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07.08.16 - Gondo Marathon

Gondomania - laufen, schlemmen, feiern

Gondo – hmm, habe ich irgendwo schon mal gehört. Ist das nicht das Südliche Königreich von Mittelerde, auch „Land der Steine“ genannt? Aus Tolkiens Epos „Herr der Ringe'“?

Nun ja, das mit dem „Land der Steine“ könnte schon passen, die Himmelsrichtung auch. Aber Gondo ist eben nicht Gondor, sondern ein selbst für Schweizer Verhältnisse extrem entlegenes Dörflein im Wallis, gleich an der italienischen Grenze, am Ende einer Schlucht, die so wild, schroff und beängstigend schmal ist, dass sie ohne Zweifel eine eindrucksvolle Kulisse für einen Fantasy-Film abgeben würde.

Und just hier sind Start und Ziel einer Marathonveranstaltung, die in vielerlei Hinsicht einmalig ist. Zwei Marathons an zwei Tagen mit jeweils 2.000 Höhenmetern, aber auf zwei ganz verschiedenen, durch die traumhafte Berglandschaft rund um den Simplon führenden Kursen. Davor, danach und dazwischen: gemeinsam essen und trinken, gemeinsam übernachten, gemeinsam feiern. Vor sieben Jahren war ich schon einmal dabei, und wenn es in meiner Marathon-Vita einen „Marathon des Herzens“ gibt, dann ist das ohne Zweifel die Veranstaltung in Gondo.

So wundert es mich schon ein wenig, dass diese Veranstaltung, nun immerhin ins 15. Jahr gehend, den „Geheimtipp-Status“ noch nicht verlassen hat. Einerseits ist das natürlich schön, weil die familiäre Atmosphäre bei zu vielen Teilnehmern leiden würde, andererseits dürften es bei dem beachtlichen logistischen Aufwand, der betrieben wird, schon ein paar mehr sein. Die entlegene Lage, der starke Franken, die sich im „All-inclusive-Paket“, also mit zwei Übernachtungen und „Halbpension“ aufsummierenden Kosten, all das mögen Gründe sein, warum es nicht mehr abenteuerlustige Lauftouristen nach Gondo verschlägt. Andererseits: 60 % der Teilnehmer des Doppelmarathons kommen aus dem Ausland, zumeist aus deutschen Landen. Und heuer ist unüberseh- und -hörbar auch Holland mit einer starken Fraktion vertreten. Und die dürfen sich auf ein Lauferlebnis freuen, dessen Erlebniswert unvergesslich und jeden Franken wert ist.

 

In memory of October 2000

 

Alles andere als eine nette Anekdote ist die Historie des Gondo Marathon. „In memory of October 2000“ – schon beim ersten Blick auf die Internetseite wird man an diese erinnert. Eine Hangmure überrollte seinerzeit das Ortszentrum Gondos und löschte 13 Menschenleben aus. Die Zerstörungen sind beseitigt, die Spuren der Tragödie aber auch heute noch sichtbar. Um die Erinnerung lebendig zu halten, gleichzeitig aber auch ein Zeichen des Überlebenswillens zu setzen, wurde 2002 der Gondo Marathon ins Leben gerufen.

 

 
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Ein besonderes Symbol jenes Unglücks und Wahrzeichen Gondos zugleich ist der festungsartige, mittelalterliche Stockalperturm im Herzen des Dorfs. Zur Hälfte zerstörte die Mure auch diesen Turm, doch wurde diese Hälfte modern wiederhergestellt und so beherbergt der Turm heute ein stilvolles Design-Hotel. Und just hier wird uns am Laufvorabend ab 17:30 Uhr eine richtig feine Pasta-Party geboten. Die ist nicht, wie häufig, eine eher anonyme Zweckveranstaltung, die man kurz abhakt, sondern man fühlt sich, an langen Holztischen sitzend, bei „all you can eat“-Spaghetti mit verschiedenen Saucen und Salaten schon vor dem Lauf wie in einer großen Familie.

Auch die Übernachtung ist team building-fördernd: Wie vor sieben Jahren nächtige ich in einem Schlafsaal im ehemaligen Schulhaus, gleich neben dem Start-/ Zielgelände mit Panoramablick auf den mächtig vom Berg stiebenden Wasserfall, und lasse mich vom Dauerrauschen der Doveria in den Schlaf lullen.

 

Tag 1: Gondo – Gondoschlucht – Simplon-Dorf –
Simplonpass – Bistinenpass – Saltinaschlucht – Ried-Brigg

 

Ausschlafen ist am Folgetag nicht angesagt. Bereits in der Morgendämmerung sind die ersten unruhigen Geister in Aktion. Aber das macht nichts. Denn schon ab sechs Uhr gibt es Frühstück im Restaurant des Stockalperturms. So einfach unser Nachtlager ist, so hervorragend ist auch jetzt die Verköstigung. Ein leckeres Buffet in stilvollem Ambiente – eben das ist eines der vielen Markenzeichen des Gondomarathon. Hektik ist hier ein Fremdwort. Und diese Laissez faire-Stimmung setzt sich auf dem Startgelände vor der Schule fort, wo wir uns mit gut, in meinem Fall aber nicht unbedingt laufadäquat gefülltem „Ranzen“ sammeln. Ein Festzelt ist bereits aufgebaut. Hier können wir unser Gepäck für die kommende Nacht abgeben.

 

 
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Um kurz vor acht Uhr heißt es die Ohren zu spitzen für das obligatorische Briefing. Brigitte Wolf, technische Leiterin und so etwas wie die „Seele“ der Veranstaltung, weist auf die Streckenmarkierungen hin: blaue Bodenpfeile, blaue Punkte, weißes Trassierband und natürlich die bekannten blau-weißen Fähnchen, die bei weidenden Kühen als Knabberei besonders beliebt sind. So viel vorweg: Dank der ausgezeichneten Markierung hat man bei wachem Geist kaum eine Chance, sich zu verlaufen. Aber eine Chance eben doch.

Auch ein „Star“ der Berglaufszene ist im Starterfeld und darf besonderen Beifall einheimsen: Urs Jenzer, mehrfacher Sieger des Eiger Ultra Trails, setzt die Tradition fort, dass auch Spitzensportler in Gondo an den Start gehen. Schon ertönt das Startkommando – auf geht`s.

 

Nichts für Klaustrophobiker:
Einstieg durch die Gondoschlucht

 

Wer mit dem Auto über Brig und den Simplonpass kommend angereist ist, konnte die Gondoschlucht schon aus der Straßenperspektive erleben. Wahrlich spektakulär ist die Passage zwischen den hohen, senkrechten Bergwänden, hoch über der im schmalen Talgrund rauschenden Doveria. Jene Schlucht bildet nun das Intro unseres zweitägigen Laufabenteuers.

Nur Momente dauert es, schon haben wir Gondo über die Simplonpassstraße verlassen. Gleich am Ortsausgang zweigt ein holperiger Pfad ab und führt parallel oberhalb der Passstraße, die in der Schlucht zum Schutz vor Steinschlag weitgehend eingetunnelt oder in Form von Galerien eingehaust ist, weiter. Geradezu dramatisch wirkt die Enge der Schlucht, durch die sich die Straße und unser Weg zwängen. Mehrere hundert Meter türmen sich senkrecht die Steilwände empor, hoch oben im Sonnenschein erstrahlend, hier unten scheinbar zu ewigem Schatten verdammt. Kleinere Wasserfälle stürzen von den Wänden, nur spärlich gelingt es dem Grün, in den Wänden zu wurzeln.

 

 
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Über eine Metallrostbrücke queren wir die im Talgrund tosende Doveria. Ein schmaler steiniger Pfad windet sich zwischen Felsbrocken durch lichten Wald, dann durch ein Geröllfeld in engen, steilen Serpentinen empor. Zum Finale dieser ersten konditionellen Bewährungsprobe dürfen wir eine lange, über den Fels führende Metalltreppe erklimmen. Oben angekommen verschwinden wir durch eine geöffnete Tür im Berg. Wir durchlaufen den düsteren, dürftig beleuchteten Stollen des „Fort Gondo“, einer Wehranlage aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Decke ich so niedrig, dass ich vorsichtshalber den Kopf einziehe, und das über (gefühlte) mehrere hundert Meter. Insofern bin ich froh, mich im Tageslicht wieder strecken zu können. Unweit des Stollenausgangs ist auch schon die erste „Tränke“ eingerichtet.

Und weiter geht es durch die Schlucht, häufig über Metallstiegen und -treppen und bisweilen ganz nahe der Passtrasse, wenn die Schlucht keinen anderen Weg erlaubt. Geradezu malerisch wirken die gemauerten Rundbogenbrücken, die als Relikte der ansonsten nicht mehr existenten alten Passstraße erhalten wurden und jetzt nur noch Kulisse sind. Eher ein optischer Killer ist dagegen der brachiale Beton der heutigen Passstraße. Aber Sicherheit geht eben vor.

Langsam weitet sich die Schlucht und wir entfernen uns von der Passstraße. Es wird ruhiger, das Rauschen des Baches und des Autoverkehrs entschwinden. Der lauschige Pfad führt ein Stück direkt an der Steilwand entlang, dann durch felsdurchsetztes offenes Waldgelände.

Ein letztes Mal queren wir noch die Doveria. Kaum zu glauben ist, dass der hier breit und ruhig dahin plätschernde Bach nur wenige hundert Meter weiter zum wilden Gebirgsbach mutiert. Allenfalls der auffallend breite Geröllrand des Bachs lässt erahnen, dass die Doveria bisweilen auch andere Wassermassen bewegt. Im Moment bietet sich mir aber ein Alpenidyll wie aus dem Bilderbuch: Wälder und hohe Berge am Horizont rahmen das sich in der Ferne verlierende Bachbett ein. Gabi (1.240 m üNN) heißt der kleine Weiler, den wir am Ende der Schlucht erreichen. Die ersten fünf Kilometer liegen hinter uns. Und siehe da: Auch die ersten etwa 400 Höhenmeter sind überwunden.

 

Informationen: Gondo Marathon
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