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17.06.17 - Mozart 100

Scenic Ultra 62,6 km: Anspruchsvoll und wunderschön

Laufen ist nicht von ungefähr Volkssport Nummer 1. Man braucht ein paar anständige Schuhe und schon kann es losgehen. Ob man eine kleine Runde im Park oder Wald dreht, ist meist den Umständen geschuldet. Jeder läuft da, wo es eben am besten geht. Viele sind deshalb unbewusst sogenannte Trailläufer, denn das englische Wort Trail bedeutet Spur oder Pfad, und unsere Wälder sind Gott sei Dank nicht asphaltiert.

Für unseren Nachbarn in Frankreich hat diese Art zu laufen Tradition. Deutschland, Österreich und die Schweiz holen auf. Trotz der Nähe zum Schwarzwald bin ich eher ein Flachlandtiroler mit Liebe zu unwegsamen Terrain. Aber im Sommer zieht es mich in die Berge, denn es tut gut, die Muskeln einmal anders zu beanspruchen. In diesem Jahr steht der Mozart 100 auf dem Programm. Start und Ziel ist mitten in Salzburg auf dem Residenzplatz. Dazwischen liegen 62 km bis zum Fuschelsee, dort einmal herum und wieder zurück. Wir haben uns nicht für den neuen 100er entschieden, denn der hat in diesem Jahr 4.500 Höhenmeter. Das ist eine Nummer zu groß für mich. Die 2.200 Höhenmeter auf der kürzeren Distanz erscheinen mir dagegen machbar. Zum Event gehören noch ein Marathon, ein Lauf mit 31 km und der City Trail mit 12,5 km.

Unsere Tochter Laura wollte an diesem Wochenende in Salzburg eigentlich einen Gleitschirmflug machen. Da dieser wegen Böen abgesagt wird, entschließt sie sich kurzfristig für den City Trail. Diese 12,5 km, weitgehend flach, passen genau in ihren Trainingsplan.

Das Briefing  findet auf dem Residenzplatz statt. Die Startnummern und den Starterbeutel haben wir zuvor schon im Einkaufszentrum Europark abgeholt. Vor dem Dom steht die Eventbühne, davor befindet sich ein größeres Zelt. Hinter dem mächtigen Residenzbrunnen liegt der Start/Zielbereich. Beim Briefing wird die Strecke im Detail vorgestellt und auf markante Punkte hingewiesen. Wichtig finde ich, dass vor dem Start die Pflichtausrüstung kontrolliert wird. Bei unserem Lauf sind das Trinkbecher und Trillerpfeife. Dann werden noch ein paar Fragen beantwortet und abschließend werden wir mit guten Wünschen für den morgigen Tag entlassen.

 

 
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Der Start des langen Hunderters erfolgt um 5 Uhr morgens. Unser Start ist erst um 9 Uhr. Man kann also ausschlafen und sieht schon, wie das Wetter wird. Es hat um die 16 °C und obwohl der Himmel bewölkt ist, sagt der Wetterbericht keinen Regen voraus. Ich hab zur Vorsicht alles dabei: Windjacke, Rettungsdecke, Stirnlampe, Handy, Gels, Riegel, Salz, 1l Wasser im Trinkrucksack, Taschentücher, den Streckenplan mit den Notrufnummern und eine Flasche für die Getränke der VPs. Hier gibt es nämlich keine Trinkbecher. Norbert läuft mit kleinem Gepäck. Außer der Pflichtausrüstung hat er nichts dabei.

Dann geht es pünktlich los. Wir verlassen den Residenz-  und laufen auf den Mozartplatz, durch die schmale Pfeiffergasse und am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder vorbei. Schnell sind wir in der Schanzgasse und am Unipark der Universität Salzburg. An den Sportanlagen des Accademischen Gymnasiums vorbei erreichen wir schnell die Hellbrunner Allee. 2 km sind schon geschafft. An Schloss Frohnburg vorbei und durch grüne Wiesen erreichen wir ein kleines Wäldchen. Es geht über die Salzach. Hier erfolgt die Streckentrennung des am späten Nachmittag stattfindenden City Trails. Wir folgen der Salzach und sind bald am  Einstieg zur Glasenbachklamm.

 

 
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Es geht nun auf einem schönen Wandertrail am Klausbach entlang sanft bergauf. Hinweisschilder geben Auskunft über hier gefundene Fossilen: allen voran ein Abdruck eines Ichthyosaurus, ein Fischsaurier, der hier vor 200 Millionen Jahren lebte. Auch zahlreiche weitere Versteinerungen wie z.B. Ammoniten wurden gefunden und sind im Heimatmuseum Elsbethen und im Haus der Natur zu besichtigen. Nach Hangrutschen kommen auch heute noch immer wieder Fossilien ans Tageslicht. Die Erklärungen zu den verschiedenen Gesteinsschichten, die an vielen Stellen offen zu besichtigen sind, sind nicht nur für Geologen interessant. Weil hier in der Tiefen der Klamm keine Sonne hinkommt, die Luftfeuchtigkeit hingegen sehr hoch ist, gibt es für viele seltene Pflanzen und Tiere einen idealen Lebensraum. Seit 1987 ist das Gebiet zum „geschützten Landschaftsteil“ erklärt.

Während der ersten 7 km des Laufes bin ich im 6:00er Schnitt unterwegs. Das ist viel zu schnell, und so fühle ich mich auch. Eine unangenehme Erkältung macht es auch nicht besser. Jetzt auf der ersten Steigung nehme ich daher Tempo raus. Viele Läufer kommen nun von hinten und überholen mich. Das ist auch O.K., denn gewinnen werde ich den Lauf sicherlich nicht. Nun kann ich die Natur umso besser genießen. Wir verlassen die Klamm und erreichen im Weiler Hinterwinkel die erste Labestation. Neben Wasser und Iso gibt es Cola-Bull. Außerdem Salzbrezeln, Kuchen, Riegel, Rosinen, Wassermelone, Bananen und Orangen.

 

 
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Ich lasse meine Handflasche zur Hälfte füllen, greife ein paar Salzbrezeln und laufe schon wieder los. Auf der Straße geht es bergab und die Trinkpause kann ich so auf den nächsten Anstieg verschieben. Wir folgen dem kleinen wenig befahrenen Sträßchen ungefähr einen Kilometer flach. Dann biegt die Strecke an der Schwarzenberg Kapelle links den Berg hinauf. Nach einem längeren Anstieg auf einem breiten Wanderweg geht es endlich wieder bergab. Alle Höhenmeter, die wir bis dahin angesammelt haben, verlieren wir in rasanter Fahrt (km 15).

Vor uns liegt nun idyllisch die kleine Gemeinde Ebenau. Im Schatten bewaldeter Berge thront etwas erhöht die barocke Pfarrkirche. Postkartenmotiv pur. Nachdem wir die ersten Häuser passiert haben, biegt unsere Strecke scharf nach links ab direkt zu einem der großen Bauernhöfe. Nanu, wie geht es weiter? Tatsächlich führt ein schmaler Graspfad hinter dem Haus auf eine Wiese. Hier kann ich auf halber Höhe Läufer entdecken. Das muss also richtig sein. Am Waldrand geht es links. Meine Mitstreiter packen ihre Stöcke aus. Zu Recht, denn der Pfad führt nun wurzelig steil nach oben. Stöcke habe ich nicht, also muss ich so hinauf. Das geht auch ganz gut, ich komme zügig voran, wenn auch nicht so rasant, wie die anderen.

Ein Helfer steht an der Weiche für den Rückweg. Hier beginnt also die lange, enge Begegnungsstrecke. Es dauert noch, bis der Erste der schnellen Marathonläufer von oben angeschossen kommt. Wir hechten in die Büsche, um ihn ja nicht zu behindern. Ich genieße diesen wunderbaren Pfad, es ist zwar steil, aber für mich noch gut zu bewältigen. Plötzlich liegt vor mir ein kleiner blauer See. Beim Näherkommen erkenne ich, dass es sich um ein künstlich aufgestautes Becken des Rettenbachs handelt. Treppen führen hinein, so dass es als Naturbad genutzt werden kann. Mehrere alte Getreidemühlen liegen abgeschieden mitten im Wald.

 

 
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Mitte des 14. Jahrhunderts wurde in Ebenau viel Getreide, wie Roggen, Weizen, Mais, Gerste und Hafer angebaut, das dann mit Pferdekutschen hier hoch transportiert wurde. Als letzte gab die Haufbauermühle 1966 ihren Betrieb auf. Die Bauernmühlen machen trotz ihres Alters immer noch einen sehr guten Eindruck, denn sie werden regelmäßig renoviert, um sie als Naturdenkmal zu erhalten. Etwas weiter und wir gelangen auf den Glücksplatz an der "Plötz" mit seinem 50 m hohen, sehr imposantem Wasserfall.

Ich habe keine Zeit zum Schauen, denn immer wieder kommen mir Läufer entgegen und der Trail ist sehr schmal. Es geht nun erneut steil bergauf.

Wir kommen aus dem Wald und haben wieder festen Boden unter den Füßen. Ein Schotterweg führt in den Weiler Hinterschroffenau (km 20). Hier geht es wieder den Berg hinunter. Schilder warnen bereits von weitem vor einer Straßenüberquerung. Die L107, die Wiesentallandstraße ist stärker befahren. Die Helfer an den Übergängen sichern die Querung. Auf der anderen Seite verschwinden unsere Markierungen im Wald. Sofort ist es dämmrig, die Bäume stehen dicht an dicht. Der schmale Pfad führt hoch auf den Gitzenberg. Hier kommen nun ständig Läufer von oben. Sie scheinen das starke Gefälle zu genießen und freuen sich über meine Anfeuerungen. Ich suche mir meinen Weg an der Seite, denn das Terrain ist zum Rennen schon schwierig genug. Alle Läufer müssen sich richtig konzentrieren.

Um eine Kurve herum verlassen wir den Wald. Ganz unerwartet  taucht Anton auf, der  M4Y-Kollege aus Wien. Ich habe gerade noch Zeit für ein Foto. Der Weg steigt nun an. Oben steht ein weiblicher Fan und feuert mich schon von Ferne an. An meiner Startnummer erkennt sie, dass ich noch um den Fuschlsee laufen werde und beglückwünscht mich schon mal zur schönen Strecke. Dann erreiche ich die Straße; hier geht es wieder den Berg hinunter.

Bis Hof lasse ich es laufen. Da kommt mir auch Joe entgegen. Er hatte am Morgen die 100 km in Angriff genommen, aber wohl einen Cutt off nicht geschafft. Er trägt es mit Fassung. Der Erste vom Scenic Ultra, also von meinem Lauf, kommt jetzt auch schon. Wahnsinn! In Hof befindet sich die 2. Labestation und Wende für den Marathon. Hier muss ich erst einmal Pause machen. Ich probiere Cola Bull; es schmeckt sehr lecker. Ich bin auch richtig hungrig. Mehrere Scheiben Brot mit Frischkäse bestrichen werden verschlungen. Das schmeckt. Noch Kuchen und Obst, dann kann es weiter gehen. Eine Zeitmessmatte hält meine Durchgangszeit fest. Es geht die Straße bergauf.

Links geht es in den Wald und dann auf einem Wiesenpfad am Waldrand entlang. Da kommt mit wippendem Pferdeschwanz die erste Frau des Scenic Ultra angerannt. Sie sieht noch sehr jung aus und lacht über das ganze Gesicht. Ich freue mich mit ihr. Als ich den Wald verlasse, liegt vor mir ein beeindruckendes Voralpenpanorama. Ist der Fuschlsee schon zu erkennen? Nein ich sehe ihn noch nicht. Es geht hinunter bis zu ein paar verstreut liegenden Gehöften und dann über einen Wiesenweg weiter bergab.

Wir müssen jetzt die L202 überqueren. Das ist etwas unübersichtlich, weil gleich eine Kurve kommt und die Autos hier recht schnell fahren. Ich schaffe es trotzdem. Es geht wieder ein Stück bergauf und erneut auf einem anderen Wiesenweg bergab. Oh - der Fuschlsee liegt mir nun direkt zu Füßen. Wie schön. Er sieht größer aus, als ich gedacht hatte. Ein Kameramann filmt die Vorbeilaufenden. Ich versuche entspannt auszusehen.

 

 
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Unten geht es wieder über die Straße. Ich winke noch der hübschen Helferin zu und übersehe dabei den Bus, der gerade kommt. Gott sei Dank ist der Fahrer aufmerksam und bremst ab, um mich über die Straße zu lassen. Nach diesem Adrenalinschock geht das Laufen gleich viel besser, ich bin jetzt hellwach. Der See kommt schnell näher und bald befinde ich mich auf dem 10,8 km langen Rundweg. Hier sind naturgemäß viele Spaziergänger. Die sind aber kein Hindernis, im Gegenteil: alle feuern mich an, was motiviert. Bald kann ich am gegenüberliegenden Ufer Fuschl erkennen. Der Rundweg mündet auf einen Gehweg an der Straße. Wenn unser Ziel war, unauffällig den kleinen Kurort zu durchlaufen, dann misslingt das gründlich. Jeder Passant feuert uns an. Hinter dem Hotel Seerose geht es auf einen kleinen Weg. Dort ist der Seeeingang zur Pizzeria Edenbergers und eine Zeitmessmatte. Wir laufen durchs Gartenrestaurant und auf der anderen Seite wieder hinaus. Eine kostenlose Zugabe für die Gäste des Esstempels.

Bei km 30 steht die dritte Labestation, direkt am Seeufer. Hier ist einiges los. Auf der Straße haben die Läufer des Scenic Light, des 30 km Laufs, Aufstellung genommen. Der Start wird in 5 Minuten sein. Das warte ich lieber ab. Diese Läufer sind sicher schneller und sollten vor mir loslaufen. Ich mache also erst einmal auf einem Bänkchen Pause.

 

 
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Um 14 Uhr wird gestartet. Ich folge dem Feld. Nebenbei rechne ich mir aus, dass ich nun 5 Stunden für die Hälfte der Strecke gebraucht habe. Wenn ich die zweite Hälfte in 6 Stunden schaffen würde, wäre ich in 11 Stunden im Ziel. Das finde ich super. Ich bin so beschwingt, dass ich mich an die eben Gestarteten anhänge. Dabei sind natürlich auch langsamere und so komme ich ganz gut mit. Dann wir es plötzlich eng, und wir werden ausgebremst. Der Weg ist so schmal, dass maximal 2 Läufer nebeneinander gehen können. Anschließend geht es wellig weiter (km 32,5). Ich merke, dass mir zwar bergauf die Kraft fehlt, ich aber bergab immer noch Gas geben kann.

Die restliche Strecke um den See ist aufgrund der vielen anderen Läufer äußerst kurzweilig. Auch 100 km Läufer kommen nun von hinten. Man erkennt das gleich, sie sind viel schneller als wir. Ich feuere jeden einzelnen an, die Läufer freuen sich. Dann verlassen wir den See. Sofort geht es auf einen schattigen Wald Trail. Nanu, bin ich vorhin wirklich diese Strecke heruntergekommen? An die gefühlten 100 Treppenstufen müsste ich mich doch erinnern (km 37,5)?

Dann bin ich erneut an der Straße, an der ich vorhin mein Busabenteuer hatte und kenne mich wieder aus. Die Helfer feuern mich an. Es geht nun zurück, zunächst den Berg hinauf. Von dieser Seite sieht alles anders aus und ich erkenne nur an markanten Landschaftspunkten, dass ich hier schon einmal war. Vor einem Bauernhof pickt ein Huhn. Es erstarrt, als es mich sieht und erst als ich vorbei bin, höre ich ein entspanntes Gackern. Im hohen Gras scheint wohl eine ganze Gruppe am Werk. Ich mag Hühner und nehme diese Begegnung als gutes Omen.

2 Läufer des 100ers überholen mich mit einem Gruß und liefern sich ein richtiges Duell auf der folgenden Gefällstrecke. Ich lasse es gemütlich rollen, denn schneller kann ich eh nicht. Mit dem Wetter bin ich sehr zufrieden: es ist zwar windig und in der Sonne gleich richtig warm. Aber im Wald bleibt die Temperatur konstant, manchmal sogar etwas frisch. Zum Laufen optimal.

An der Labestation  ich 42 Kilometer geschafft. Nach einer kurzen Pause passiere ich bereits das 42,5 km Schild. Nicht mal mehr ein Halbmarathon und ich würde bei ungefähr gleichem Tempo eine Zielzeit von deutlich unter 11 Stunden erreichen. Das ist motivierend. Das nun folgende Stück ist einfach zu laufen, denn es geht wellig. Dann kommt das steile Stück bergab vom Gitzenberg hinunter, wo mir vorhin so viele entgegen gekommen sind. Hier ist es einfacher zu laufen als ich  dachte. Ich gebe Gas und bin schnell unten. Hier muss ich warten bis die vielbefahrene Straße frei ist. Ich traue mich nicht kleine Lücken im Verkehr auszunutzen. So schnell kann ich nicht mehr anlaufen. Die Helfer sind nicht berechtigt, den Verkehr anzuhalten.

 

 
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Irgendwann bin ich dann doch drüben. Hier führt die Straße bergauf. Oben in Hinterschroffenau gibt es nochmals Fernblick satt, bevor wir wieder im Wald verschwinden. Ein Helfer sichert einen Abzweig im Wald. Hier ging es vorhin zum Plötzl Wasserfall, jetzt sparen wir diesen Umweg, wir überqueren den Rettenbach oberhalb des Falls. Dahinter geht es nun sehr steil bergauf. Ich spüre, wie meine Beine brennen. Tempo habe ich sowieso keines mehr, aber die hohen Stufen bereiten mir richtig Probleme. Schritt für Schritt komme ich langsam höher. Schöne Ausblicke können da nur wenig entschädigen. Und dann geht es hinunter - aber wie! Es ist extrem steil mit vielen Wurzeln. Mit Rennen ist da gar nichts.

Den Streckenposten mit der roten Jacke kenne ich noch. Er stand bereits heute Morgen an diesem Abzweig. Wir verlassen jetzt die Begegnungsstrecke und es geht schon wieder steil bergauf. Über mir, hoch oben, kann ich zwei Läuferinnen erkennen. Wie sind sie so schnell da hinauf gekommen?  Es ist einfach furchtbar steil. Kleine Serpentinen erleichtern zwar den Aufstieg, trotzdem geht es unglaublich schroff nach oben. Von hier soll man einen tollen Blick auf den Watzmann haben. Ich ignoriere das jetzt mal, es geht nämlich genauso steil wieder hinunter. Dazu ist der Untergrund lose durch die vielen Läufern vor mir. Trotz guter Trailschuhe finde ich keinen Halt und setze mich unsanft auf den Hosenboden.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Vorsichtig und immer wieder abstützend, erreiche ich irgendwann das Tal und das Schild mit der Aufschrift 47,5 km. Auf den letzten 5 Kilometern habe ich unglaublich viel Zeit und Nerven liegen gelassen. Leise schimpfend laufe ich an. Es ist schließlich gerade mal flach. Die Freude währt aber nicht lange, denn es geht erneut bergauf. Ein Mountainbiker kommt auf dem geschotterten Weg angeflitzt und Monika, Nordic Walkerin vom Scenic Light, überholt mich. Ich hab keine Lust und keine Kraft mehr.

Wir verlassen den Wald, und es geht weiter bergauf. Oben pfeift zwar der Wind, aber die Rundumsicht ist phantastisch. Häuser stehen mit unverbaubarer Aussicht am Hang. Ein Wiesenweg bringt uns in den Wald zurück. Es geht wieder bergauf. Von hinten kommen schnelle 100 km Läufer. Wir wechseln ein paar Worte. Sie scheinen frischer als ich. Die letzte Labestation steht vor km 52. Ich bin platt. In toller Aussichtslage mache ich mit Bier und Frischkäsebrot ausgiebig Pause. Von hier aus kann man gut sehen, wie es weiter geht. Es scheint flach zu sein.

Noch 10 Kilometer. Ich bedanke mich bei den Helfern und mache mich weiter auf den Weg. Laufen geht noch, wenn auch langsam. Die Straße mündet in einen Schotterweg im Wald. Dieser geht nahtlos in einen steilen Bergpfad über. Hier wird es wieder so steil, dass sogar hölzerne Leitern in den Boden eingelassen sind. Und dann bin ich oben. Die Aussicht ist überwältigend: unter mir liegt im Dunst die Stadt Salzburg.

Leider kann ich den Augenblick nicht genießen, denn ich sehe das Schild mit dem Streckenhinweis. Hier kann ich unmöglich weiter. Rechts geht es tief und fast senkrecht hinunter und links ist Fels. Wer Lust hat, kann sich gerne einmal im Internet ein Bild vom Nockstein anschauen: eine 200 m hohe Felswand vor den Toren von Salzburg. Und da stehe ich nun oben und weiß nicht weiter. Ich gehe ein paar Schritte in Richtung des Pfads. Nein, das geht überhaupt nicht. Gott sei Dank schickt mir der Himmel nun Andreas, ein 100 km Läufer. Er geht langsam voran und bietet mir sogar seinen Stock als Hilfe an. Nur so überwinde ich das 10 m lange Stück. Ich bedanke mich bei ihm und gebe ihm seinen Stock zurück. Wie der Wind flitzt Andreas weiter nach unten.

Mit zittrigen Beinen wandere ich hinterher. Doch die Sache ist noch nicht zu Ende. Es geht erneut extrem steil bergauf und wieder jäh bergab und wieder bergauf. Dann über einen Grat zu einem Felssporn. Mir schwant Übles. Doch dann führen tatsächlich noch vor dem überdimensionalen Stein Stufen hinunter. Das schaffe sogar ich. Das steile Gefälle will aber kein Ende nehmen und manchmal verliere ich den Pfad, so dass ich mich von Fahne zu Fahne orientieren muss. Eine Gruppe Wanderer kommt von unten. Sie zollen Bewunderung und warnen mich vor dem Abzweig der jetzt kommt. Da ist vorhin eine Läuferin wohl falsch abgebogen und zu früh Richtung Tal gelaufen.

Ich passe auf und erkenne schnell, dass man in einer Kehre den Berg hinauf muss. Erleichtert stapfe ich meiner Wege. Hinunter geht es dann in einer Art Rinne. Ich versuche vorsichtig anzulaufen. Der Boden ist mit altem Laub bedeckt. Man kann den Untergrund nur erahnen. Dann muss ein trockenes Bachbett überquert werden. Hier gibt es keine Brücke. Also hinunter klettern und auf der anderen Seite wieder hoch. Dort gibt es Gott sei Dank eine Leiter. Der Weg folgt einem anderen ausgetrockneten Bachbett. Es ist übersät mit größeren und kleineren Steinen. Zum Laufen ist das kein Vergnügen.

 

 
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Zwei Schlachtenbummler sitzen auf der Böschung und feuern mich an. Dann werde ich auf einem Parkplatz mit super Aussicht ausgespuckt. Die Sonne steht schon tief und taucht die Landschaft in goldenes Licht. Eine Straße führt den Berg hinunter. Helfer erwarten mich, um die Straßenquerung zu sichern. Es geht auf einen Wiesenpfad und dann in den Wald. Ungefähr 100 Treppenstufen abwärts später geht es zunächst auf einen Weg und dann erneut auf eine Straße.

Beim 57,7km Schild mache ich ein Bild von Franz aus Rumänien. Er ist auf der kurzen Strecke unterwegs, aber nicht minder stolz. Ein Anwohner bietet Trockenobst für die letzten 4 Kilometer - danke. Auf dem kleinen Weg erreiche ich die Nordic Walkerin Monika, die mich vor Stunden überholt hat. Wir gehen das Stück im Stadtgebiet gemeinsam. Sie weiß scheinbar nicht, dass wir noch auf den Kapuzinerberg hinauf müssen. Ein Helfer bietet Wasser an und leistet uns Gesellschaft, weil wir an einer roten Ampel warten müssen. Dann gibt es am Fuße des Kapuzinerberges tatsächlich noch eine Getränkestation. Leider ist nur Wasser im Angebot, ein Bier wäre mir jetzt lieber. Die Jungs vertrösten mich aufs Ziel.

Zum Kapuzinerberg gibt es verschiedene Aufstiegsmöglichkeiten. Wir kommen von Osten, so dass der Doblerweg, die naheliegenste Variante darstellt. Zunächst geht es einfach nur bergauf. Hier befindet sich das km 10 Schild des City Trails. Es folgen Beton- und dann Naturtreppen, mal mit und mal ohne Holzgeländer. Von hinten kommen die Hunderter mit schnellen Schritten. Plötzlich werde ich angerufen: „Ich komme schon wieder; ich bin der mit den Stöcken!“ Tatsächlich kommt Andreas, mein Retter vom Nockstein, von hinten. Er hat sich zweimal verlaufen. Das ist aber kein schöner Dank für seine gute Tat. Er tut mir echt leid.

Ich bin froh, als es endlich flacher wird. Mittlerweile ist es im Wald schon ganz schön duster. Eine große Mauer taucht vor uns auf. Es handelt sich um die Rückseite des Franziskischlössl s, einem ehemaligen Wehrbau und Teil der Festungsmauer. Das Schlösschen diente 1629 im Dreißigjährigen Krieg zur Sicherung der Talenge vom Für-  zum Kühberg. Es ist dem Heiligen Franziskus gewidmet, „auf dass der Frieden am Berg ewiger als ewig andauern möchte“. Wir laufen ein Stück an der Mauer entlang bis zu einer eisernen Treppe. Hier geht es hinauf. Ein Stück weiter kann man das gut erhaltene Gebäude in seiner ganzen Pracht bewundern. Heute ist es ein beliebtes Ausflugslokal.

Weiter geht es auf einem wurzeligen Pfad. Ich muss nun gut aufpassen, die Wegmarkierungen sind teilweise schlecht zu erkennen. Zwischen den Bäumen hindurch geht bereits die Sonne unter. „Oh je nicht schon wieder so eine steiles Stück“, denke ich gerade, da zieht es mir bereits die Füße weg und ich sitze erneut auf dem Hosenboden. Diesmal hat es die Kamera und meinen rechten Ellenbogen voll erwischt. Ich beschließe, weil ich eh schon sitze, das restliche Stück hinunter zu rutschen. Da höre ich hinter mir einen Läufer anrauschen. Ich kann noch rufen „Vorsicht bitte“, da legt es ihn gleichfalls hin. Er springt jedoch schnell wieder auf, erkundigt sich, ob es mir gut geht und schlittert weiter talwärts. Ich hab dann auch das steilste Stück hinter mir und kann mich vorsichtig aufrappeln. Der Fotoapparat ist völlig verdreckt und mein Arm blutet. Hoffentlich ist der Kamera nichts passiert.

Ich erreiche die Treppen, von denen ein Helfer meinte, hier müsse man besonders aufpassen. Ich versuche die unebenen Stufen seitwärts zu umgehen und benutze sie erst auf dem letzten Stück. Als sich vor mir die Kapuziner Klosterkirche aufbaut, weiß ich, dass das Schlimmste definitiv geschafft ist. Ich genieße noch kurz einen Blick auf den Sonnenuntergang über Salzburg und laufe dann die Imbergstiege hinunter und lande in der historischen Steingasse. Streckenposten weisen mich rechts zum Platzl in Richtung Staatsbrücke.

Ich bin richtig geschockt über die vielen Menschen, die es sich hier gut gehen lassen, während ich doch seit Stunden durch pure Wildnis laufe. Eine Helferin nimmt mich an der Ampel in Empfang. Endlich über die Staatsbrücke laufen. Ein anderer Helfer wartet bereits. Er weist mich in eine Unterführung. Ein letztes Mal Treppen. Erst hinunter dann wieder hinauf. Wieder ein Streckenposten, diesmal werde ich in die Fußgängerzone gelotst. Die Getreidegasse, eine der schönsten Straßen in Salzburg, erwartet mich.

 

 

Ich bin desorientiert, überfordert von den vielen Eindrücken. Wohin muss ich? Passanten rufen schnell: „Hier links“. Dann kann ich in der Menge der Gesichter unsere Tochter Laura erkennen. Sie eskortiert mich das letzte Stück zum Residenzplatz. Hier sind ein großes Zieltor und ein stimmungsvoller Zielkanal. Im Augenwinkel erkenne ich Joe. Ich kann nicht mehr winken. Unter dem Zieltor wird ein Foto gemacht mit Zielzeit (12h04). Das Foto bekommt man zusammen mit seiner Medaille beim Abholen des Dropbag.

Norbert hat ein Bier für mich. Ich bin einfach nur platt. Im Verpflegungszelt gibt es noch mal das volle Programm. Wir gratulieren uns gegenseitig. Norbert war in super Zeit im Ziel, Laura ist geschafft, aber auch glücklich.

 

Fazit:

 

Ich habe heute meine Grenzen aufgezeigt bekommen. Mir fehlt, von meiner Höhenangst ganz abgesehen, die Technik und die Übung,  um so schwere Trails zu bewältigen. Den Hunderter hätte ich nie geschafft. Ich denke auch, dass für langsamere Läufer aller Wettbewerbe eine Stirnlampe zur Pflichtausrüstung gehören müsste, denn hinter mir waren sogar noch Läufer des Scenic light (30 km Lauf), die im Dunkeln auf dem Kapuzinerberg waren.

Ansonsten ist die Strecke beim Scenic Ultra eine gelungene Mischung aus anspruchsvollem Trail und wunderschöner Landschaft zum Genießen.  Wobei ich die schweren Abschnitte lieber in der ersten Laufhälfte hätte.

In jedem Fall gibt es, wie erwartet, tolle Verpflegung und super nette Helfer. Ich hatte mit der Streckenmarkierung keine Probleme. Wie die Strecke bei Regen aussehen würde, will ich mir nicht vorstellen.

Der Mozart 100 ist meiner Meinung nach auf allen Strecken nur für geübte Trailläufer. Die schwierigsten Stücke befinden sich auf den letzten Kilometern, die alle Läufer zu bewältigen haben. Wobei ich natürlich nicht auf dem Mittelteil beim Hunderter war, der ja noch 2500 Höhenmeter zusätzlich aufweist. Aber das ist ja das Schöne am Laufen: Jeder kann seine Erfüllung finden; nur halt nicht bei jeder Veranstaltung.

 

 

Informationen: Mozart 100
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