefebene, schneebedeckte Berge des Schwarzwaldes und Weinberge. Unter uns der Weinort Durbach, am Horizont ist glasklar das Strassburger Münster zu sehen.

Das Schloß gehört Max Markgraf von Baden (*1933). Die Mutter von Max war die Schwester von Philipp Mountbatten, Max ist also Cousin von Prinz Charles. Eigentlich ist Max auch Prinz, doch er liess sich lieber in Markgraf umbenennen. Bei gesellschaftlichen Anlässen wird er mit „Seine Königliche Hoheit“ angesprochen.

Ob Kasper Hauser wirklich der rechtmäßige Tronfolger des Hauses Baden war? Warum verkündete Reichskanzler Maxilimian von Baden am 09. Nov 1918 in Versailles eigenmächtig die Abdankung des Kaisers?

Soviele Gedanken, doch ich muss mich schnell in die Verpflegungsrunde einreihen. Man geht dafür im Kreis um die Tische mit all den Köstlichkeiten, schnappt sich heiße Brühe, Tee oder Malzbier, Cola ...es gibt alles. Dann schnell zum Gepäck, das liegt auf Planen, sortiert nach Startnummern, nebenbei der Rede des Chefs des Sponsors, der Durbacher  Winzergenossenschaft lauschen und Fotos schießen. Zack Zack! Zwei Pfiffe von R(ud)olf dem Sklaventreiber und es geht weiter.

Zum 10ten Mal findet nun der Eisweinlauf statt. Der Deutschlandläufer R(ud)olf hat nicht nur Ausdauer beim Laufen und Helfen, er fuhr im Sommer mit seinem 45 Jahre alten Trecker drei Tage über die Alpenpässe zum Gondo-Event an die Italienische Grenze, um für seine Aktionen zu werben.

 
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Wunderschöne Gegend hier, oft bleibe ich zurück, um die schneebedeckten Berge oder die vielen Sühnekreuze am Wegrand zu fotografieren, dann muss ich schnell aufholen um an der Truppe dranzubleiben. Da die Läufer eng zusammen laufen, gibt es eigentlich immer ein schönes Motiv mit den bunten Klamotten in der Dezembernatur. Wir erreichen den Weinort Oberkirch. Ich liebe diese Weinberge mit den alten Steinen, Häusern und Wegen, habe auch genügend Zeit zum Fotografieren. Verzeiht, es sind viele Fotos, aber wir wurden so schnell Laufkumpels.

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Informationen: Eisweinlauf
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