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27.05.11 - Grand Raid Reunion

Grand Raid de Reunion - Momentaufnahmen

Freitag, den 22.10.  18.55 Uhr nach 82 km und 5100 HM

Vor der Hütte ein beleuchtetes Zelt, die Kontrollstelle, davor eine kleine Warteschlange, 2 Läufer vor mir, ich glaube es kaum, steht Diddi, er war am km 50 fast 2 Stunden vor mir. Hat am Aufstieg viel Zeit gelassen. Zusammen stärken wir uns mit Nudelsuppe, Bananen, Salz, Wasser und Kaffee. Wir zittern vor Kälte und Erschöpfung. Ich ziehe alles an, was der Rucksack hergibt. Trotzdem zittre ich noch am ganzen Leibe, außerdem tun Oberschenkel, Füße und Sohlen weh.

Diddi macht los, ich kurz danach auch. Bin ganz steif, muss mich erst etwas warm laufen. Verlasse die Hochebene. Jetzt geht es steil bergab. Der gefürchtete Abstieg nach Cilaos. Bin beim Abstieg sowieso doppelt vorsichtig. Bergab fällt mir generell schwer, jetzt aber besonders. Will aber noch unbedingt hinunter nach Cilaos, dem großen Basislager mit Ruhemöglichkeit. Dort dann große Pause machen.

Trotz Stirnlampe und nun zusätzlich Taschenlampe geht es nur langsam, sehr mühsam abwärts. Bin schon wieder im dichten Wald. Es ist stockdunkel. Geröll, große Absätze.  Jeder Schritt schwer. Nicht stürzen! Der Abstieg nimmt kein Ende. Werde jetzt öfters von schnelleren überholt. Weiter über Wurzeln und Steine hinunter, es wird wärmer, will aber nicht stehen bleiben, um die warmen Sachen auszuziehen. Quäle mich weiter.

Nun sehe ich ständig am Rande meines Lichtkegels hinter den beleuchteten Bäumen und Schlingpflanzen fahlgraue Wände, wie von Garagen. Ich weiß, dass das ein Trugbild ist und schaue nur noch auf den Boden. Aber sobald der Blick höher geht sind die Garagenwände wieder da- ich glaube ich spinne. Gelände immer noch steil und schwierig. Beginne zu schwitzen, so anstrengend ist der Abstieg. Habe noch die Handschuhe und das Fließhemd an, will aber immer noch nichts ausziehen. Nur weiter. Nur nicht stehen bleiben.

Wieder die verdammten Garagen! Endlich höre ich von tief unten Stimmen, werden langsam immer lauter. Sehe auch erste Lichter durch die Bäume schimmern. Das muss Cilaos sein. Komme jetzt auf kleiner Ebene durch hüfthohes weiches Gras, Weg ist kaum noch auszumachen. Sehe Lichter, höre Stimmen und Musik. Hoffe gleich da zu sein. Aber der Weg biegt um 180 °  in entgegengesetzte Richtung ab. Es geht wieder weiter bergab, nicht mehr ganz so steil, aber immer noch über Wurzeln, Steinbrocken und  Geröll in Serpentinen am Urwaldhang hinunter. An jeder Kurve die Garagenwände. Nun wieder laute Stimmen und Musik. Sehe auch viele Lichter, viele Menschen die laut rufend anfeuern.

Erreiche endlich die begeisterte Menge – doch nicht Cilaos, nur ein Camp am Fuße des Steilhanges. Bin total frustriert. Asphaltstraße, keine Markierung. Man zeigt nach rechts, bergab. Mache mich auf den Weg, komisch plötzlich wieder auf glattem Untergrund zu Laufen. Spüre jetzt so richtig die schmerzenden Beine, aber ich muss weiter. Laufe ca. 2 km auf Straße bergab. Endlich Häuser, Lichter. Cilaos ist erreicht. Aber wo entlang?

Ein großer Ort. Weg geht kreuz und quer durch den Ort, Strecke unklar. Bin am Ende, alles tut nun weh. Hänge mich jetzt an eine Läuferin, die sich auskennt. Muss unbedingt dran bleiben, es gelingt auch. Beiße die Zähne zusammen, dann endlich, hell erleuchtet – das Stadion. Viel Beifall beim Einlaufen trotz nächtlicher Stunde, ein Blick zur Uhr sagt mir, dass ich fast 3 ½ Stunden für den Abstieg gebraucht habe.

Freitag, den 22.10.  22.50 Uhr nach 90 km und 5120 HM

Bin total erschöpft, aber glücklich in Cilaos. Riesiges Gelände. Große Halle mit Liegen im Durchgang halb im Freien. Eine einzige ist frei, packe den Rucksack drauf, lasse mich nieder, komme zur Ruhe. Beine schmerzen, kann kaum noch laufen. Fange aber langsam wieder an zu frieren. Keine Wolldecke zu kriegen. Entdecke Diddi auf einer Liege schlafend. Versuche bei Massage dran zu kommen. Hoffnungslos. Riesige Wartzeiten. Muss endlich schlafen, will aber erst essen und trinken.

Wo gibt es was? Suche Verpflegungsstände. Muss quer über den ganzen Sportplatz außerhalb des Stadions. Sehe dabei auch noch andere Hallen und Zelte mit Liegen. Alle belegt. Endlich Essenplatz gefunden. Festes Gebäude. Drinnen schön warm. Esse Nudeln mit Hähnchen - lecker, dann Bananen, Weißbrot, Salz. Trinke Wasser und Cola - kein Kaffee da. Schade. Muss schlafen. Zurück zur Liege.

Stadion taghell erleuchtet. Ich friere. Nun endlich Turnschuhe aus, eine Wohltat. Aludecke raus. Endlich liegen. Zittere unter der Decke am ganzen Körper. Beine, Füße und Zehen schmerzen jetzt furchtbar. Denke ans Aufgeben. 90 km sind ja auch weit genug. Kann nicht einschlafen, liege schon eine halbe Stunde, friere immer noch. Eine Sanitäterin bietet mir eine Wolldecke an, bin sehr froh. Plötzlich steht Tommy vor der Liege, er war soeben eingetroffen. Will auch hier schlafen. Neben mir ist jetzt frei. So ein Zufall. Diddi, Tommy und ich dicht beieinander auf den  Liegen. Werde langsam warm. Unbemerkt bin ich eingeschlafen. Wache auf, Blick zur Uhr, habe genau 35 Minuten geschlafen.

Muss zur Toilette, also Turnschuhe an, Decke umgehangen, wieder Suche, wieder quer über den ganzen Platz. Kann plötzlich wieder gut laufen. Fühle mich wieder völlig fit. Es ist unglaublich. Wie ein Wunder.

Es ist nachts ca. 1.30 Uhr. Kein Gedanke mehr ans Aufgeben. Fühle mich wieder voller Kraft und Tatendrang. Also Anziehen. Esse noch Erdnussriegel, gebe Tommy die Wolldecke, fülle die Trinkblase auf. Bin nicht mehr müde. Diddi schläft noch, Tommy will auch bald aufstehen. Gehe los, in die finstre Nacht. Ausgang wird elektronisch gecheckt.

Sonnabend, den 23.10.  1.51 Uhr nach 90 km und 5120 HM

Nochmals Nachfrage, ob ich weiter mache - na klar doch. Weg im Ort nach kurzer Zeit schon wieder unklar. Warte auf weitere Läufer. Warte. Endlich kommen zwei einheimisch junge Kerle, kurzes Gespräch. Hänge mich dran. Versuche dranzubleiben. Bald geht es wieder ins Gelände. Am Einstieg sitzen Kontrolleure und kleben diesmal einen gelben Aufkleber auf die Startnummer und notieren diese.

Wieder steil bergab, am Fluss entlang. Sind ganz schön schnell. Muss wenigstens bergab dran bleiben um Weg nicht zu verlieren. Ich weiß, daß es bald wieder 1300 HM auf über 2000 m Höhe rauf geht. Bergauf ist der Weg klar. Doch noch geht’s immer tiefer hinab. Habe bergab Probleme, aber noch bleibe ich dran. Dann die erste Flussquerung, auf großen Steinen springend über den Fluss hinüber. Verliere die zwei, schließe mich aber anderer Gruppe von etwa 10 Leuten an, welche Probleme bei der Querung hatten. Nach 15 Minuten dann noch mal über den Fluss, ziemlich viel Wasser hier. Helfer mit Fackel sitzt auf großem Stein, beleuchtet die Szene.  Wasser total schwarz. Jemand fällt voll ins Wasser, Geschrei, andere laufen bis zur Hüfte im Wasser gleich so durch. Suche geeignete Steine zum Queren. Springe, turne, Abstände teilweise sehr groß. Muss ausbalancieren. Dabei taucht rechter Fuß halb ins Wasser. Verdammter Mist, Zehen nass.

Bin drüben. Aber nun geht Weg bergauf. Steigung beginnt. Gehe vorsichtig, damit nasse Zehen nicht reiben. Ziehe Jacke und Handschuhe aus. Jetzt also der Aufstieg, komme wieder gut voran, kann viele überholen. Immer wieder führt Pfad jedoch auch bergab durch Talrinnen. Schwierig. Abhang steil. Gott sei Dank, dass es dunkel ist. Laufe ganz nah am Fels.  Bin froh, wenn wieder Bäume kommen. Hoch über mir Lichter, später Stimmen. Der nächste Verpflegungspunkt an der Passstraße ist erreicht, fühle mich gut und stark.

Sonnabend, den 23.10.  4.18 Uhr nach 97 km und 5510 HM

Wieder elektronische und manuelle Startnummernkontrolle wie an jeder Station. Bin doch schon wieder 3 Stunden unterwegs. Fühle mich aber gut. Super Angebot, esse Weißbrot und Nudelsuppe,  endlich gibt es auch wieder Kaffee. Setze mich nicht. Fülle Trinkblase und nach 10 Minuten schon weiter.

Pfad geht steil am Fels hoch. Nur teilweise Bäume und Gebüsch. Steige gut hoch. Überhole. Öfter liegen Läufer in Aludecken am Wegesrand, erschrecke jedes Mal. Berg nimmt kein Ende. Steigen, steigen, steigen. Fühle mich aber trotzdem gut. Jeder Überholte motiviert. Es wird langsam kühl. Bald ziemlich kalt. Ziehe Handschuhe und Fließhemd an. Jetzt müssten 100 km geschafft sein, bin noch im Aufstieg.

Es wird hell. Sonne strahlt schon oben an die Felsmassive. Unten noch duster, seltsame Vegetation- niedrige Bäume mit Vorhängen wie Gespinste behangen. Zauberwald. Pfad jetzt geradeaus und leicht bergab, jogge. Ringsum noch hohe Felsen. Sollte das schon der Aufstieg gewesen sein?

Nein, bald es geht weiter steil im Felsen hoch. Lasse einen hochgewachsenen  Franzosen vorbei, der noch schneller steigt. Doch nach wenigen Metern bleibt er direkt vor mir stehen, ruft nach vorn und hinten zu anderen Läufern, weil er irgend ein Foto machen will. Ich laufe auf und kann nicht vorbei- ich fasse es nicht!  Ich trete zur Seite, lasse den Kerl passieren und zum Dank dafür blockiert er mir dann den Weg. Lasse meinen Frust laut schimpfend raus, schiebe ihn energisch zur Seite und steige mit nur langsam verrauchender Wut im Bauch weiter. Immer höher. Bin nun in der Sonne, sie wärmt sofort.

Unvermittelt nach einer Biegung ist der Grat erreicht, +2080m. Sonne trifft mich wieder. Genieße es einen Moment. Viele sitzen, machen Pause. Herrlich, Sonne, Ausblick, bin nicht müde, sehe tief unten im Kessel Marla - das nächste Etappenziel. Grandiose Aussicht, blauer Himmel. Dort hinunter also. Schaffe den Abstieg bei Licht ziemlich flott, war nicht so schwierig. Unten im Kessel noch ca. 1 km eben dahin, vorbei an verstreut stehenden Häusern bis zum Versorgungspunkt. Knie schmerzen vom Abstieg, jogge trotzdem.

 

Informationen: Grand Raid Reunion
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