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10.06.13 - Special Event

Bhutan - The Last Secret

Autor: Joe Kelbel

Laut Grundgesetz des Königreiches Bhutans ist die Regierung verpflichtet, das Bruttoglück des Volkes zu mehren. Dafür wurde das “Centre for Bhutan Studies“ als Superministerium unter Leitung des deutschen Tobias Pfaff gegründet.

Als müssten wir die Qualität seiner Arbeit nach 200 km beurteilen können, so überreicht uns der Premierminister Jigme Yoezer Thinley bei der Siegerehrung stolz die Verfassung des Landes und erläutert, dass das Glück des Menschen nicht nur aus Wohlstand gebildet wird, sondern  aus der Bewahrung von Tradition, Kultur, Umwelt und Freiheit: ”Gross National Happiness is more importend then Gross National Produkt”

 
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Das Himalayareich öffnet sich langsam. Seit 2008 ist es eine Demokratie nach britischem Parlamentsmodell. Am Tag, als wir  ankommen sind gerade Wahlen. Vier Parteien stehen zur Wahl, eine davon benutzt leider die Farben unserer Streckenmarkierung. Die 65jährige Tshewand Dema sei zur Wahl angeblich 600 km gelaufen, weil sie die Fortbewegung mit einem Kfz nicht vertrage. Chuck Walker musste jedenfalls sämtliche Markierung unserer Laufstrecke wieder entfernen, um die junge Demokratie vor einer Wahlbeeinflussung durch unsere Markierungen zu bewahren. Chuck Walker ist das Phantom der Nacht, hat in monatelanger Arbeit die Pfade erkundet, neue Trails über die Hochgebirgspässe bauen lassen. Heute Nacht zieht er wieder los, um 200 km mit +10.000 Hm und - 8000 Hm mit Bändchen, Fähnchen und Farbe zu kennzeichnen, immer im Kampf gegen kleine Souvenirjäger, die im Land der flatternden Gebetsfähnchen ihre Sammlungen vervollständigen.

 
Stefan Betzelt und Chuck Walker
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Unter der Leitung von Stefan Betzelt bilden wir die größte ausländische Gruppe, die je Bhutan bereist hat: 36 Läufer aus 14 Nationen (Durchschnittsalter 48), 8 westliche Helfer und Ärzte und etwa 20 einheimische Helfer, Träger und Köche. Im November führte uns Stefan durch Kamboscha. Das Besondere an seinen Läufen ist, dass der Läufer hautnahen Kontakt zu Kultur und Menschen bekommt.

Tashi ist stolz auf die rasant wachsende Bevölkerung (700.000) seines Landes, obwohl wir trotz engen Kontaktes nicht dazu beitragen werden. Unser Beitrag begrenzt sich auf die 250 US $ Mindestausgaben - pro Tag, die zur Erteilung des Visums an Tashi überwiesen werden müssen. “Tashi” heißt in Bhutan alles und jeder und bedeutet so viel wie “von Herzen kommend”. Unser Tashi ist der staatlich verordnete Koordinator, der von den täglichen 250 $ ganze 70 $ an den Staat überweist und mit dem Rest den Trailausbau, die Helfer und Träger finanziert und die Klöster, in denen wir übernachten, mit monatelangen Reisrationen versorgt.

Meine Reise beginnt in Katmandu (1600 m). Das hat den Vorteil, dass ich nicht zu denjenigen Läufern gehören werde, deren Gepäck in Delhi verschwindet. Die Stadt ist ein Drecksloch. Gerade werden die Straßen verbreitert, um dem Chaos zu begegnen. Dazu werden die Häuser radikal abgeschnitten, der Schutt verbleibt auf der Straße und vervollständigt mit streunenden Hunden und apathischen Kühen den alltäglichen Stau in einer Welt aus Abgasen, brennendem Müll und Millionen armer Einwohner.

Gerade ist 60jähriges Jubiläum der Erstbesteigung des Mount Everest. Reinhold Messner und andere Honoratioren vervollständigen mit ihrer Kutschenfahrt durch die Stadt das Chaos.

In der Altstadt ( Thamel) treffe ich Holger, auch er glaubte, Kathmandu sei ein schönes, kleines schneereiches Bergdorf, bevölkert von coolen Bergsteigern. Holger hat gerade seinen Job geschmissen, wie so manche andere Teilnehmer des Bhutan-Ultras. Moralische Zweifel an der Profitgier der westlichen Welt. Eine gute Gelegenheit, um zusammen auf einer Stupa sitzend inmitten der Stadt bei 30 Grad und Dauerregen über das letzte Geheimnis zu diskutieren.

Der Stressschweiß durchnässt den Teppich während der morgendlichen Taxifahrt durch das dreckige Kathmandu, wir müssen rechtzeitig zum Flughafen. Der Taxifahrer lacht, als wüsste er, dass wir heute Bhutan nicht mehr erreichen werden.

 

Bhutan

 

Es gibt nur eine Fluglinie, die Druk-Air (Drachenlinie) nach Paro (2230 m), einziger Flughafen von Bhutan, das die Einheimischen Druk Yul ( gesprochen Dru Ü, Land des Donnerdrachens, wegen der ständigen Stürme) nennen. Paro ist das einzige Tal des Königreiches, das angeflogen werden kann - nur bei gutem Wetter und Tageslicht.  Und das Wetter ist scheiße. Wenn wir nicht bis 16 Uhr abheben, dann verpassen wir den Lauf. “Flight Delayed”. “When?” “We don´t know!”

Bei Druk Air kauft man ein Flugticket mit 24stündiger Standby-Pflichtzeit. Holger und ich treffen all die anderen Chaoten, die eine Nacht am Dehli-Flughafen und eine in Kathmandu verbracht haben und dennoch kein Gepäck haben.

Glück ist, wenn man die Nerven behält. Nicht einfach zwischen den vielen Menschen in der Tropenhitze und ohne Deo-Erfahrung. 16:30 wird ein Flug nach Delhi  angezeigt. Mundpropaganda: Der fliegt nach Bhutan. Holger und ich dürfen nicht mit. Lange Verhandlungen, dann steht doch noch ein zusätzlicher Flieger bereit, der 10 Minuten nach dem ersten starten wird.

Im Dämmerlicht fliegen wir durch das schmale Tal von Paro, rechts und links blicken wir in die schwach erleuchteten Fenster der imposanten Häuser. Im Gegensatz zu Nepal ist Bhutan ein sauberes Land, es ist die Schweiz des Himalayas. Steile Rechtskurve, sodass der Kaffee vom Tisch rutscht, dann sind wir unsanft gelandet.

“Do you have Cigaretts?” Keine Schnorrerei: 200% Zoll zahlt man, wenn man “yes “ sagt. 1-2 Jahre Gefängnis gibt es für ein falsches “NO”.

Schon am Flughafen fällt das traditionelle Nationalgewand auf, die Gho, ein knielanges, längs gestreiftes Kleid, oft mit aufgesetzten, weißen Ärmeln. Die Frauen tragen den Kira.

Vom Flughafen Paro eine Stunde Busfahrt bis in die Hauptsadt Thimphu, die einzige  Hauptstadt der Welt, die keine Ampeln hat.  Na gut,  in Apia/Samoa gibt’s auch keine. Auf der Ausfallstraße kann man die in Bhutan aktuelle Höchstgeschwindigkeit fahren: 50 Std/km.

Hotelübernachtung. Roadbook, Check der Pflichtausrüstung, des Gepäcks und des ärztlichen Vorberichtes. Niemand von uns ist frei von Zivilisationskrankheiten. Wir werden in einer Höhe von 3000-4000 Metern laufen, unwegsame, einsame Strecken.

Tagesfahrt  durch urtümliche Täler. Die Orte heißen Lumitsawa, Sobsoka und Punakha. Schöne Häuser, deren Eingänge mit bunten, männlichen Teilen bemalt sind und von den Dächern hängen die Dinger aus Holz geschnitzt. Die imposanten Teile vertreiben das Unglück, seitdem ein vorzeitlicher König mit seiner lebensspendenden Waffe böse Dämonen aus Bhutan vertrieben und damit das Land für seine Untertanen bewohnbar gemacht hat. Immerhin 11 Frauen nehmen an diesem Lauf teil.

 
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Punakha Dzong ( 1637), imposanteste Klosterfestung Bhutans und Hochzeitsort des amtierenden Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, den mit der Elvistolle, der bei einem Picknick die 17 jährige, bildhübsche Pilotentochter Jetsun Pema kennen lernte. Eine andere Hochzeit findet auch am Punakha Dzong statt: die des  männlichen Flusses (weil wild) und des weiblichen (weil ruhig und sanft). Das ändert sich nach deren Hochzeit. 

Polizisten mit Maschinengewehren bewachen den Eingang. Lange Hemden und Hosen sind Pflicht, Schuhe und Mütze aus.

Zeltcamp in Sichtweite zum Kloster Punaka Dzong. Einsam steht das kleine Klozelt am rauschenden Flussufer. “I learned to shit in a hole” sagt mir Karl, der amerikanische Arzt. Tatsächlich läuft man am Anfang im Schutz der Dämmerung heimlich mit einer Packung Feuchttücher in Richtung des kleinen Zeltes, dessen Reißverschluss klemmt. Am Ende der Reise wird die bei Asiatinnen äußerst beliebte Edition der Feuchttücher Marke Hello Kitty dann  “allerortens” offen zu sehen sein.

Das Klima in Bhutan, so groß wie die Schweiz, wird vom Monsun, der über die Niederungen des Ganges-Brahmaputra-Tieflandes vordring, bestimmt. Zurzeit 8-30 Grad. Regen. Wahrscheinlich höchster Berg des Landes ist der Gangkhar Pensum (wohl 7570), er gehört zu den vielen 7000ern, die noch nie von Menschen bestiegen wurden, weil dort oben die Götter wohnen. Ich schreibe „wahrscheinlich höchster Berg“, denn China hat die hohen Berge von Tibet aus annektiert. Tashi ist das egal, er braucht keine schneebedeckten Berge, sie hätten genug. Doch Indien, das 60 % des Staatsbudgets Bhutans begleicht (700 Mio $) und das Land außenpolitisch berät, hat Probleme mit dem chinesischen Expansionsdrang, denn auch gegenüber Indien erhebt China Gebietsansprüche.

Jeden Abend geht es freiwillig um 20 Uhr auf die Matte, doch an Schlaf ist nicht zu denken. Es piekt und sticht an allen Stellen, so wie in Deutschland, als wir noch Sommer hatten. Dazu gewaltiges Schnarchen aus allen Zelten.

Nervöses Frühstück. Ja, wir haben Luxus: Tische, Stühle, Frühstück, Mittagessen (von 13-18 Uhr, soweit man rechtzeitig das Etappenziel erreicht) und Abendessen.

 

 
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