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03.06.23 - Swiss Canyon Trail

Trail-Genuss im Schweizer Jura

Den Swiss Canyon Trail habe ich schon lange auf dem Schirm. Früher hieß er noch Defi Val de Travers und dann Trail de l’Absinth nach dem gleichnamigen Getränk, das aus dem Tal in alle Welt exportiert wurde und Van Gogh im Rausch ein Ohr gekostet hat. Seit 25 Jahren gibt es den Lauf und er wurde ständig angepasst. Zu Anfang noch als Landschaftslauf, dann als Trail mit strengen Cutoff-Zeiten und zum Jubiläum die 81km Classic Ausgabe mit sehr moderaten Zeitvorgaben, damit auch die Veteranen sicher ins Ziel kommen.

Über die Grüne Fee (Absinth) und die Gegend hier im Schweizer Jura wurde in schönen Berichten auf Marathon4you und Trailrunning.de schon alles geschrieben und ich versuche erst gar nicht, eine bessere Beschreibung für dieses Landschaftsabenteuer zu finden. Ich will mich auf das reine Lauferlebnis beschränken.

Auf dieser Seite des Jura war ich noch nicht. Ich kenne nur die französische Seite mit dem Doubs, der Loue und anderen Flüssen, die ich vor etlichen Jahren mit Kajak und Kanu erkundet habe. Die Landschaft mit Ihren steilen Kalkabbrüchen, Wasserfällen und rauschenden Flüssen hat einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Leider war der Termin des Swiss Canyon Trail für mich wegen einer Reihe von Geburtstagen in der Familie und Terminüberschneidungen eigener Veranstaltungen recht ungünstig. Aber zum Jubiläum passt der Termin genau dazwischen und so nutze ich die Gelegenheit, um mit ein paar Lauffreunden unser Bewusstsein zu erweitern. Diesmal aber nicht mit Absinth, sondern mit den Eindrücken dieses Landschaftserlebnisses.

 

Startaufstellung

 

Wir sind mit sechs Leuten unterwegs. Nancy will trotz gebrochener Schulter und fehlendem Training die 51 Kilometerstrecke wagen. Ulrike und Hans Werner laufen die T81 Strecke, so wie Burkhard und ich. Wolfgang ist voll motiviert. Er ist auch auf der achtziger Strecke eingeschrieben, will aber bei den guten Bedingungen seinen ersten Hunderter wagen. Da einige von uns noch arbeiten müssen, treffen wir uns am Nachmittag in der angemieteten Ferienwohnung auf einem Bauernhof in der Nähe von Couvet, dem Start- und Zielort. Die Anfahrt vom Saarland durch Frankreich war schon mal sehr entspannt. Das Wetter ist zum Laufen perfekt. Etwa 25 Grad, Sonnenschein mit einem frischen Lüftchen. So soll es morgen auch bleiben.

 

 
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Gemeinsam fahren wir nach Couvet zum Abholen der Startnummer und zur Pastaparty. Als wir ankommen, treffen im großen Stadion gerade die Siegerinnen und Sieger vom Kidsrun ein. In der Halle gibt es die Startnummern und anschließend auch die Pastaparty mit einer großen Portion Nudeln mit rotem und grünem Pesto.

Wolfgang kann problemlos auf die 111er Strecke ummelden. Noch ein Bier und schon geht es wieder zurück zur Unterkunft.

 

Start zum Sonnenaufgang

 

Wolfgang startet schon um fünf Uhr früh und muss entsprechend zeitig aufstehen. Ich schlafe  wie ein Schweizer Murmeltier und bin froh, dass ich am Abend schon alles fertig gepackt habe. Schnell einen Kaffee und ein Rosinenbrötchen und ab geht es zum Start.

 

 
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Wir geben unser Dropbag ab, das bei km 45 auf uns warten wird. Die gesamten Zeitmessmatten liegen am Sportplatz bereit zum Abholen. Die Sonne ist noch nicht zu sehen, aber es ist hell genug, dass wir keine Kopflampe brauchen.

Etwa 200 Läuferinnen und Läufer haben sich an der Startlinie versammelt. Gemeinsam zählen wir auf Französisch von 10 runter und schon geht es los. Eine halbe Runde durchs Stadion und dann entlang der Areuse, dem kleinen Fluss, der das Val Travers durchzieht. Schon nach wenigen Metern blinzelt die Sonne über die Hügel und durchdringt den Morgennebel, der noch auf den Feldern liegt. Wir passieren eine Asphaltmine, die aber nur noch als Museum dient. Etwas wellig geht es über sanfte Wege und Wiesen, in denen ein Trampelpfad extra für uns freigeschnitten wurde. Die Kühe auf der Weide betrachten uns interessiert.

Nach dem ersten Anstieg im duftenden Tannenwald, empfängt uns eine Alphornbläserin mit einem Ständchen. Ein lang gezogener Downhill auf guten Wegen bringt uns zur ersten Verpflegungsstelle. Meine Vorräte sind noch gut gefüllt und so geht es ohne Pause direkt in den ersten großen Anstieg.

 

 
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Grand Canyon der Schweiz


Erst auf guten Wegen, dann auf steinigen Pfaden erreichen wir eines der Strecken-Highlights, den Creux du Van, der Grand Canyon der Schweiz und Namensgeber der Veranstaltung. Eine spektakuläre Felsarena tut sich vor uns auf. 500 Meter steigen die schroffen Felsen in einem Hufeisen auf. Wir begleiten die 1200 Meter breite Felswand hinter der Mauer der Freundschaft, einer Trockensteinmauer, die den hässlichen Zaun ersetzt, der früher dort stand. Sie wurde von einer internationalen Gruppe Freiwilliger errichtet und schützt vor einem versehentlichen Absturz. Kleine Spalten ermöglichen aber trotzdem den Durchgang bis zur Abrisskante des gewaltigen Felsmassivs.

Wir haben den ersten Gipfel unserer Tour erreicht. Über sanfte Wiesen und Weiden geht es nun angenehm und gut zu laufen wieder ins Tal. Unterbrochen wird der Abstieg nur durch die Verpflegungsstelle bei km 20. Es gibt Bündner Fleisch und Käse aus der Region, den Gruyère. In meine Flaschen fülle ich Wasser und ISO, jeweils mit einem Schuss Cassis-Sirup. Sehr lecker. Es ist recht warm und ich muss aufpassen, dass ich genug trinke.

 

 
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Auf der weiteren Strecke wechseln sich Fahrwege und breite Wanderwege ab. Dazwischen immer mal eine saftige, blühende Wiese oder ein Trailstück im Wald. Kurz vor der nächsten Verpflegung wird es etwas technischer. Wir passieren die Grotte de la Sourde. Ein Wasserfall rauscht bei den Cascade de Môtiers über den glatten Fels. Ein magischer Ort. Wir begleiten den anschließenden lieblichen Bachlauf bis zur nächsten Verpflegungsstelle am Eingang der Schlucht der Poëta-Raisse.

 

Durchs Wohnzimmer der Grünen Fee

 

Wir füllen noch einmal die Speicher, dann folgen wir der Schlucht entlang eines ausgetrockneten Bachlaufes. Die Bäume sind mit Moos bedeckt. Die Sonne trifft uns nur mit einzelnen Strahlen. Die Schlucht wird enger und tiefer. Kein Wunder, dass der Absinth auch Grüne Fee genannt wurde. Die hat hier bestimmt früher mal gewohnt.

Wir zweigen ab in ein wasserführendes Seitental. Steil geht es nach oben. Treppenstufen verschwinden in einer Felsspalte. Das ist unser Weg. Ausgesetzte Steige, schmale, kleine Brücken und viele Treppenstufen lotsen uns durch den engsten Abschnitt der Schlucht. Die Sonne schafft es nur selten bis zu uns auf die Talsohle. In angenehmer Kühle passieren wir die steilen Felswände. Unter, über und neben uns sprudelt der Bach, der in vielen Kaskaden ins Tal stürzt. Für mich ist das der spannendste Teil der gesamten Strecke. Leider ist das Licht nicht sonderlich zum Fotografieren geeignet.

 

 
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Nach einer engen Spalte und einer kleinen Kaskade öffnet sich die Schlucht unverhofft und entlässt uns wieder in den hellen sonnendurchfluteten Wald mit seiner üppigen Vegetation. Wir passieren viele saftige Weiden. Der Wald tritt langsam zurück und wir kommen zur höchsten Stelle der Veranstaltung, dem Gipfel des Mont Chasseron.

 

Verpflegung mit Aussicht

 

In der Tiefe liegt im Mittagsdunst der Neuenburger See. Am Fuße des Gipfels gibt es eine Vollverpflegung. Dort ist auch das Cutoff, das aber noch weit entfernt ist. Schade, dass es so diesig ist. Somit entgeht uns die traumhafte Sicht mit See, Vogesen und auf der anderen Seite auf den Alpenhauptkamm.

Kurz nach der Verpflegung am Bergrestaurant treffen wir mit den Läuferinnen und Läufern der 111km Strecke zusammen und haben jetzt ein großes Zeitfenster für den Rest der Strecke. Im anschließenden technischen Downhill überholen uns die ersten Eliteläufer. Beeindruckend stürzen sie sich in die Tiefe. Wir lassen es gemütlicher angehen und schlendern in der Mittagshitze die anstrengende Strecke hinunter und schon nach knappen 5 Kilometern sind wir an der nächsten Verpflegung angelangt.

 

 
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Hier warten unsere Dropbags auf uns. Wir ziehen frische Schuhe und Socken an und gönnen uns ein kühles Bier. Die Verpflegung bietet alles, was das Läuferherz begehrt. Sogar Bouillon gibt es, aber dafür ist es mir zu warm. Schnell ziehen wir weiter.

 

Wettlauf mit einem Gewitter

 

Die Strecke ist jetzt nicht mehr ganz so spektakulär. Mal ein Fahrweg, viele blühende Weiden. Die Kühe liegen unter den Bäumen im Schatten und schauen gelangweilt zu uns herüber. Dann wieder kühlere Waldabschnitte. Hin und wieder das Grummeln eines Gewitters, das jetzt über dem Chasseron hängt, den wir eben überquert haben. Im Süden sieht man, wie das Wasser aus den schwarzen, bedrohlichen Wolken fällt. Bei uns scheint immer noch die Sonne. Nur ein paar Tropfen verirren sich zu uns. Der Donner grollt heftig und treibt uns an. Hoffentlich werden wir vom Regen und Gewitter verschont.

Es ist unangenehm warm und meine Wasservorräte sind aufgebraucht, als wir an der nächsten Verpflegung ankommen. Das Gewitter scheint uns zu verfolgen. Trotzdem nehme ich etwas von der Pasta. In die Flasche kommt wieder Wasser mit Sirup. In stetigem Auf und Ab geht es weiter. Kinder haben in der Hitze einen Extra VP mit Himbeerlimonade aufgebaut und freuen sich, dass wir es gerne annehmen.

Wir laufen jetzt wieder im Sonnenschein. Die schwarze Wand ist fast vorbeigezogen und die Wolken, die vor uns liegen, erscheinen harmlos. Die Luft hat schön abgekühlt und die nasse Blumenwiese ist schon wieder am Abtrocknen. Anscheinend haben wir das Unwetter abgehängt oder genau die richtige Lücke zwischen den Regenwolken erwischt. Wir laufen mitten durch einen Kuhstall, wo uns ein kleines Privatkonzert gegeben wird. Die Herzlichkeit der Menschen hier ist einfach grandios. Egal, ob auf dem Weg oder an der Verpflegung: überall wird man mit Herzlichkeit und guter Laune empfangen.

 

 
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Chapeau de Napoleon

 

Nach einem etwas haarigen Abstieg erreichen wir den Chapeau de Napoleon. Ein spektakulärer Aussichtspunkt auf einem 1000 Meter hohen Bergsporn. Auf dem langen, steinigen Abstieg überholen uns wieder die schnelleren Läuferinnen und Läufer der 111km Strecke. An der Verpflegung gönnen wir uns ein Bier, bevor es in die letzten beiden Anstiege geht.

Als harmlose Zacken auf dem Streckenprofil, das praktischerweise auf der Startnummer abgedruckt ist, überrascht uns der erste Anstieg, wie auch der anschließende Downhill mit ruppigen Pfaden und sehr steilen Abschnitten. Von der letzten Verpflegung geht es dann aber moderat in den letzten Anstieg und ein gut zu laufender Fahrweg führt uns wieder sanft ins Tal de Travers zurück, wo wir nach 84 Kilometern noch im Hellen das Ziel erreichen.

Nancy erwartet uns schon am Zielbogen. Sie hat das Cutoff auf der 51 km Strecke nicht geschafft. Es hat einfach die Form gefehlt. Trotzdem hat sie die schöne Strecke sehr genossen. Hans Werner und Ulrike waren schon unter der Dusche und erwarten uns im großen Festzelt direkt im Zielbereich, wo wir dann auf Wolfgang warten, der gut eine Stunde später seinen ersten Lauf über 100 Kilometer, sehr zufrieden und mächtig stolz, ins Ziel bringt.

Wir schwärmen alle von den schönen Streckenabschnitten. Bis auf Wolfgang sind wir alle vom Regen verschont geblieben, aber auch bei ihm war es nur ein kleiner Schauer. Ein perfekter Lauf in grandioser Landschaft ist zu Ende. Danke an das Val Travers mit seinen lieben Menschen für dieses schöne Erlebnis.
 

Fazit

 

Der Swiss Canyon Trail ist ein sehr gut organisierter Landschafts- und Traillauf. Die technischen Anforderungen halten sich in Grenzen. Somit sind die Strecken auch für Trail-Einsteiger sehr gut geeignet. Hat man bei der T81 Strecke das Cutoff von 7,5 Stunden bei km 40 geschafft, hat man genug Zeit, den Rest der Strecke zu wandern. Die Strecke hat viele Highlights zu bieten und wird nie langweilig. Auf der 111km Strecke kommen noch ein paar wenige technische Abschnitte dazu.
Verpflegung und Markierung sind perfekt.

 

Strecken

– Swiss Canyon Ultra Trail 111K
115 Km und 5.350 Hm; 5 ITRA

– Swiss Canyon Trail 81K
83.5 Km und 3.600 Hm; 4 ITRA

– Swiss Canyon Trail 51K
52.2 Km und 2.230 Hm; 3 ITRA

– Swiss Canyon Trail 31K
32.2 Km und 1.440 Hm; 2 ITRA

– Swiss Canyon Trail 31K Nordic Walking
32.2 Km und 1.440 Hm

 

 

 

Informationen: Swiss Canyon Trail
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