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18.03.12 - Special Event

Ultra Marathon de Ouarzazate

Autor: Joe Kelbel

Zurück in die Wüste

 

Ouarzazate liegt in Marokko, auf der südlichen Seite des Hohen Atlas auf einer Höhe von 1200 Metern. Auf drei Seiten umgeben von den  Dreitausendern, bietet sich ein traumhafter Kontrast zwischen den strahlend weißen Schneegipfeln und der rotbraunen Steinwüste der nördlichen Sahara.

Die Anreise mit dem Bus von Marrakesch dauert 5 Stunden. Da die zwei besseren Buslinien ungünstige Abfahrtszeiten haben, bleibt mir wieder nur ein Seelenverkäufer übrig. Schon kurz hinter Marrakesch zeigt er sein ganzes Können. Sein Komplize verkauft kleine durchsichtige Tüten, die alsbald, noch warm und gut verknotet, durch den Fußraum schlingern. Da ich auch in der Schule immer hinten saß, überblicke ich vor der gesprungenen Rückscheibe sitzend den K(r)ampf der Kameltreiber, während wir uns über die Serpentinen hinauf auf die Passhöhe quälen und sich der Duft der malträtierten Kupplung  mit der angedauten Tütenkost vermischt.

 
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Als ich im Dezember auf dem Weg nach Zagora war, hatte ich den Wunsch, hier im Hohen Atlas einfach mal loszulaufen. Nun werde ich zusammen mit Bernhard Sesterheim im Oktober hier starten, und mir über 105 Kilometer und drei Dreitausender diesen Traum erfüllen.

Stop im Bergdorf Tabbert. Wer Mut hat, lässt sich aus  Tierteilen Hackfleisch machen und bringt dies zum Grillmeister, der auch die Tanjiinetöpfe, die seit Stunden  unter der Pickelhaube kochen, bewacht. Ich nehme zwei Colas und bin gespannt, ob Klaus das Foto vom Plumsklo in meinen Bericht aufnimmt, obwohl ich noch keine Startnummer trage.

Argan Öl ist der Hit. Ziegen fressen die Früchte und separieren per Verdauung das Fruchtfleisch von den schmackhaften Kernen. Es ist Frauenarbeit, die Kerne einzusammeln, zu knacken und daraus Öl zu pressen. Bei uns ist das Zeug sauteuer.

 
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Als gewissenhafter Reporter zücke ich die Kamera, als wir in eine Polizeikontrolle kommen. Doch unglücklicherweise entschließt sich meine Linux, im Businneren einen grellen Blitz abzusenden, der den Polizisten erblinden lässt. Dann geht es schnell, die Kamera ist weg, und ich mit Gewalt auf dem Weg in die hinterste  Ecke der Polizeiwache.

Als ich vor 15 Jahren zum ersten Mal hier war, da kostete so ein Fehler 10 DM. Doch seit der neue König regiert, soll Bestechung abgeschafft sein. So sitze ich auf meinem Stuhl, harre meiner Strafe, als der Obergendarm ein lautes „Uuuuumpf“ loslässt.

Im Nu scharen sich die Beamten um ihn rum, glotzen auf den kleinen Bildschirm. Ich werde nach vorne gerufen. „Mon ami!“ höre ich, und man klopft mir auf die Schulter. Einer läuft raus und sagt dem Busfahrer, er müsse unbedingt warten. Man wie geil! Es sind nicht die  Fotos vom Thailandurlaub, sondern die vom Braveheart-Battle, die die Jungs entdeckt haben. Ich muss jedes Foto erklären, und warum man in Europa so bekloppt ist, sich so etwas anzutun. 

Eigentlich fehlen jetzt nun noch so ein paar Beamtentränen und ne Comboband, aber immerhin, sie winken mir zu, die einsamen Uniformierten der Berge, als ich mit meiner geliebten Lumix, allerdings ohne Aufnahmen marokkanischer Staatsgeheimnisse, wieder in den Bus steige und triumphierend die gefüllten Plastiktüten  beiseite kicke.

Bis Quarzazate blicken mich die vollgekotzten Couscousmampfer  ehrfurchtsvoll auf meinem Thron auf der Rückbank an und grinsen  mit ihren teegeschwärzten, faulen Zähnen.

 
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Quarzazate  ist das Veranstaltungszentrum für den Marathon des Sables, bietet ein prunkvolles Hotelviertel, palmengesäumte Fussgängerzone mit Springbrunnen und das Ambiente einer vergessenenTouristenstadt mit marokkanischem Lokalkolorit: Braune und rote Häuser und Wohnburgen,  Mauern mit weiß abgesetzten Zinnen und hübsche Plätze vor den schneebedeckten Kronen des Hohen Altlas. Petite Taxis innerhalb der Stadt kosten 0,4 Euro. Der Flug kostete 80 Euro, 6 Euro die brutale Bustour.  Bessere Unterkünfte ab 15 Euro.

Start/Zielbereich des Marathons ist an der Kasbah, größte Llehmburg Marokkos, Weltkulturerbe und Palast des Berberfürsten und Paschas  El Haouzi. Deutschland unterstützte den Berberfürsten, dessen Land 1955 enteignet  und in den neuen Staat Marokko intergriert wurde.

Im Innenhof entdecke ich eine deutsche Kanone, made by Krupp. Sie stammt vom deutschen Kanonenboot Panther, das 1911 in Agadir deutsche Interessen gegenüber Frankreich durchsetzen sollte. Doch nachdem französische Truppen Fès und Rabat besetzt hatten (Marokkokrise), verlor Marokko seine Souveränität. 

Von den Haremsfenstern aus hat man einen wunderbaren Blick auf das Startgelände, dann verliere ich mich im angrenzenden Ksar (Lehm-Dorf), dessen Erhaltung die UNESCO den etwa 100 Familien des Haouza-Stammes aufgetragen hat. Im Gegenzug gab es Wasser- und Stromanschlüsse. Ich bin ein Fremder in einer Hochhaussiedlung und finde den Weg aus den Gewirr der Gassen nicht mehr. Egal, ich fühle mich wie zuhause, dort gibt es auch selten isotonische Getränke. Die Männer starren mich an, die Frauen bedecken ihr Gesicht. Wird wohl seinen Grund haben. „Salam, salam“ murmel ich immer wieder und haue mir den Schädel an den niedrigen Eingängen ein. In der Apotheke gibt es tatsächlich Schlange, Fledermaus und Eule und ein öliges Gemisch, das ich mir auf meine ramponierte Birne schmiere.

Morgen früh um 9 Uh ist Start, der Marathon nennt sich Ultamaraton International de Ouarzazate, hat aber nur 42,2 Kilometer, davon 25 in der öden, brennend heißen  Steinwüste. Mein Kopf brummt und nirgendwo  gibt es optimale Getränke, dafür ein wunderbares Abendessen mit Pfefferminztee gegenüber der Kasbar mit Blick auf das Startgelände.

21 Uhr Pastaparty, sie fällt aus. Bis tief in die Nacht dauert die Marathonparty. Die lauten Trommeln der Berberstämme hämmern  mich in den Schlaf. Ourazazate ist „die Ruhende“ , der Kreuzweg der Karawanen aus Schwarzafrika nach Agadir, Marrakesch und Fèz, grüne Oase in einer unwirtlichen Traumlandschaft, wunderbare Wunschwelt.

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