trailrunning.de

 
 
 

03.05.15 - Peneda-Geres Trail Adventure

Das Monster

Autor: Joe Kelbel

2.Etappe 42 km + 2000 Hm

 

Als ich die Augen aufmache, hängt Moises schon wieder wie eine Fledermaus kopfüber an der Wand. Ich habe es hier nicht nur mit Bekloppten zu tun, die verdienen auch noch ihr Geld mit diesem Schwachsinn! Über Nacht blieb das Fenster offen, es hat reingeregnet, müffelt immer noch, habe noch mehr nasse Klamotten.

Fahrt mit dem Bus nach Silesto. Salva ist mit eigenem PKW unterwegs, er bleibt verschollen, weil er nicht mitbekommt, dass wir schon längst abgefahren sind. Niemand weiss, wo wir hinfahren, es gibt kein Roadbook. Uns stört das überhaupt nicht. Wir vertreiben uns die Wartezeit auf Salva in der einzigen Bar des Ortes. Niemand der Läufer hat Geld dabei. Die  sind wohl das erste Mal auf einem Trail. Gut, dass der Kriegsberichterstatter so erfahren ist.

Christoph le Saux hängt viel mit den drei Singapurianern zusammen. „Chingelings“, so nennen die Portugiesen das lustige Kleeblatt aus Fernost. Einer von denen macht nur die 130 km in 8 Tagen. Es gibt viele unterschiedliche  Wettkämpfe, doch zunächst bleiben wir 35 Kämpfer allein. Nein, wir sind nur noch 33.

Salva bleibt verschwunden, wir laufen mit 1,5 Stunden Verspätung los. Steil geht es die uralten Wege hinauf. Es sind Wege, die noch die Römer angelegt haben. Für mich unverständlich, wie man es anstellte, so riesige Granitblöcke zu Wegen zu verbauen. Portugal muss mal ein reiches, arbeitsames Land gewesen sein. Die Wege werden von uralten Weinstöcken überdacht. Da schwebt Salva an mir vorbei, den Berg hoch. Geiler Laufstil!

 
© trailrunning.de 28 Bilder

In den Dörfern leben nur noch alte Menschen. Rui erklärt, dass die alten Frauen, die alle in Schwarz und mit Kopftuch dort hinvegetieren, ihre Männer irgendwo im Ausland (Gastarbeiter) verloren hätten. Klingt grotesk, könnte stimmen. Der Nationalparkstatus soll zumindest die uralten Häuser erhalten. Mauro hat vor der Krise 3000 Euro verdient, als IT- Mensch. Jetzt zahlt der Staat nur noch 750. Genau das, was dieser Lauf kostet. Er muss jetzt viel laufen.

Für mich gehören diese Berge in eine andere Welt, nicht nach Europa. Später, sehr viel später, wenn ich in Porto die singenden Mädchengruppen treffe, die ihren Uniabschluss feiern, dann ändert sich meine Meinung. Und der Anblick des überdimensionierten Gemäldes von der Eroberung Ceutas,  im Innenbereich des Bahnhofs, aus weissblauen Kacheln gefertigt, ganz große Klasse! Ich liebe Portugal!

Nach 10 km ist Branda da Aveleira erreicht. Ein typischer Ort, dessen Häuser Cardenhas genannt werden, die liebevoll restauriert wurden und in deren Inneren rustikale Möbel aus dem Holz der urigen Eichen zu finden sind. Tische sind aus tonnenschweren Granitblöcken gefertigt.

 
© trailrunning.de 31 Bilder

Die Gegend weist kleine Hügel auf, die mit Granitfindlingen garniert sind. Wasserläufe durchschneiden die vom Stechginster dominierte Landschaft.  Es gibt hier oben ein Restaurant, das örtlich aufgewachsene Steaks serviert, leckere Lammrippchen oder den geräucherten Schinken auf saftigem Maisbrot. Als ich vom VP in das Restaurant abbiege, weil ich Cerveja brauche, ruft Maria vom Versorgungsstand der Wirtin zu, dass meine Getränkerechnung auf Kosten der Organisation geht. Man stellt mir zwei 0,1 Liter Fläschchen Bier auf die Theke! „Mas grande! Bitte!“ 

Hochmoor ist eigentlich etwas anderes, hier gibt es Heidekraut mit Suppe untendrunter, viel Suppe. Hier zu laufen, bereitet mir Schmerzen, denn ich weiss, dass dies ein empfindliches Ökosystem  ist, dass Tier und Pflanze hart kämpfen müssen, um sich in der kurzen Warmzeit aufzubauen. Mit jedem Schritt zerquetsche ich fünf, sechs Kaulquappen,  Futter für Brüder und Schwestern. Oft, sehr oft wird für uns wenige Läufer ein Pfad durch die Pflanzenwelt gemäht. Wir sind Pioniere, nach uns wird dieser Trailverlauf von der Parkverwaltung markiert und als Wanderweg ausgewiesen werden. Oft bleibe ich stehen, mache Selfies von mir, ganz in gelb und der gelben Ginsterlandschaft. Der Ginster ist fies, die Stacheln bleiben in den Schienbeinen stecken, die beginnen zu eitern. Jeden Tag werden wir fünf, sechs namenlose Pässe überqueren, hoch, runter, hoch runter.

 
© trailrunning.de 24 Bilder

Mein Ziel ist Megaco, dort gibt es bis 16 Uhr Mittagessen, das kann ich schonmal abhaken! Melgaco liegt am Rio Minho, durch den die Grenze zu Spanien verläuft. Die Brücken sind original römische Bauwerke. Auf einem Felsen inmitten des Flusses stehen drei Männer und ziehen ein Monster aus einer Fischreuse. Lange noch höre ich das fiese, nasse Klatschen des Knüppels, mit dem die Fischer dem Tier den letzten Segen geben.

Das Wasser ist drohend schwarz, die großen Schilder warnen eindeutig. Glücklicherweise biegen wir in ein langes Tal ab. Links ist ein Abgrund, der jedem von uns das Läuferblut gefrieren lässt. Vor einer alten Mühle ist ein Seil über den Fluss gespannt. Am zweiten Tag ist diese Flussdurchquerung noch ein respektables Hindernis. Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe, nur noch eine Erwähnung wert, weil ich ein Foto geschossen habe.

Im Innenhof der Burg ist unser Ziel. Die Burg (12. Jahrhundert) ist vom ersten ortugiesischen König.  Man fährt mich ins Hotel, eines der Oberklasse. Mit nassen Klamotten setze ich mich an den weiss gedeckten Tisch. Es gibt wieder diese gute, heisse Kohlsuppe mit viel Speck drin. Dann folgt eine knusprig gegrillte Forelle. Die Vorfahren von Steven kommen aus Laubach, vom damals noch nicht vorhandenen Flughafen Hahn. Es gibt Rotwein, dann schalfe ich ein.

 

Informationen: Peneda-Geres Trail Adventure
Veranstalter-WebsiteE-MailHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner
 
Zurück zur Übersicht
 
 
 
 
 

Kontakt

Trailrunning.de
Klaus Duwe
Buchenweg 49
76532 Baden-Baden

07221 65485

07221 801621

office@trailrunning.de