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09.08.15 - Kainacher Bergmarathon

Tragisches Finale

Dank der landschaftlichen Schönheit der Strecke und der professionellen Organisation der Veranstalter haben viele Bergmarathonliebhaber Kainach längst als Fixpunkt in der zweiten Augustwoche in ihrem Kalender eingetragen. Allerdings habe ich mich heuer erst wenige Tage vor dem Lauf registriert, weil ich ursprünglich länger in Orta bleiben wollte, um an der Serie „10 Marathons in 10 Tagen“ zu partizipieren.

Nach nur einem Marathon in Orta ziehe ich es vor, nach Österreich zurückzufahren und am Wochenende wieder in Kainach zu starten. Von unserem Wochenendhaus in Neuberg an der Mürz, eine Gemeinde im oberen Mürztal mit dem berühmten Zisterzienserstift aus 1327, wo im Sommer zahlreiche Kulturveranstaltungen stattfinden, ist das ca. 130 km entfernte Kainach bequem mit dem Auto zu erreichen.

Um 6 Uhr morgens breche ich auf  – über Mürzzuschlag, Bruck auf die S35 bis Peggau, dann weiter ins Geistthal. Auf der kurvenreichen Strecke über die L315 in einer hügeligen Landschaft kann man nicht schnell fahren, sodass ich erst knapp vor 8 Uhr im Zielort ankomme. Eine Stunde vor dem Rennen sind schon fast alle Parkplätze im Nahbereich belegt.  

 
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Am Wege zur Startnummernausgabe treffe ich Leopold „Poldi“ Eigner vor seinem Auto stehend wie immer in seinem persönlichen Laufdress mit der einprägsamen Aufschrift „Eigner Express“. Poldi mögen alle, er ist schon so lange dabei und fehlt auch bei keinem österreichischen Marathon und Ultrabewerb. Zusammen mit den vielen Ultraläufen kommt er auf bald 200 Rennen – voriges Jahr belegte er hier in Kainach mit 5:07:02 den dritten Platz in der Altersklasse M-55 im Rahmen der österreichischen Meisterschaft.

Auch Norbert Millner treffe ich vor der Startnummernausgabe, der zusammen mit seinen Ultraläufen auch den Hunderter schon längst erreicht hat. Norbert ist nur zwei Jahre jünger als ich, aber mit Laufzeiten unter 4 Stunden wie z.B. seinen 3:47 heuer in Belgrad in einer sehr guten Verfassung. Ihm ist eine Zeit auch unter 6 Stunden in Kainach zuzutrauen.

Ich bekomme die Startnummer 78, bei der online-Anmeldung waren knapp über 80 Läufer aus neun Nationen registriert – erfahrungsgemäß erscheinen bei jedem Lauf einige, die sich rasch noch nachmelden. Für 45 Euro erhalte ich ein Startsackerl mit einigen Warenproben und ein Funktionshirt mit einem abgebildeten trapezartigen Logo auf Vorder- und Rückseite, das die Marathonstrecke verdeutlicht. Mit 44 km und 1800 Höhenmeter  ist der Kurs als anspruchsvoll zu bezeichnen. Zusätzlich sind 35 Dreier-Staffeln am Start. Ein Marathonstarter kann gleichzeitig als erster Staffelläufer teilnehmen. Die Anmeldung ist für beide Bewerbe erforderlich, Nenngeld ist nur für den Marathon zu bezahlen. Dazu kommen über 50 Walker, die über eine 20 Kilometer lange Strecke marschieren werden.

Ich bin heuer schon zum dritten Mal dabei, kenne also die “Sitten und Gebräuche“ beim Kainacher Bergmarathon. Dazu gehört, dass der Gemeindepfarrer kurz vor dem Start ein Vaterunser spricht und die Läufer segnet. Viele beten laut mit, jeder hofft für sich das Gute und dass alles Unglück von ihm fernbleiben möge.

Hektik kommt am Start keine auf, ich empfinde die Atmosphäre entspannt. Der Dorfplatz wird erst bei der Siegerehrung ab 16 Uhr 30 zum belebten Treffpunkt werden, wenn Läufer und Zuschauer sich an den kulinarischen Extras erfreuen.

 
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Ich habe Zeit zum Knipsen, stelle mich etwas abseits und verweile nach dem Startschuss noch 20 Sekunden, bis die allerletzten Läufer durch sind. Der hinteren Gruppe schließe ich mich an, gefolgt von den Walkern, die bald hinter uns zurückbleiben.

Die ersten 1 ½ km führen an der Dorfkirche vorbei auf der asphaltierten Landstraße leicht ansteigend in nördliche Richtung. Poldi wünscht mir alles Gute, wir laufen kurz nebeneinander, dann bleibt er etwas zurück.  Das ca. 90 Läufer umfassende Starterfeld ist bald weit auseinander gezogen. Die Walker liegen weit zurück – ich habe schon erlebt, dass Powerwalker mit Stöcken mich bei einem Marathon überholt haben, so geschehen letzten November in Athen 10 km vor dem Panathinaikos-Stadion. Ich musste mich sehr anstrengen, den deutschen Kollegen wieder zu schnappen.

Die Marathonstrecke führt wie in den beiden letzten Jahren von der Asphaltstraße auf eine Wiese. Die Feuerwehr hat die Straße für die Verkehr gesperrt, sobald der letzten Walker durch ist, haben die Autos wieder freie Fahrt. Einige Zuschauer stehen bei der Abzweigung und klatschen. Für mich beginnt der Marathon eigentlich bei dem Wiesenanstieg, weil hier schon die ersten zurückfallen.  In meiner Gruppe läuft niemand die Steigung hinauf, alle gehen. Beim Aufwärtsgehen sind aber manche schneller, dazu gehöre ich. So kann ich mich etwas von einer „Verfolgergruppe“, zu der wohl auch Poldi gehört, absetzen.

Nach vielleicht 500 m mündet der bergaufführende Wald- und Wiesenweg in eine asphaltierte Straße. Bei einem Bauernhaus steht wie in den beiden letzten Jahren der von allen geschätzte Ziehharmonika-Spieler, der über ein breites Repertoire an steirischer Volksmusik verfügt. Er „spült“ für die Läufer auf, um sie zu beflügeln. Mir ist eher danach zumute, zu verweilen und die Polka als Ohrenschmaus zu genießen. Es ist gut, dass die Tradition erhalten bleibt, denn immer mehr junge Leute bekennen sich zu ihren ländlichen Wurzeln. Die besten Ziehharmonikerspieler gibt es meines Wissens nach in der Steiermark – wie auch das beste Essen. Wenn man selbst schon unter M-60 läuft, sind die Wünsche im Geiste nach Gesundheit und ein langes Leben für den Volksmusikanten ehrlich gemeint.  

 
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Gleich hinter dem Bauernhof beginnt nun wieder die asphaltierte Straße, auf der man abschnittsweise wegen des geringen Gefälles im Laufschritt gut vorankommt. Vor mir in ca. 100 m Entfernung befindet sich ein Läufer, dahinter ca. ein halbes Dutzend. Der Marathonkurs ist mit gelben Bändern an Bäumen  und aufgemalten Pfeilen am Boden gut markiert. Ich versuche etwas zuzulegen, um an den Kollegen vor mir heranzukommen. Bald schon, noch vor der 5 km-Markierung, die ich nach 50 Minuten passiere, erblicke ich weitere Mitstreiter. Mit einem auch aus Wien kommenden spreche ich kurz, es ist sein erster Bergmarathon überhaupt. Er möchte auf den Flachstücken sein Tempo erhöhen und wieder Zeit gutmachen. Ich teile ihm mit, dass es wenige Flachstücke bis zum höchsten Punkt des Kainacher Bergmarathons  geben wird und er – wie ich empfehle  -– am ehesten auf den Abwärtspassagen zulegen kann.  

Die erste Labestation folgt einige Hundert Meter nach der 5 km-Anzeige. Es gibt Qualitätsmineralwasser der Marke Long Life aus der Quelle Bad Radkersburg mit erhöhtem Kalium- und Magnesiumgehalt mit und ohne Kohlensäure, Iso, Riegelstücke und Bananen. Wie immer nehme ich mir zumindest zwei Becher mit, um nicht Zeit beim Stehen zu verlieren, aber das machen auch die meisten Kollegen so. Dennoch bin ich der Gruppe davor näher gekommen und sollte sie spätestens bis zum nächste Kontrollpunkt bzw. der 10 km-Labe eingeholt haben. Aber auch von hinten haben sich einige aus der Nachhut abgesetzt und sind aufgerückt. Nur auf den Flachstücken wird gelaufen, sonst durchwegs zügig marschiert.

Der Kurs verläuft nun auf einem Schotterweg, der bald darauf in einem steil ansteigenden Waldweg führt. Die Jahre zuvor befanden sich an der linken, der Sonne zugeneigten Böschung riesige Ameisenhügel, die aber nun bis auf einem übrig gebliebenen und einem zerstörten verschwunden sind. Mag sein, dass Forst- und/oder Wegearbeiten den Abzug der fleißigen Insektenbewirkt haben. Die zwei Jahre zuvor habe ich mir noch Sorgen gemacht, dass viele Ameisen wohl von den Läufern zertreten werden könnten.

Der ansteigende Waldweg wird immer schmaler und führt bald darauf  zu einer Lichtung. Eine Verbotstafel warnt: „Unbefugten ist das Sammeln vorn Beeren und Pilzen untersagt – nach § 354 ABGB“. Wir haben keine Zeit für die Gaben des Waldes, ich versuche einen vor mir laufenden Typen mit schwarzer Laufkleidung und rotem Trailrucksack einzuholen. Es ist abwärts überraschend flott unterwegs und gewinnt an Boden.

Nun kommt der Kalksteinbruch, auf einer Tafel am Eingang des Stollens sind Lenhart und Petrasch wohl als Eigentümer ausgewiesen. Es gibt auch andere Firmen, die in der Region Calcit abbauen. Von hinten kommt nun der Wiener Kollege nach, der auf den Flachstücken zulegen kann und will, wie er mir sagte. Gemeinsam schnappen wir uns den Trailrunner mit der schwarzen Montur und den markanten roten Rucksack – er fällt zurück.

 
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Auf dem folgendem Anstieg auf Wiesenboden und durch den Wald zur 10 km-Anzeige verdichtet sich das Feld. Ich schließe zu weiteren Läufern auf, auch von hinten kommen einige nach. Ich setze mich etwas von der Gruppe ab und komme als Erster zu der Labe bei der Aiblhütte auf 1450 m Seehöhe.  Mit 1 ¾ Stunden Laufzeit liege ich im vergleichbaren Rahmen wie die Jahre zuvor.

Nun bin ich an der Spitze einer dicht hinter mir folgenden Gruppe von ca. 8 Läufern. Der leicht ansteigende Waldweg führt weiter auf Almboden vorbei an einer Tränke für das Rindvieh, das sich auf der Weide befindet. Es folgt eine ca. 1 km lange Abwärtspassage. Zur Labestation und Zeitnehmung sowie zum Wechsel der Staffelläufer bei der auf 1573m Seehöhe gelegenen Zeißmannhütte sind ca. 100 Höhenmeter zu bewältigen. Ich liege ca. 300 m vor der Gruppe, bisher sind erst 14 km zurückgelegt. Die Halbdistanz sollte unter 3:15 bewältigt werden, um unter 7 Stunden zu kommen.

Nach einer kurzen Pause an der Labe wird um die Hütte gelaufen, es geht vorbei an den nun eintreffenden Verfolgern einige hundert Meter abwärts, bevor der lange und kräfteraubende Anstieg auf die Roßbachalm zum höchsten Punkt des Marathonkurses auf 1790 m Seehöhe beginnt.

 
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Ich blicke nach vorne, geschätzte 500 m Luftlinie schleppen sich Läufer vor mir den Berg hinauf. Ich nehme mir etwas Zeit, um Heidelbeeren zu essen, die in dieser Höhe auch noch im August zu finden sind. Auf dem Anstieg marschiere ich zügig an einem Pärchen vorbei, das offenbar den Lipizzanertrail erkundet – auffallend sind ihre Rucksäcke mit dem Ironman-Logo. Doch nicht die beiden Hobbysportler auf Sommerfrische knipse ich, sondern die direkt vor mir grasenden edlen Pferde.

Der Kurs führt teilweise auf steinigem Gelände über den langgezogenen Kamm der Roßbachalm. Vor mir befindet sich plötzlich ein Läuferpärchen. Die beiden tragen ein Shirt mit dem Logo der österreichischen Apothekervereinigung. Als die Frau stehen bleibt, um einen Stein aus dem Schuh zu entfernen, bewege ich mich an ihnen vorbei, andeutend, dass sie mich bald wieder schnappen werden, schließlich ist es ihre Hausstrecke. Hier ist der Kurs übrigens nicht ungefährlich, nur zu leicht kann man bei einem Stein hängenbleiben oder auf Geröll abrutschen und sich verletzen.

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