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26.05.19 - LeineTal-Ultra

Nix für Luschen

Wirklich, hier gehören nur richtige Vollblutultras hin, die jede Steigung freudig erklimmen und sei sie noch so steil, kraftvoll durchs Unterholz brechen, auch tiefe Bäche nicht verschmähen und dabei die ganze Zeit über Gott und die Welt fröhlich plaudern Davon scheint es nicht sehr viele zu geben. Die anderen müssen halt noch etwas üben…

Sonnenaufgang über dem Leinetal. Die Leine kennt jeder Niedersachse, schließlich fließt sie durch seine Hauptstadt. Oder die Autofahrer auf der Autobahn des Grauens (A7) wegen der ständigen Hinweise. Sie formt ein langgestrecktes, breites Tal, das wir zweimal durchqueren. Ansonsten bewegen wir uns in den Bergketten erst östlich, dann westlich. Und hier ist der TRAIL am schönsten. Und am steilsten. Und fordert einfach alles.

 

 
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Hillerse, der Startort,  liegt mitten im Tal, gar nicht weit weg vom Fluss. Auf einem Kartoffelhof ist Treffpunkt, daneben liegt ein Sportplatz mit Parken und Duschen sehr günstig für uns. Um 7:30 pünktlicher Start von 10 kleinen Läuferlein für den Lauf mit 65 km und 1700 Höhenmetern, Zeitlimit 11 Stunden. Natürlich gibt’s vorher noch das große Foto. Alles schläft noch, nur ein paar Wachhunde sind wegen uns total aufgeregt. Wir queren die Leine und die Bahn, um langsam ansteigend in den östlichen Hügeln zu verschwinden. Weiße Pfeile mit LU, teilweise verwegen versteckt, weisen uns den Weg, manchmal besser als die GPS-Geräte. Auch eine (grobe) Karte hilft nicht immer. Zum Verlaufen gibt’s reichlich Gelegenheit und wir nutzen sie auch fast alle, merken es aber bald und finden auf den Pfad der Tugend zurück.

Ruhige, verschwiegene Trails, nur selten begangen und allenfalls nur verwegenen Eingeborenen bekannt, führen uns durch eine fantastisch schöne Gegend. Die Aussichten sind einfach umwerfend. Sowas schönes ahnt ja keiner, der auf der A7 zwischen Göttingen und Northeim daher brettert. Von dort sehen die Berge irgendwie unscheinbar aus… Aber sie haben was zu bieten, sportlich und auch kulturell. Seit gut 1000 Jahren gibt es Burgen und Wege, schnucklige Orte, Sagen und Legenden…

Beim Erreichen der Burgruine Hardenberg betreten wir so eine Stätte. Uralt, im gräflichen Besitz.  Von oben erspähen wir die Luxusherberge und Nobelfutterstation mit Reit- und Golfplatz und vollem Eventkalender. Lassen wir aber rechts liegen, unsere Futterstation kommt nämlich im Rodetal, da wartet Stefan, guckt mir tief in die Augen und liest alle offenen Wünsche ab…

 

 
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Kultur dann auch bei der nächsten Burg, die Plesse. Mit VP und grandioser Aussicht. Weit weg im Dunst die Gegend, durch die wir gleich laufen sollen. Mann, ist das weit weg. Noch eben das Isotonische ausgetrunken und dann ab. Nach runter und rauf aber erst noch ein Naturschmankerl: Ein kleiner Abstecher in den nördlichsten Eibenwald. Auf den Schildern steht auch Elbenwald, aber es sind diese uralten Nadelbäume gemeint. Erst dann dürfen wir runter ins Tal brettern nach Bovenden. Unter dem Ort, im Tunnel versenkt, die wichtigen Nord-Süd- Bahnlinien, dann die A7.  Was für ein Krach. Was bin ich froh, als ein wüster Trail in den Wald hinein führt. Zugewachsen mit Brennnesseln, Hindernisse aus Totholz und fiese Schlammlöcher. Also nix zu meckern.

Plötzlich wieder Geschichte. Unter den Tretern liegt Asphalt, breit und geradlinig. Das heißt, Militär war hier. Ein riesiges Munitionslager für die Nato war hier mal, davor befand sich eine Munitionsanstalt. Erst seit kurzer Zeit sind die Böden von Muni-Resten befreit worden… Wir  traben da durch, vorbei an diversen Standardbunkern. An der Strecke nach Lenglern erinnern noch weitere alte Bauten an die ach so glorreiche Zeit.

Höchste Zeit, wieder in die Berge zu traben. Diesmal sind es die westlichen. Knapp die Hälfte ist geschafft, dann kommt Stefans ganz besondere Heimtücke: Von einem breiten, schönen Weg leitet er uns an einem Feld mit brusthohem Raps längs, direkt auf einen Bach zu. Kein friedlich daher murmelnder, sondern ein tief eingeschnittener mit mit brutal steilen Flanken und altem Gerümpel und Schwemmholz drin. Da runter ist schon fies, da drüber eine Geschicklichkeitsfrage. Man sieht nix, kann sich nirgends festhalten und oben sind die Brennnesseln am Feldrand. Zwischen der Gerste und der Abbruchkante in den Orkus ist gerade mal eine Handbreit Platz, die über Sein oder Nichtsein entscheidet. Für alle, die Pech haben: VP 3 hält frische Socken bereit…

Nun aber hoch, der Berg ruft. Breite Straße, Schotter, dann Waldweg. Übrigens: keine weißen Pfeile mehr und die Karte hilft auch nur bedingt. Ohne GPS geht auf der zweiten Hälfte nix. Oder es geht schief und man bekommt Extra-Kilometer. Der Abzweig vom schönen Weg ist perfekt getarnt. Totholz, Kraut und ein Steilhang sorgen für Verdruss. Aber dahinter ein Forstweg, Testgelände der Nordic Walker. Aber die sind wohl alle bei Käsesahne anderweitig beschäftigt. Zick und Zack am Waldrand und tief hinein und dabei immer nur hoch. Körnchen sind gefragt. Aus allen Ecken und Ritzen kratze ich mir welche zusammen. Erst VP 4 bringt Erlösung. Günstig an einer wichtigen Abzweigung gelegen, gibt’s Tips und Futter und Isotonie.

 

 
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Jetzt einen Kammweg lang, Aussicht auf das berühmte Hardegsen genießen und im weiten Bogen ins Tal runter, eine riesige Unterführung durch und am Stadtrand brutal steil wieder hoch. All die schönen Höhenmeter sind vernichtet, die Bahn gequert und der brutalste Bergkamm von allen erklommen. Rechts tut sich ein Loch auf, ein alter Steinbruch war das. Das gibt einen ersten Eindruck von der Höhe. Aber der Kammweg führt noch weiter. Wenn dann doch mal eine Senke mit leichtem Bergab dazwischen kommt, ist das eher ein topographisches Versehen. Es geht nur hoch und zwar dort, wo der Weg am schmalsten ist.

Der Lohn sind prächtige Aussichten, denn der Berg fällt überraschend steil ab. Erst kurz vor der Schneegrenze treten die Bäume zurück, Gras wächst und das Sohnleyhüttchen, ein gut 80 Jahre alter Bau, wetterfest und für die tausendjährige Ewigkeit konzipiert, lädt zum Verweilen ein. Der Blick geht ungehindert in die Weite zum Solling rüber. Toll, wir sind am höchsten Punkt. Ergo: abwärts geht’s. Oder läuft‘s.

Ein wenig Zick und Zack, erste weiße Pfeile/LU sind zu sehen, als mich ein Tiger bedroht. Sieht richtig echt aus, der Bursche. Er bewacht VP 5, Stefan musste mal weg, hat aber liebevoll den Tisch gedeckt. Hier beim Isotonischen sitzen und ins Leinetal gucken, das hat was. Die gesamte erste Hälfte kann man überblicken. Geraderunter liegt Moringen, da trabt es sich schnell hin. Im Ort auf schmalem Pfad am Flüsschen lang und rechts raus in die Pampa. Eine schöne Pampa, weil flach. Ich könnte mich dran gewöhnen, werde unachtsam und verpasse gleich mal wieder die Abzweigung. Der richtige Weg ist rasch wieder erreicht, die Bahn unterquert, eigentlich ist es gar nicht mehr weit…

Denkste. Auch auf wenigen Kilometern lassen sich noch jede Menge Höhenmeter  unterbringen. Muss das denn sein? Ja, die Bergkuppe mit Gras und Kiefern sieht aus wie ein Park. Total schön. Auf der anderen Seite geht’s wieder runter, bergab bis 200 m vors Ziel. Große Freude, der letzte der verbliebenen 9 Läufer ist angekommen. Nur einer ist ausgefallen.

Medaille und Würstchen, Flüssiges und Festes, Salziges und Süßes, alles ist da bei diesem wirklich ambitionierten und mit Herzblut vorbereiteten Ultra. Das gibt’s nicht oft. Danke an Stefan und sein Team für dieses wundervolle Erlebnis!

 

Fazit

Ein richtiger Orientierungstrail ist das hier. Trailsohlen, kleines Gepäck, ggf. Stöcke sind das Minimum. Ein gutes GPS-Gerät oder eine detaillierte Karte sind unbedingt nötig, erst dann lässt sich alles so richtig genießen. Der Trail fordert alles. Auch das allerletzte Körnchen. Nur richtig harte Kerle und Mädels sollten sich da ranwagen…

 

Informationen: LeineTal-Ultra
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