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30.09.23 - LechLauf

Premiere im Naturpark Tiroler Lech: Nix für schwache Gemüter

Im Naturpark Tiroler Lech findet heuer die Premiere des LechLauf statt. Der Naturpark Tiroler Lech erstreckt sich vom Lechtal über die gesamte Naturparkregion Reutte. Zentrales Element ist der hier noch wilde Lech. An vielen Stellen noch ungezähmt darf sich der Fluss nach Herzenslust ausbreiten, verzweigen und wieder vereinen und zählt damit als der letzte Wildfluss der Nordalpen. An seinem südlichen Ufer türmen sich die Lechtaler Alpen in die Höhe, auf der nördlichen Seite die Allgäuer Alpen.

In Weißenbach am Lech befindet sich der Event-Mittelpunkt samt Start und Ziel aller Läufe. Angeboten werden ein HauptLauf über 11 km und ein HobbyLauf über 6,8 km, überwiegend geht es hier beidseitig am Ufer des Lech entlang. Die Rennen für die Kinder finden auf dem Sportplatz statt, 1,5 km sind zu absolvieren unter dem Motto: Hauptsache Spaß. Das kommt scheinbar gut an. 120 Kids werden ihre Runden drehen und dabei einige Hindernisse überwinden müssen.

Dazu gibt es noch einen TrailLauf, der steht in meinem Fokus. Hier sind gut 24 km und über 1600 Höhenmeter zu bewältigen, er führt hinauf in die alpinen Regionen der Lechtaler Alpen, bis auf eine Höhe von über 2100 Metern.

Meine Trainingsstrecken befinden sich größtenteils ebenfalls am Lech, aber etwa 130 km nördlicher, hier hat man dem Fluss schon seine Wildheit mit unzähligen Staustufen, befestigten Uferböschungen, Stauseen und Wehren genommen. Um den Lech auch hier wieder in einen besseren, naturnahen Zustand zu bringen, hat das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth das Projekt „Licca liber“ (der freie Lech) ins Leben gerufen, er soll seine Natürlichkeit zurückbekommen. In den nächsten Jahren soll mit dem Umbau begonnen werden.

Um und in Augsburg kenne ich über 50 km Länge auf beiden Uferseiten so ziemlich jeden Weg und Pfad. Daher machen mich die Tiroler Strecken neugierig und nach Studium der angebotenen Distanzen, bin ich der Meinung, dass ich da meinem bereits bekannten Lech-Kilometern noch ein paar neue hinzufügen sollte.

Der Start des TrailLauf ist erst für 11 Uhr terminiert, so kann ich meine 130 km Anreise bequem am Samstag, dem Veranstaltungstag antreten, ohne mitten in der Nacht aufstehen zu müssen. Über Füssen und Reutte kommt man von Deutschland gut nach Tirol. Am Autobahntunnel bei Füssen holt mich die Realität ein und die bedeutet: wir haben am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit vor uns, also sind viele mit dem Brückentag über den Fernpass auf dem Weg in den Süden auf einen Kurzurlaub. Am Tunnel ist Blockabfertigung, so vergehen bereits einige wertvolle Minuten. Ich habe aber einen großzügigen Zeitpuffer eingebaut und mache mir keine Sorgen. Im weiteren Verlauf bis Reutte geht es aber auch nur im Schneckentempo weiter, eine Stunde Zeitverlust ist im Nu durch und mein Adrenalin steigt bereits, lange vor dem Startschuss.

 

 
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Eine halbe Stunde vor dem Start erreiche ich den Fußballplatz von Weißenbach am Lech, zum Glück hat man eine große Wiese als Parkplatz umfunktioniert, so gibt es hier keinen weiteren Zeitverlust mehr. An der Startnummernausgabe herrscht ebenfalls größerer Andrang, weit über 500 Teilnehmer:innen inklusiv der Kinderläufe sind heute am Start. Erst als die Starter des Trails nach vorne dirigiert werden, löst sich meine Anspannung. So kann ich mich 15 Minuten vor dem Start endlich laufbereit machen. Puuhh, das wurde dann doch noch ganz schön knapp.

Zum Start des Trails stehen heute 100 Männer und 32 Frauen bereit. Mit Toni Seewald, dem Sieger des Karwendellaufes vor ein paar Wochen steht u.a. einer der prominentesten dem Moderator zum Interview bereit. Ansonsten herrscht hier kein Stress, wie man es eigentlich bei Trails so gewohnt ist. Ich bin mittlerweile wieder zur Ruhe gekommen und freue mich auf meinen ersten Trailrun nach 14 Monaten Pause. Bergtraining konnte ich so gut wie nicht absolvieren, erst seit 3 Monaten kann ich nach meinem Meniskusriss überhaupt wieder beschwerdefrei laufen. Aber ich bin guter Dinge, mein Knie fühlt sich wieder sehr stabil an und ist mit meiner Form in einem Aufwärtstrend. Die 1600 Aufstiegsmeter sind allerdings ein Pfund, das ich noch nicht so richtig einschätzen kann.

Mit einem Böllerschuss werden wir pünktlich um 11 Uhr losgeschickt. Nach einer kurzen Grasrunde auf der Sportanlage führt unsere Route erstmal noch flach durch Weißenbach. In nördlicher Richtung verlassen wir den Ort und entfernen uns dabei etwas vom Lech. Nach knapp zwei Kilometern ist das Einlaufen beendet, spürbar ansteigend geht es auf einer Forststraße weiter.

Wenig später erreichen wir auch schon die Waldgrenze und den Beginn des ersten bergigen Abschnitts. Der Orchideenleiter Wanderweg legt steigungsmäßig nochmal etwas zu, so sind auf den folgenden drei Kilometern zusätzlich auch etwa 300 Höhenmeter zu bewältigen. Durch den aus Kiefern bestehenden Hochwald bekommen wir jetzt auch erste, schöne Ausblicke auf den unter uns träge dahinfließenden Lech.

 

 
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Nach fast genau 5 km erreichen wir den Ausstieg vom Orchideenleiter Wanderweg auf den Orchideenleiterpfad. Der wunderbar zu laufender Single-Trail führt uns hinunter bis zur Schwarzwasser Straße. Der Name des Steigs rührt zum einen von den vielfältigen Orchideen am Wegesrand, zum anderen von der Zickzackführung des Weges, die an eine Leiter erinnert.

Ich habe natürlich keine Zeit, mich nach Knabenkraut, Waldvögelein und einer Vielzahl von anderen Orchideen umzusehen, die den Steig flankieren sollen. Ich bin alleine schon begeistert von diesem wunderbar weichen Waldboden, auf welchem uns der Steig, in optimalem Gefälle nach unten führt. Da schlägt mein Trailrunner-Herz gleich viel höher.

Die Schwarzwasser Straße führt uns auf Asphalt 1,5 km flussaufwärts zur Hängebrücke Forchach. Seit August 2020 ist die 138 Meter lange Hängebrücke begehbar und bildet eine weitere Attraktion am Lechweg. Ich bin erstaunt, wie stabil sie ist, selbst im Laufschritt sind fast keine Schwingungen zu spüren. Ich lasse meine Blicke natürlich auch nach links und rechts schweifen, der Lech präsentiert sich hier mit vielen Kiesbänken in seiner natürlichsten Form. So ähnlich stellt sich wohl das Wasserwirtschaftsamt den Flussverlauf mit dem „Licca liber“-Projekt auch bei mir zu Hause vor.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke wartet nach 8 km die erste von drei Labestellen auf uns. Mit Wasser, Iso, Kuchen, Energy-Riegeln, Melonen und Bananen können wir uns für den nachfolgenden Aufstieg präparieren. Und der hat es in sich. Ich habe das Höhenprofil genau studiert und weiß, dass das Kriterium des Trailruns auf mich wartet. Steil und kontinuierlich sind mit den nächsten 5 Kilometern auch 1300 Aufstiegsmeter zu bewältigen. Nix für schwache Gemüter, warnte uns ja bereits der Veranstalter.

 

 
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Erst geht es aber noch einen Kilometer flach durch Forchach, bevor der Aufstieg beginnt. Mit dem Wechsel der Flussseite, siedelten wir auch von den Füssener Alpen zu den Lechtaler Alpen über. Auf einem schmalen Pfad schlängelt sich der Kurs in vielen Kehren durch den Nadelwald nach oben. Schier endlose Serpentinen scheinen kein Ende zu nehmen und es wird auch zunehmend steiler.

Zur Hälfte des Rennens bin ich eigentlich bedient, mir würde es reichen, das fehlende Bergtraining macht sich doch deutlich bemerkbar. Aber hilft ja nix, ich muss weiter. Ich bin allerdings auch nicht der Einzige, dem dieser kräftezehrende Uphill schwerfällt, den einen und die andere kann ich sogar passieren, überholt werde ich von niemanden und da sind noch einige hinter mir.

Nach 13,5 km erreiche ich auf 1800 m Höhe die zweite Versorgungsstation am „Älpele“. Der Standort der Hütte liegt jetzt außerhalb des hohen Baumbestandes und wir können die Sonne genießen. Ja klar, alles ok, antworte ich dem Bergwachtler. In meinen unzähligen Trails war ich schon öfters in solchen Situationen und weiß, dass ich mich auch wieder erholen werde. Nach weiter oben ist uns an der VP die Sicht versperrt, so kann ich nicht ausmachen, wie weit es wirklich hinaufgeht, ich hoffe wir sind bald durch.

Relativ eben führt unser Weiterweg rechts an der Hütte vorbei durch einen Kessel, bevor er wieder ansteigend in eine Latschengasse links abdreht. Die 500 Meter lange, nur leicht ansteigende Traverse über einen Schuttabschnitt bringt wieder etwas Erholung. Jetzt wird endlich auch der Blick nach weiter oben frei. An meinen Vorläufern kann ich erkennen, wo unser Trail verläuft. Ich hatte insgeheim gehofft, dass wir es bald geschafft hätten, aber Pustekuchen, da ist noch etwas an Arbeit zu verrichten.

Die Vielfalt des geologischen Aufbaus der Lechtaler Alpen bringt eine große Artenvielfalt in Flora und Fauna mit sich. Während wir jetzt auf grünen Almmatten nach oben ziehen, liegen nördlich von uns schroff abfallende Felswände und zwischendrin die Mahdspitze (1992 m), die wie ein steiler Zahn emporragt. Von verschiedenen Positionen können wir den fotogenen, hellen Felsgipfel mit seinen rundlich bewachsenen Grasflächen bewundern.

In einem Kar zwischen dem auf seiner Nordseite komplett grasbedeckten Gipfel der Schwarzhanskarspitze und der tiefer liegenden Mahdspitze erreichen wir nach 15 km den höchsten Punkt des Tages auf etwas über 2100 m Höhe. Ganz lapidar ist er für uns nur mit einer im Wind flatternden Wegmarkierung gekennzeichnet.

 

 
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Auf einem meist grasbedeckten Grat mit herrlichem Weitblick führt unser Trail wellig Richtung Schartenberg, wo wir immer wieder auch schöne Tiefblicke hinunter zum Lech geboten bekommen. Gut zu sehen der Türkisblau glänzende Lechaussee, direkt neben dem Fluss. Er ist ein absoluter Traum für Taucher. Das Naturidyll ist zwar nur rund 6 Meter tief, begeistert aber mit unglaublichen Sichtweiten. Bei guten Bedingungen durchblickt man fast den ganzen See und selbst vom Ufer aus ist der Seegrund komplett einsehbar. Kann man sich sogar aus 2000 Meter Höhe gut vorstellen.

Für meinen Geschmack hätte man ruhig ein paar Fähnchen mehr auf dem Pfad anbringen können, größtenteils muss man sich am niedergetrampelten Gras orientieren. Prompt verlaufe ich mich und weiß nicht mehr weiter, nach unten scheint mir der Weg zu gefährlich zu sein. Ich warte ein paar Minuten, bis eine Läuferin etwa 50 Meter oberhalb meines Standortes auftaucht und frage sie nach dem richtigen Weg. Sie meint, sie sei richtig. Das ging gerade noch einmal relativ glimpflich, mit ein paar zusätzlichen Aufstiegsmetern für mich aus.

Das Gipfelkreuz des Schartenberg, ist das einzige, das wir heute passieren. Auch hier sitzen, wie an vielen anderen Stellen auch, Posten von der Bergwacht und notieren unsere Startnummern. Die Mädels meinen, jetzt geht’s nur mehr abwärts.

Aber die Strecke wird zunehmend technisch anspruchsvoller. Obwohl immer leicht abwärts, fällt mir das Laufen hier sehr schwer, bzw. ich stelle lieber ganz auf hiking um. Ein Fehltritt an den Bergflanken entlang könnte fatal sein, mir ist das zu gefährlich. Über 2 km traversieren wir an den Hängen von Schartenberg zum Hallanderberg, ich stehe mittlerweile ganz schräg in meinem bergseitigen Schuh, was sehr unangenehm ist. Da habe ich wohl die falsche Schuhwahl getroffen, ein stabilerer Laufschuh anstelle meiner leichten Trailschlappen wäre heute nicht die schlechteste Wahl gewesen.

 

 
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Im dichten Wald führen uns die letzten 5 km auf der Nordseite bis hinunter ins Lechtal. Nach 20 km erwartet uns die dritte Labestelle, Noch weitere 2 km führt der Downhill auf Single-Trails durch den Wald, ehe der Schlussabschnitt auf einer Forststraße beginnt. Wir befinden uns jetzt in etwa auf Höhe von Weißenbach, immer wieder kann ich Wortfetzen vom Zielsprecher auf der Sportanlage vernehmen.

Der Schlussabschnitt vereint sich mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Haupt- und Hobby-Laufes, die erst am Nachmittag gestartet sind. Über einen schönen Lechsteg wechseln wir 500 m vor dem Zielbogen auf die andere Lechseite und durch den Ort auf das Zielgelände.

Mit Beifall werde ich von vielen Zuschauern in den etwas verwinkelten Zielkanal geleitet. Als ich nach dem ersten Zielbogen meinen Lauf beende, werde ich aber schnell darauf hingewiesen, dass das Ziel weiter vorne liegt. Erst 100 Meter und zwei Kurven weiter ist es dann soweit, namentlich werde ich vom Zielmoderator angekündigt und beglückwünscht. Von einer jungen Dame bekomme ich die Finishermedaille umhängt. Die habe ich mir härter erarbeiten müssen, als im Vorhinein gedacht. Meine Voraussetzungen waren natürlich auch etwas schwieriger, aber ich bin froh, dabei gewesen zu sein.

Zur Premiere des LechLauf kann ich nur gratulieren, die vielen Teilnehmer und vor allem die tollen und landschaftlich wunderschönen Strecken haben die Erstaustragung zu einem Fest werden lassen, das im Übrigen auch nach den Zieleinläufen noch einige Zeit im Festzelt weiterging.

Der TrailLauf ist nix für schwache Gemüter, so ist er in der Ausschreibung beschrieben und dem kann ich auch unumwunden zustimmen. Anfänger und Rookies sollten eher die Finger davonlassen, dafür sind die Anforderungen zu hoch. Aber für alle anderen bietet er Trailspass pur.

 

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