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03.07.10 - Trail Verbier Saint-Bernard

Veni, Vidi, Verbier

Sembrancher bis La Fouly

 
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Kaum trete ich aus dem Wald, habe ich ein altes Hotel vor Augen, ich bin also in Champex. Die Verpflegungsstelle ist an einem für UTMB-Teilnehmer bekannten Ort. Von hier aus wird nämlich – von einer kleinen Abweichung abgesehen - der Trail du Mont Blanc und damit die UTMB-Strecke in umgekehrter Richtung belaufen. Das bedeutet, dass bis nach Issert viele Höhenmeter abgebaut werden müssen, bevor auf den nächsten 10km bis La Fouly wieder gegen 700 Höhenmeter dazugewonnen werden. Während der weiche Boden im Nadelwald die Füße schont, lasse ich den geliebten Duft des sommerlichen Bergwaldes auf mich wirken. Auch die Sonne wirkt weiter auf mich ein, mit dem Resultat, dass ich den nächsten Brunnen herbeisehne. In Praz de Fort bietet sich die Gelegenheit, à discretion von dem köstlichen kühlen Nass zu kosten und die drückende Hitze für einen Augenblick vergessen zu machen.

Während ich mich weiter das Val Ferret emporarbeite, lindern mehr und mehr Wolken die Unannehmlichkeit der gnadenlosen Sonneneinstrahlung. Trotzdem bin ich mir nicht so sicher, ob ich die aufziehende Bewölkung so toll finden soll. Ich kenne die Berge gut genug um zu wissen, dass am Ende einer solchen Entwicklung in der Regel das Gewitter steht. Die Priorität hat in meinen Gedanken vorerst aber das nächste Etappenziel, La Fouly. Bis dorthin sind es erst 48km und 2800 Höhenmeter. Wenn man daran denkt, was danach noch kommen wird, kann man gut ein Wortspiel machen – und aus La Fouly wird la folie, die Verrücktheit.
Auf dem Weg durchs Dorf zum Verpflegungsposten kommen mir zahlreiche Leute entgegen, applaudieren, feuern an und drücken ihre Achtung vor dem Tun der Läufer aus. Vor einer Stunde, um 12.00 Uhr, sind hier 700 Teilnehmer zur „La Traversée“ gestartet.

La Fouly bis Gr. Saint Bernard

 
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Auf der Terrasse eines Restaurants wird eine große Verpflegung angeboten, Tische und Stühle stehen zur Verfügung und in einem Zelt werden die persönlichen Säcke aufbewahrt, die man sich hierhin schicken lassen konnte. Ich habe vor allem Durst und genehmige mir eine Riesenmenge Bouillon, dazu etwas Käse und Schinken, Hauptsache salzig.

Ohne Hetze trinke ich, nehme ein paar Häppchen und fülle die Trinkblase wieder auf, doch dann zieht es mich weiter. Im Aufstieg zur Alp Arpalle komme ich erstmals mit einem anderen Teilnehmer ins Gespräch. Auf dem Wanderweg nach Ferret muss ich Olivier aber ziehen lassen. Völlig unerwartet habe ich einen Einbruch. In meinen Beinen fehlt der Saft, sie fühlen sich müde und schlapp an. Mir ist sofort klar, dass ich trotz vorherigem Verpflegungsposten im Begriff bin, in einen Hungerast hineinzurasseln. Ich nehme die Tüte mit meinen Trockenfrüchten aus dem Rucksack und genieße ein Stück nach dem anderen. In diesem Moment ist dieser einfache Snack eine königliche Mahlzeit. Ich vermute, dass ich unter dem Eindruck des Durstes so viel Brühe und Getränke zu mir genommen habe, dass ich die Festnahrung vernachlässigt habe und deshalb mit dieser Schwierigkeit konfrontiert wurde.

Ich kaue genüsslich auf den letzten Bissen herum, erfreue mich an der wieder aufkommenden Kraft und den Blumenwiesen, da kommt die nächste Herausforderung. Es beginnt zu regnen und in der Ferne ist Donner zu vernehmen. Ich hoffe auf eine kurze Episode, nehme die Jacke hervor, stapfe weiter und überquere erstmals ein Schneefeld.

Abgesehen davon gibt es bis Les Ars Dessus über keine weiteren besonderen Geschehnisse zu berichten. Wenig später wird mir warm. Es gibt dafür zwei Gründe; auf der einen Seite die Sonne, die gegen den Regen wieder die Oberhand gewinnt, auf der andern Seite der steile Weg hinauf zu den Lacs de Fenêtre. Je weiter ich nach oben komme, umso häufiger gibt es Schneefelder zu überqueren.

Die Seen sind immer noch zu einem großen Teil mit Eis bedeckt. Es war ein harter und langer Winter. Am Horizont liegt eine Krete, an der sich kleine dunkle Umrisse von Menschen gegen den Himmel abheben. Auch auf der langen Geraden dorthin sind, einer dezimierten Ameisenkolonne gleich, ein paar Gestalten unterwegs, deren Konturen sich vor dem gleißenden Weiß des Schneefelds scharf abzeichnen.

Oben, beim Überschreiten der Grenze nach Italien, wird mein Chip eingelesen und ich kann beschwingt den Abstieg zur Passstraße in Angriff nehmen. Auf den Schneefeldern sind von den vorangegangenen Läufern tiefe Rinnen eingegraben, in welchen ich es wie auf Skiern rutschen lassen kann.

Nach zweimaliger Überquerung der Passstraße und  einem Anstieg von insgesamt 140 Hm bin ich kurz vor dem Hospiz auf dem Großen Sankt Bernhard. Wie für einen Fototermin vereinbart kommt mir ein Bernhardiner-Pärchen auf ihrem kurzen Spaziergang entgegen. Ich hoffe, dass meine Augen – obwohl mir am Morgen noch das Gestell der Sonnenbrille zerbrach – nicht ganz so blutunterlaufen sind wie die des Rüden.

 

Informationen: Trail Verbier Saint-Bernard
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