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20.07.14 - Silvrettarun 3000

Run auf's Kronenjoch

Als wir nebeneinander langsam laufend endlich die 2. Labestation bei der Gampenbahn-Talstation erreichen, ist bereits mehr als eine Stunde vergangen. Er hofft, dass man bei der 2h-Auslegung nicht so streng sein würde. Die Hoffnung stirbt ja immer zuletzt. Ich hingegen rechne mir noch Chancen aus, wenn die Beschaffenheit der Strecke so bleibt wie bisher, also eine mäßig ansteigende asphaltierte Straße.

Zu meiner Überraschung verweilt er länger an der Labe als ich, immerhin werden dort schon am Beginn eines Marathons allerlei Köstlichkeiten angeboten: Vöslauer Mineralwasser, Pepsi Cola, Gatorade, Red Bull in geschlossener Dose, Bananen, Riegel und sogar Gels mit Heidelbeergeschmack.

Aber mein Wunsch erfüllt sich nicht: statt Asphaltbelag ist der Untergrund nun Schotter. Jetzt beginnt also das eigentliche Trailrunning-Erlebnis. Man läuft auf Schotter viel schwerer als auf Asphalt oder einer Tartanbahn. Ich bleibe aber trotzdem zuversichtlich, überhole den einen oder anderen auf dem Abschnitt bis zur Heidelberger Hütte. Nur der deutsche Kollege mit dem Extragepäck stürmt frisch gestärkt an mir vorbei.  Ich schaue nun öfters auf meine Uhr als üblich, die Hütte ist in Sicht, doch wohl noch 3 km weit entfernt, das wären 24 Minuten bei einem Gehtempo. Die Uhr zeigt 9.38. Das wird sich für uns, also alle knapp vor und hinter mir, nicht mehr ausgehen.

 
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Ich überhole nun schon zum zweiten Male eine Läuferin in rosa Sleeves, sie ist abwärts flott unterwegs, fällt aber bei Aufwärtspassagen  wieder zurück. Ich weiß nun definitiv, dass ich erst nach 10 Uhr die Heidelberger Hütte erreichen werde. Der Spruch bei einem Martel tröstet: „ Überall in der Natur, siehst du Gottes Spur. Doch willst du ihn noch größer sehen, so bleib bei einem Kreuze stehen.“

Knapp vor Anja treffe ich 9 Minuten nach 10 Uhr beim ersten Kontrollpunkt ein. Das Band ist hochgezogen, man darf nicht mehr auf den Hard-Trail. Ich hatte insgeheim wie alle anderen Verspäteten auf Nachsicht gehofft. Auch Anja diskutiert mit, sie findet das zeitliche Verhältnis als zu knapp bemessen. Ich lasse die Rennleitung anrufen, OK-Chef Seppi Kurz erlaubt Anja und mir am Telefon, doch noch als Nachzügler ohne Schlussläufer und auf eigene Verantwortung auf die Hard-Strecke zu gehen. Wir müssen die Startnummer abgeben, sind aber überzeugt, auch nach dem Überqueren der Zeitnehmungsmatte um 10 Uhr 20 – solange wurde diskutiert –  vielleicht doch noch die 2. Hürde, nämlich nach weiteren 3 Stunden bei der Jamtalhütte bis 13 Uhr anzukommen, zu meistern. Außerdem interpretiere ich die Zusage, dass  unsere Laufzeit  trotz Verspätung im Klassement aufscheinen würde, zu diesem  Zeitpunkt leider falsch.

Natürlich hätten wir wie alle anderen knapp vor uns und hinter uns von der Option Gebrauch machen können, das Rennen regulär auf der Medium-Strecke fortzusetzen. Der Aufstieg bis zum Ritzenjoch wäre auch leichter gewesen als jener uns noch bevorstehende bis zum Kronenjoch auf fast 3000 m Seehöhe. Doch Anja und ich wollen einen ganzen Marathon laufen, nicht "bloß" 28,6 km.

Jene, die deutlich unter 2 h die Matte überquert haben, liegen inzwischen mehr als 30 und mehr Minuten vor uns. Es wird schwer sein, sie noch zu erwischen. So sind wir beide alleine unterwegs, im Hochgebirge inmitten einer wunderbaren Bergwelt, die im hellen Sonnenlicht erstrahlt. Ich versuche anfangs schneller zu gehen, von laufen kann nicht mehr die Rede sein, doch Anja bleib dran.

Eine Zeitlang gehen wir dicht hintereinander, es geht mitunter z.T. relativ steil ansteigend auf das Kronenjoch hinauf. Sie hat in ihrer Altersklasse im letzten Jahr den Deutschen Meistertitel geholt (180,9 km), in diesem Jahr die Tortour de Ruhr (230 km nonstop) gefinisht und ist erst vor kurzer Zeit von einem Ultralauf aus Chile zurückgekommen. Anja ist im besten (Lauf-)Alter, sieht super aus und ist topfit.  Doch die 2h-Marke konnte auch sie leider wie etliche andere nicht unterbieten.

Ich sehe in der Ferne Gestalten und rufe Anja zu, dass wir nun doch welche einholen werden.  Als wir näherkommen, treffen wir auf eine Gruppe von Bergwandern mit schwerer Ausrüstung, die mit ihren prall gefüllten Rucksäcken für einen Kilometer offenbar eine Stunde benötigen.

 
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Nun kommen wir zu einzelnen Schneefeldern, die zu überqueren sind. Der Schnee ist matschig, ich sinke oft bis zu den Knien ein, die Schuhe bzw. Füße werden nass. Anja liegt etwas zurück, kommt aber näher, als ich knipse. So viele Fotos wie bei diesem Alpinmarathon habe ich eigentlich noch nie gemacht, doch die Landschaft im Hochgebirge ist atemberaubend schön, dass ein wie ich inzwischen degenerierter Städter nur staunen kann.

Wir tauschen die Kameras, sie knipst mich, ich drücke auf den Fotobutton auf ihrem Smartphone. Wir treffen auf eine mobile Versorgungstelle, die Helferin hat noch eine Wasserflasche übrig. Sie ist erstaunt, dass noch zwei Nachzügler auf der Strecke sind, denn auch der Schlussläufer ist schon längst am Kronenjoch.

Die Hitze ist nun auch auf 2600m deutlich spürbar, ich bin durstig und trinke immer wieder Schmelzwasser aus den Schneefeldern, das in kleinen Rinnsalen inmitten von Geröllhaldenhalden seinen Weg nach unten sucht. Anja hat einen Trailrucksack mit geringen Wasservorräten dabei. Sie ist im Vorteil und eilt mir nun aufwärts davon, während  ich öfters stehenbleibe, um durchzuschnaufen und zu knipsen.

Der Trail ist steinig, vereinzelt erblickt man Hochgebirgsblumen, wie z.B. Zwergenzian, Finger- und Leinkraut, weiter unten noch blühendem Almrausch wie wir in Kärnten zur Alpenrose sagen, nur leider kein Edelweiß.

Selbst wenn wir abgesehen von den Wanderer- und Bergsteigergruppen die einzigen auf dem Trail sind, so besteht keine Gefahr, das wir vom Weg abkommen, denn dieser ist bestens mit roten Farbtupfern auf Steinen und manchmal auch in weiß-blau markiert:  Der Aufstieg auf das Kronenjoch zählt zu den beliebten Wanderrouten der Region.

Anja liegt inzwischen mehrere Hundert Meter vor mir. Ich nähere mich einer Frauengruppe, die Rast macht. Man glaubt nicht, wie sehr die dünne Lauft in dieser Höhenlage die körperliche Leistungsfähigkeit verringert. Bei nächsten Mal sollte ich vor so einem Lauf eine mehrtägige Akklimatisierung auf 2200 Meter  vornehmen. So  kommt man drauf, wo weitere Schwachstellen liegen.

Endlich komme ich zu einem Wegweiser. Schreck lass nach, die Dauer bis zu unserem 2. Kontrollpunkt, die Jamtalhütte, wird mit 2 ½ Stunden ausgewiesen. Nie und nimmer würde ich so die Deadline 13 Uhr schaffen, wenn noch ca. 300 Höhemeter bis zum Kronenjoch vor mir liegen.

 
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Um 12 Uhr 15 erreiche ich den Übergang. Dort ruht sich eine Gruppe Bergsteiger aus, die den sehr steilen Aufstieg von der Jamtalhütte aus geschafft haben. Genau hier hätte uns eine weitere Labestelle erwarten sollen, doch es liegt auf der Hand, dass hier niemand mit zwei außertourlichen Nachzüglerin gerechnet hat, die auf eigene Verantwortung trotz Abnahme der Startnummer wissen wollen, ob sie die weiteren Deadlines vielleicht unterbieten können. Ich mache also niemandem einen Vorwurf, dass ich auch beim nun folgenden steilen Abstieg zur Jamtalhütte (2165m) meinen Durst mit eiskalten Schmelzwasser löschen muss.  Die Hitze um die Mittagszeit ist auch in fast 3000 m Seehöhe zu spüren. Immer wieder denke ich dabei an ein kühlendes Bad in Wien in der Alten oder Neuen Donau.

Anja ist mir enteilt, liegt ca. 500 m vor mir. Doch abwärts bin ich in der Regel gut unterwegs, ich komme ihr näher. Auf  einem steilen Schneefeld breche ich ein, stürze und rutsche auf dem Hintern gut 20 m nach unten. Solche Nebensächlichkeiten gehören dazu.

Ich bewundere die mir entgegenkommenden Bergwanderer. Die meisten schwitzen trotz schwerer Ausrüstung nicht sichtbar, atmen nicht hörbar und haben die Kraft, sich im Smalltalk mit mir über den herrlichen Tag zu unterhalten. Nicht nur Marathonläufer, oder  in meinem Fall wohl eher -geher,  haben Kondition, denke ich mir.

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Informationen: Silvrettarun 3000
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