100 km Trailrunning wo es eigentlich keine Berge gibt
Samstag 20. April 2013, Imstenrade bei Heerlen in Zuidlimburg, Niederlande. Das Wetter ist kühl aber trocken. Das ist gut, wenn man diesen Trail unter die Füße nimmt. Ich bin hier schon 2 x die „Bambinistrecke“ über 60 km gelaufen und weiß genau, auf was ich mich einlasse. Bei Regen ist es noch viel härter.
Der Name des Laufes sagt eigentlich schon alles: Limburgs Zwaarste heißt "der Schwerste von Limburg" und das bedeutet Trailrunning pur.
Im Namen stecken auch schon die 2 Haupt-Elemente dieser Veranstaltung:
1. schwer: knapp 101 km mit 3.192 Höhenmetern
2. Limburg: Eigentlich die südlichste Provinz der Niederlanden, ab hier wohl eher das alte Herzogtum Limburg, denn man läuft durch alle 3 Länder in denen das Herzogtum lag, Niederlande, Deutschland und Belgien
Start war in der Nähe von Heerlen in Zuid-Limburg. Zuid-Limburg ist der südlichste Teil der Provinz Limburg, zu der außerdem die Regionen Noord-Limburg und Midden-Limburg zählen. Die Region Zuid-Limburg grenzt im Osten an Deutschland und im Süden und Westen an Belgien.
Als Mittelpunkt dieses Dreiländerecks „Niederlande - Deutschland - Belgien“ weist Zuid-Limburg eine beachtliche Vielfalt auf kleinem Raum auf. Die Region erstreckt sich über eine Fläche von circa 661 km², ungefähr vergleichbar mit der Fläche von Köln und Düsseldorf zusammen. Vom östlichsten Punkt, der Stadt Heerlen, bis zum westlichsten Punkt, der Stadt Maastricht, sind es circa 24 km.
Den Norden und Süden der Region trennen ungefähr 40 km. Zuid-Limburg grenzt nur einige Kilometer an den Rest der Niederlande und wird ansonsten von Deutschland und Belgien umgeben. Der wichtigste Fluss der Region ist die Maas. Die größten und bekanntesten Städte der Region sind Maastricht (die Hauptstadt der Provinz Limburg), Venlo, Roermond und Valkenburg.
Der Start ist an einem Sportplatz mit vielen Parkplätzen und sehr kurzen Wegen, sodass es nur ein paar Schritte bis zur Anmeldung sind. Für die 100er Strecke, für die ich mich diesmal entschieden hatte, waren 72 Teilnehmer gemeldet. An der Anmeldung hatte Annemarie Alles im Griff, und die Startnummernausgabe verlief ohne Hektik. Die Teilnehmer erhalten neben einer Photourkunde eine Überraschung, diesmal eine Leuchtweste mit eigenem aufgedruckten Namen und der gelaufenen Strecke.
Am Start gab Willem Mütze, der Organisator (und ganz neben bei mit seinen 1.212 Marathons eine echte lebende Legende), noch die letzten Instruktionen, bevor dann pünktlich um 6 Uhr der Startschuss fiel und es direkt ab in den Wald ging, den wir fortan kaum einmal verließen.
Da es um diese Zeit noch dunkel ist, hatten die meisten Teilnehmer die verpflichtend mitzunehmende Stirnlampe an. Wir starteten gemeinsam mit den 80 km Läufern. Die 60er hatten noch 3 Stunden Zeit, bevor sie sich an unsere Fersen heften konnten. Da ich die Strecken schon etwas kannte, hatte ich mich auch darauf eingestellt, dass ich wahrscheinlich nahe dem Zeitlimit von 16 Stunden finishen würde, was dann auch wieder Dunkelheit bedeutete, sodass ich die Stirnlampe ein zweites Mal brauchen würde.
Der Frühling war in diesem Jahr recht spät dran, es grünte und blühte nur spärlich. Die Sträucher waren noch nicht soweit, was dann aber wiederum bessere Ausblicke auf die Landschaft ermöglichte. Öfters trafen wir an abgelegenen Höfen auf Hindernisse, wie Weidetore (gefühlt mindestens 200), provisorische Brücken und gefällte Bäume, die immer wieder Klettereinlagen erforderten.
Die Strecke war hervorragend gekennzeichnet, auch wenn die kleinen Schilder manchmal etwas schwer auszumachen waren. Aber Willem hatte am Start uns noch mal darauf hingewiesen: "Wer nach 300 Metern kein Schild mehr gesehen hat, ist falsch und sollte wieder zurück laufen." So kamen halt für die meisten Teilnehmer ab und zu einmal ein paar hundert Meter dazu. Leider hatten in diesem Jahr einige „Rabauken“ einige Schilder entfernt, und damit die Orientierung etwas erschwert. Annemarie hatte noch ein paar Tage vor dem Start eine GPS Datei für die Garmin-Geräte verschickt, was sehr hilfreich war.
Wie beim Trailrunning meist üblich, lagen die Verpflegungsstellen recht weit auseinander, so dass man jeweils immer 1 bis 1,5 Stunden überbrücken musste. Daher hatten fast alle Teilnehmer einen Trinkrucksack oder Wasserflaschen dabei. Das hatte der Veranstalter auch vorgeschrieben, sowie ein Handy mit vorprogrammierten Notfallnummern und etwas Kleingeld für den Notfall. Die Verpflegungsstellen waren bestens bestückt. Es gab frisches Obst, Cola, Limo, Wasser, Salzgebäck, Chips, Milchreis, Joghurts und natürlich Limburgse Vlaii (= Reis- und Obstkuchen), eine lokale Spezialität. Einmal kamen wir auch an einem Hinweisschild vorbei, das uns frischen Tee versprach. Dann aber stellte es sich heraus, dass wir doch gerade einen Golfplatz überquerten und uns am 8ten Loch befanden.
Die Verpflegungsstellen waren der einzige Anhaltspunkt, wo man sich kilometermäßig in etwa befand, was jedoch beim Trailrunning auch nicht unüblich ist.
Irgendwo zwischen Kilometer 25 und 30 erreichten wir dann nach einem knackigen Anstieg auch den „Gipfel“ des Vaalser Berges, den höchsten Punkt der Niederlande mit 322 Höhenmetern. Bei schönem Wetter, wie diesmal hat man dort eine tolle Aussicht. Hier steht der etwa 34 m hohe Balduin-Turm (Tour Baudouin bzw. Koning Boudewijntoren), der nach dem belgischen König Balduin benannt wurde. Er befindet sich auf der belgischen Seite, 6 m neben der deutschen und 20 m neben der niederländischen Grenze.
Von seiner Aussichtsplattform, die sowohl per Fahrstuhl erreichbar als auch zu Fuß begehbar ist, bietet sich ein Panorama der Umgebung mit Belgien über Gemmenich zum Hohen Venn und Herver Land sowie das ehemalige Neutral-Moresnet bei Kelmis und Plombières, Deutschland zwischen Eifel und Aachen, den Niederlanden zwischen Heerlen und Maastricht. Das Pendant auf niederländischer Seite ist der kürzlich neu erbaute Wilhelmina-Turm mit Treppenaufgang. Hölzerne Treppen oder ein Aufzug führen nach oben, die Spitze endet 353,5 m über dem Meeresspiegel. Vom "Skywalk" hat man eine gute Aussicht, auch durch das Milchglas direkt unter den Füßen. Jetzt weiß ich auch, wofür das Kleingeld gedacht war. Für den Aufzug nämlich (kleiner Scherz). Aber die herrliche Aussicht von oben hat sich wirklich gelohnt.
Die Strecke führte uns auch an alten Wegezeichen, einsamen Raubrittern, viel Natur pur und einigen Stellen vorbei, wo man echt mal den Durchblick hatte. Leider hatte im letzten Jahr irgendein Vandale dem Raubritter die Lanze gestohlen und es war nur noch ein „halber“ Ritter. Aber kürzlich hatte er eine neue Lanze bekommen und seine Ehre war wiederhergestellt.
Ständig war man auf rustikalen, steinigen Trails, die die ganze Aufmerksamkeit erforderten. Einige leichte Stürze waren zwar zu verzeichnen, die aber nicht mit schweren Verletzungen endeten, jedoch einige Teilnehmer aus dem Rennen warfen. Füße und Achillessehnen-Überbelastungen gaben einigen anderen Teilnehmern den Rest. Die Strecke fordert echt Ihren Tribut!
Irgendwann stießen dann die 60km-Läufer zu uns, wir waren ja zwischendurch bereits eine Extraschleife von 20 km gelaufen. Bei km 67 stand die nächste Extraschleife an, diesmal 23 km. Gerade liefen wir los, da kam der Anruf von Willem, jetzt keine weiteren Läufer mehr auf die Schleife zu lassen. Klare Botschaft an uns: Wir waren die Letzten, die noch in der Zeit lagen.
Diese Schleife hatte es nochmals heftig in sich, auch wenn sie recht leicht beginnt. Dann aber blieb sie in meinem Gedächtnis als die Stufen-Schleife haften. Zunächst am Däölkesberg, einer Kreidefelsenformation, wo viele steinzeitliche Werkzeuge gefunden wurden, und dann in Valkenburg aan de Geul, wo wir den Hausberg mit seinem hohen Turm erklimmen durften. Auch hier hätte man fast zum Geldbeutel gegriffen, da es einen Sessellift gab, der sogar in Betrieb war. Wir befürchteten aber, dass die Benutzung mit einer Strafrunde geahndet würde. Also die Stufen hoch. Oben an der Verpflegungsstelle noch mal gut aufgetankt und dann auf der anderen Seite die Stufen wieder runter.
Etwas später schwächelte ich dann doch und ließ Manfred ziehen. Kurz danach kam ich dann doch vom Weg ab und verlief mich. Da ich aber wusste, dass am Eyserbos die nächste Verpflegungsstelle war und dort ein sehr hoher Fernsehmast (o.Ä.) steht, den ich sehen konnte, schlug ich mich dahin durch. Wenig später traf ich dann auch wieder auf Manfred, und wir liefen die letzen 5 km gemeinsam in Ziel.
Wer sind eigentlich „wir“? „Wir“, das sind Manfred Völker aus Sulingen und ich. Bei km 10 traf ich Manfred und seither sind wir die ganze Strecke zusammen. Deshalb ist er auch auf so vielen Photos zu sehen. Vielen Dank nochmals von hier an Dich, Manfred und an Dein GPS, das uns einige Umwege erspart hat.
Oft überlegte man sich, ob man überhaupt noch auf einem markierten Weg befand, denn man konnte nichts außer Bäumen sehen. Aber genau das ist es ja, was man vom Trailrunning erwartet: Natur pur!
Nach 15:30 Stunden erreichten Manfred und ich dann glücklich das Ziel. Im Sportzentrum erfolgte die offizielle Zeitnahme. Wir durfte uns noch ein Photo aussuchen, das auf der Strecke geschossen worden war. Das wurde direkt zu einer Photourkunde verarbeitet, ausgedruckt und uns zusammen mit der besagten Leuchtweste ausgehändigt.
Eine Platzierung gab es zu diesem Zeitpunkt nicht und Siegerehrungen auch nicht, denn Sieger ist hier jeder Finisher. Ich komme wieder!