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24.08.13 - Karwendelmarsch

''Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen''

Dieses Zitat  von Goethe spricht vielen Läufern aus dem Herzen. Im Besonderen trifft dies auf den Karwendellauf zu. Hier gibt es keine richtige Straße, keine Zugverbindung, keine Bergbahn.  

Geschichtlich betrachtet ist diese Region sehr alt. Römer siedelten bereits vor mehr als 3000 Jahren im Scharnitzer Gebiet und um Christi Geburt herum errichteten sie den ersten Weg übers Seefelder Plateau. Die Menschen lernten Wälder und Wiesen, Bodenschätze und Salzvorkommen für sich zu nutzen.
Der Salzabbau um 1230 in Hall, die um 1400 entdeckten Erzvorkommen und die darauf folgenden Waldrodungen bedeuteten schwerwiegende Eingriffe in die Natur des Karwendelgebiets. Noch im 20. Jahrhundert wurde die Holztrift, der Transport von ungebündeltem Rohholz auf dem Wasser, als beliebtes Transportmittel verwendet. Erstaunlicherweise setzte gleichzeitig der Paradigmenwechsel ein: von der starken Nutzung des Gebiets hin zum Schutz und Wertschätzung der Natur.

Schon 1928 wurde das Karwendel als „Banngebiet“ ausgewiesen und einer strengen Verordnung unterstellt - eine Besonderheit für diese Zeit. Immer mehr entdeckte man die Region als Fundgrube für geschichtlich bedeutende Ereignisse. Seine Bewohner strebten danach, dieses Naturjuwel und seine Geschichte zu erhalten. Denken wir dabei beispielsweise an den Fund des Elchskeletts durch den bekannten Pleisen-Toni 1951 und die Anerkennung des Steinöls als Arzneimittel 1954 oder an die Renaturierung der Moore im Jahr 2004.
2008 wurde der Verein Alpenpark Karwendel gegründet. Der Verein besteht aus den 15 Tiroler Gemeinden, den fünf Tourismusverbänden, den Österreichischen Bundesforsten, der Landwirtschaftskammer Tirol und dem Deutschen sowie dem Österreichischen Alpenverein. Sie alle arbeiten an den gemeinsamen Projekten mit.

Als nun 2009 der aus den 70er und 80er Jahren legendäre Karwendelmarsch von Scharnitz bei Mittenwald nach Pertisau am Achensee wiederbelebt wurde, stand das Konzept bereits fest: „Wandern und Laufen und zugleich die Einmaligkeit der Landschaft des Naturparks bewusst wahrnehmen und dies unter größtmöglicher Schonung der so wertvollen Ressource Natur“.

Das bedeutet konkret, dass man einerseits als Teilnehmer auf den markierten Wegen bleibt und seinen Müll nicht im Gelände entsorgt. Andererseits gibt es an den Labestationen ausschließlich hochwertige Bio-Produkte aus der Region. Das sollte der Iso- und Gel-gewohnte Läufer einkalkulieren, damit einem ungetrübten Laufevent nichts im Wege steht.

 
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Der Start ist um 6 Uhr in Scharnitz. Die Startunterlagen können bereits am Vortag im Gemeindehaus abgeholt werden. Selbstverständlich sind aber auch am Veranstaltungstag ab 4 Uhr die Schalter geöffnet und sogar noch Nachmeldungen möglich. Es gibt 3 Kategorien von Wettbewerben: Den Marsch und das Nordic Walking über 35 oder 52 km  und den 52 km-Lauf mit der Ausstiegsmöglichkeit nach 35 km. Bei allen 3 Disziplinen sind Stöcke erlaubt.

Für dieses Jahr ist zum ersten Mal seit der Neuauflage des Laufes schönes Wetter angesagt. Die Nachmeldezahlen sprechen daher Bände. Insgesamt werden 1800 Starter gezählt, davon ungefähr 600 Läufer.

Um 5 Uhr, als wir im Startbereich eintreffen, ist die Läuferwelt noch in Ordnung: zumindest bei den Damen ist keine Schlange vor den 3 WCs. Dass sich bis zum Start die Lage noch dramatisch zuspitzen wird, ist in Anbetracht des krassen Ungleichgewichts von Teilnehmerzahl (1800) und der Anzahl an Toiletten (2 x 3) auch für Nichtmathematiker leicht auszurechnen.

Bei meinem Mann Norbert und ich haben sogar noch Zeit, im Gemeindesaal zu entspannen und den anderen bei ihren Startvorbereitungen zuzusehen. Die Tasche mit der Wechselkleidung fürs Ziel geben wir am dafür vorgesehenen Schalter ab. Dann wird die Zeit doch irgendwie knapp und wir suchen hektisch nach dem richtigen Startblock. Draußen ist es finster. Dicht drängen sich dunkle Gestalten. Die meisten mit Rucksack und Stöcken. Da sind wir falsch. Die Läufer starten aus einem eigenen Startblock ganz links. Plötzlich sind wir wiederum zu weit. Beherzt steigen wir unter der Absperrung durch - die Läufer sind schon weg. Aber nein: da vorne können wir im beleuchteten Startraum das Läuferfeld erkennen. Endlich haben wir es geschafft: es wird schon herunter gezählt, ein Kanonenböller ertönt, und es geht los.

Auf der gesperrten Hauptstraße ist es ruhig. Klar, wer geht schon freiwillig um diese Uhrzeit auf die Straße? Mit lautem 6 Uhr-Glockengeläut werden wir verabschiedet. An der Kirche geht es links und unter dem Bahngleis hindurch. Tausendfaches trapp-trapp hallt in den engen Gassen wider. Wir überqueren die Isar und verlassen den Ort nach Osten. In langen Serpentinen geht es nach oben. Alle sind fit und so wird die Steigung flott gelaufen. Das Feld ist noch dicht beisammen. Obwohl wir im Wald sind, ist der Weg gut erkennbar. Manche wechseln vom Laufen zum Gehen.

 
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Wir verlassen den Wald, es wird wieder flacher und mit einem Mal auch hell. Vor uns im früh morgendlichen Dunst sind bereits die ersten Berge zu erkennen. Rechts des Wegs fließt der Karwendelbach und links türmen sich über 1000 m hohe Felswände. Auf der anderen Seite des Baches geht es noch weiter hinauf. Die Berge haben hier sogar über 2500 m.

Wir gewinnen langsam an Höhe. Die meiste Zeit kann auf dem fein geschotterten Untergrund locker gelaufen werden. Einige Steigungen werden einvernehmlich gegangen, keiner hat es eilig. Wir sind im Gespräch vertieft, als die Hütten der Larchetalm in Sicht kommen. Hier war seither die erste Labestation bei km 9. Heute müssen wir weiter bis zum Schafstallboden bei km 10. Das stört aber niemanden. Wir sind alle frisch und gut gelaunt.

Die Verpflegungszelte stehen auf einer größeren Lichtung. Im Angebot sind Äpfel, Bananen und Kekse. Aber so richtig Hunger hat noch keiner. Dafür wird dem Hollasaft (Hollundersaft von den Bäuerinnen aus Niederndorferberg) rege zugesprochen. Es gibt auch Tee und Wasser und so ist für jeden etwas dabei. Normalerweise ist Hollundersaft schwarz und pur nicht zu genießen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um Hollunderblütensirup mit Wasser verdünnt, das trinken wir auch Zuhause gern.

Ich trete ein paar Schritte zurück und genieße das Panorama. Gerade tauchen Sonnenstrahlen die Gipfel von Tiefkarspitze, Großkarspitze und Hochkarspitze in helles Licht. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was vor uns liegt.

Unser Weg liegt noch im Schatten, dabei ist es keineswegs kalt. Meine leichte Windjacke habe ich bereits an der ersten Steigung ausgezogen. Kurzweilig geht es weiter. Die Gegend zeigt nach jeder Kurve ein anderes Bild. Mal laufen wir im Wald, dann wieder direkt am Bach. Mal breitet sich eine grüne Alm zu unseren Füßen aus, dann kommen die Felsen dicht heran.

Vor uns liegt nun die Angeralm. Feine Nebelfetzen werden eben vom ersten Licht berührt. Die Berge im Hintergrund erstrahlen im Sonnenschein. Eine Stimmung, wie man sie nur morgens erleben kann. Im Weiterlaufen erschließen sich die Details: die Almwiese steht in voller Blüte. Zahlreiche weiße, blaue und gelbe Punkte zeugen von gesundem Wachstum.

Ich drehe mich um und schaue zurück. Wow - was für ein Anblick! Die Alm liegt im Schatten und dahinter türmt sich das Bergmassiv im Sonnenlicht. Kein Bild kann diese einmalige Stimmung wiedergeben.

Der Weg führt nun spürbar bergauf. Wir verfallen in zügiges Powerwandern. Ein Radler kommt uns  entgegen und ruft: “Jetzt geht es in die Sonne!“ Und tatsächlich, um genau 8 Uhr tauchen wir in den sonnenüberfluteten Weg ein.
Wir kommen immer höher. Das Tal wird schmäler und der Karwendelbach liegt weit unter uns. Es geht um eine Kurve und wir sind im Berg. Die Hochalm empfängt uns mit Glockengeläut.

Auf den saftigen Wiesen grasen friedlich ein paar Kühe. Der Weg schlängelt sich serpentinenartig den Berg hinauf. Wie an einer Kette aufgereiht sind die Läufer als bunte Punkte zu erkennen. Oben thront das Karwendelhaus auf fast 1800 m Höhe an der Flanke des Hochalmkreuzes. Dahinter liegt majestätisch ein schroffes Bergmassiv von dem ich nicht weiß, ob das schon die Ödkarspitzen sind. Das wären dann immerhin 2700 Meter hohe Gipfel.

 
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Wir reihen uns in die Läuferkette ein. Es geht höher und höher. Schon haben wir die kleine Kapelle unter uns gelassen. Die erste Kuh am Wegesrand löst zaghaftes Entzücken vor allem bei den weiblichen Sportlern aus. Die Herde von Fliegen, die sich vor allem im Kopfbereich der niedlichen Vierbeiner tummeln, vereitelt die normalerweise jetzt einsetzende Streichelorgie. Wir bleiben lieber auf dem Weg. Der Abzweig zum Karwendelhaus ist erreicht, wir halten uns aber links und gelangen zur zweiten Labestation bei km 19,2. Die weißen Verpflegunszelte stehen am zweiten Abzweig zum Karwendelhaus, kurz unter dem Jochkreuz, dem höchsten Punkt in diesem Streckenabschnitt.

Die Verpflegung beginnt mit Kartoffelsuppe, die, etwas ungewohnt, aber umso praktischer, im Becher ausgeschenkt wird. Dann folgen zwei Kisten mit belegten Vollkornbroten, wahlweise mit zwei oder drei großen Salamischeiben belegt. Daneben steht dann eine Kiste mit Käsebroten, gefolgt von einer Kiste mit trockenem Brot. Oder sind das die selbstgemachten Müslistangen?

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Informationen: Karwendelmarsch
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