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31.08.13 - Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB)

Das Deutsche Haus in Chamonix


Chamonix, Start UTMB, 16:30 Uhr


Während ich also hier, etwa 30 km hinter mir habe, wird jetzt um 16:30 Uhr in Chamonix die Königsstrecke der vier Läufe des North Face Ultra-Trail du Mont-Blanc, der UTMB gestartet. 2.300 Trailrunner träumen davon, das Mont-Blanc-Massiv auf einer Länge von 168,7 km und 9.800 Hm in maximal 46 Stunden zu umrunden. Wer an diesem Hammertrail teilnehmen will, muss 7 UTMB-Punkte nachweisen, die jeweils zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember des vorhergehenden Jahres durch das Beenden von maximal 3 Läufen auf der mittlerweile schon sehr langen Liste von Qualifikationsläufen erworben werden können.

Nach drei schwierigen Jahren mit vielen wetterbedingten Streckenkürzungen haben die Veranstalter dieses Jahr Vorsorge getroffen, um die Bewerbe in der vorgesehenen Distanz auch durchführen zu können. Es werden Ersatzstrecken für alle Läufe und für jegliche Art von Wetter, fast bis zum Weltuntergang, angeboten. Benötigt wird das heuer glücklicherweise nicht, wir haben Traumwetter und auch in den nächsten Stunden wird es keine unangenehmen Überraschungen für uns geben, so dass CCC und UTMB zumindest wetterbedingt problemlos über die Bühne gehen können.

Um auf Tom wieder zurückzukommen: Der verrückte Hund steht doch tatsächlich an der Startlinie des UTMB, nachdem er schon einen Teil des PTL schon hinter sich hatte. Den Platz  hat er krankheitsbedingt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion übernommen, weil ihn der Abenteuerlauf über 288 km noch mehr als der UTMB reizte. Ob es ein Versehen war, dass er nach der Einschreibung beim PTL nicht aus der Starterliste des UTMB gestrichen wurde, weiß er selbst nicht, aber er wird weiterhin als UTMB-Starter geführt und so tritt er nach kurzem Überlegen auch an.

Neben Tom stehen vom Deutschen Haus noch Axel, Gerald und Marius an der Startlinie. Axel und Gerald sind super in Form und rechnen sich Plätze weiter vorne aus. Fast täglich sind sie noch in dieser Woche die Berge hinauf gelaufen, während unsereins in solchen Fällen mehr Wert auf Erholung legt. Für Marius geht es mehr um das Durchkommen, vorerst soll es der Abschluss seiner Laufkarriere sein. Knieprobleme zwingen ihn dazu. Im Centre Sportif konnte man sich vorab vom Veranstalter professionell Kinesiotapes anlegen lassen. Nachdem er gesehen hatte, wie intensiv die Physiotherapeuten die jeweiligen Extremitäten unter die Lupe nahmen, ließ er es lieber sein. Nicht dass sie ihm noch den Lauf verbieten.


La Fouly, km 42 – Zeitlimit 10:30 Stunden


Durchgängig bis zu seinem höchsten Punkt auf 2.537 m ist der Grand Col Ferret grasbewachsen ohne sonstigen Bewuchs, er wird lediglich von kleineren Felsbändern durchzogen. So stellen sich uns keine unangenehmen Hindernisse in den Weg. Aber der Pfad hinauf ist steil und nur langsam und mühsam winden wir uns auf Serpentinen nach oben. Entschädigt werden wir aber mit einer grandiosen Landschaft. Mir gefällt besonders der Kontrast der grünen Wiesenflächen zum gegenüberliegenden steinigen Hochgebirge mit seinen schneebedeckten Gipfeln. Ein Gletscher präsentiert uns aus nächster Nähe seine weit herunterfließende weiß-graue Gletscherzunge. Ein Blick zurück öffnet uns das gesamte Val de Ferret und dazu strahlt ein weiß-blauer Himmel, der seinesgleichen sucht. Es scheint, als würde das Wetter in diesen Tagen all jenes wieder gut machen wollen, was es bei den vergangenen drei Austragungen versaut hat.

Nachdem meine Startnummer gescannt ist, muss ich mir dringend eine dünne Jacke und ein trockenes Stirnband überziehen. Am späten Nachmittag sind die Temperaturen auf der Höhe bereits wieder deutlich gesunken und es pfeift uns ein kalter Wind um die Ohren.

 
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Die Hälfte der Höhenmeter und unserer Kilometer durch Italien haben wir am Gipfel hinter uns, ein elend langer, fast 20 km  Abwärtslauf mit 1.500 negativen Höhenmetern liegt vor uns. Unterbrochen wird der Downhill im Chalet-Dorf La Fouly. Es gehört schon zur Schweiz. Über den Gipfel des Grand Col Ferret verläuft die Grenze. Anfangs fällt es mir noch schwer, wieder einen vernünftigen Laufrhythmus zu kommen, aber der nicht übermäßig steile Anfangsabschnitt begünstigt meine Laufbemühungen. Nach der Alpe La Peule werden die Pfade wieder steiler und anspruchsvoller.

Kurz vor 19 Uhr treffe ich an der großen Versorgungsstation in La Fouly ein. Mir bleiben zum Zeitlimit etwa 45 Minuten. Ich bin die 9 km, soweit es ging, durchgelaufen, bin jetzt völlig groggy, habe keinen rechten Appetit und würge aber etwas hinunter. Frage mich aber insgeheim: Wie soll ich bloß die verbleibenden fast 60 km noch überstehen? Gerne erinnere ich bei körperlichen K.O.-Phasen immer an den Ausspruch eines bekannten Ultraläufers: „Es wird nicht immer noch schlimmer, sondern irgendwann geht es auch wieder aufwärts.“ Aber wo soll die Kraft heute herkommen, wo ich mich doch schon von Anfang an nicht so besonders fühle?

Ich verbringe nur ein paar Minuten im Zelt, bräuchte eigentlich wieder eine anständige Pause. Weil ich aber noch möglichst lange im Hellen auf der Strecke verbringen will, haue ich schnell wieder ab. Beim Verlassen der Station kann ich in einer anderen Ecke des Zeltes gerade noch Bei entdecken. Ich habe es aber eilig, auch weil die Zeit drängt. In Champex werde ich mir aber diese Auszeit genehmigen, daher benötige ich ein Zeitguthaben. Also: Hurry up!

 
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Champex-Lac, km 55 – Zeitlimit 13:45 Stunden


Mit mäßigem Gefälle geht es weiter, durch den Wald und entlang des Flußbettes der Dranse de Ferret. Steinig und unangenehm ist der Weg, obwohl er sehr flach ist. Ich bin noch steif und kaputt, komme nicht so richtig in die Gänge. Es wird langsam dämmrig. Kurze Aufstiege sind jetzt auch dabei. Wir laufen oberhalb des Flusses an der Bergflanke entlang. Es läuft wieder besser. Die Strecke ist schön am Hang und der Trail auch wieder angenehmer zu laufen. Ein letztes steiles Gefälle und ich erreiche eine Straße. Eine große Gruppe Schlachtenbummler feuert mich an. Es ist schon verdammt dunkel. Ich habe auch noch meine Sonnenbrille auf, die muss gewechselt werden und die Stirnlampe muss raus.
Weiter geht’s. Alles im Laufschritt. Es läuft wieder.

In Praz de Fort haben die Einwohner eine private Station errichtet, es gibt auch guten, starken Kaffee. Dürfte ich diesen überhaupt annehmen laut Reglement? Egal, hier sind keine Ordnungskräfte und dazu ist es dunkel. Wunderschöne alte Holzbauten gibt es im Ort zu sehen, leider ist es kuhdunkel. Immer noch geht es leicht abwärts. Die Einwohner sind freundlich, immer wieder stehen welche an der Strecke und feuern uns an, ausnahmslos mit dem Vornamen. Steht groß auf unserer Startnummer.

In Issert ist der tiefste Punkt erreicht, wir müssen die Straße überqueren, noch ein Abschnitt im Flachen, dann ist es vorerst vorbei mit Laufen, es geht wieder aufwärts. Elend lang zieht sich der Aufstieg mit 450 Hm nach Champex-Lac hin. Um 21:40 Uhr erreiche ich das riesige Versorgungszelt. Beim Eintreten trifft mich fast der Schlag. Es geht zu, wie auf der Wies‘n in München. Musik, Lärm und unglaublich viele Menschen.

Neben dem Eingang ein Stand für die Ausrüstungskontrolle. Ich habe Glück und bleibe davon verschont. Daneben ein Tisch für den Busrücktransport …falls man Aussteigen will. Ich bin völlig down, sehr verlockend, aber keine Alternative. Ich gebe mich nicht geschlagen. Habe nach meiner günstigsten Rechnung ein Zeitpolster von 1:30 Stunden und die werde ich ausnützen. Die Zeit-Barrieren haben aber auch immer neben der Laufzeit eine Uhrzeitgrenze, in der die um 15 Minuten verspätete Startzeit nicht eingerechnet ist. Dazu kommen noch die 10 Minuten Zugabe anhand der kurzfristigen Streckenverlängerung. Auch hier sind die ausgehängten Kilometerangaben noch nicht auf dem aktuellsten Stand. Dadurch bin ich immer etwas verunsichert ob der genauen Durchgangszeiten. Nach der ungünstigsten Rechnung ist es nur eine gute Stunde.

Pasta und alles Mögliche wird angeboten, ich habe keinen Appetit. Mit einer Nudelsuppe und Kaffee verziehe ich mich in eine Ecke dieses für mich ungemütlichen Ortes. Mir herrscht in dieser riesen Station einfach zu viel Trubel. Nach nur 10 Minuten sitzend fange ich an zu frösteln. Leider gibt es für den CCC keine Möglichkeit, Drobbags zu deponieren, so muss jeder Wechselkleidung selber mitführen und auch wieder weitertransportieren. Es sei denn, er hat eine/n Begleiter/in dabei. Champex-Lax ist eine der offiziellen Betreuungszonen, wo Personen mit Assistenz-Ticket Zugang erhalten.

Für mich trifft das leider nicht zu, aber ich habe genügend Ausrüstung dabei, um jetzt auf lange und trockene Bekleidung zu wechseln. Ein Problem bekomme ich erst morgen Vormittag, wenn die Sonne wieder vom Himmel brennt. Dann habe ich nur die Wahl, meine nassen, kurzen Klamotten wieder anzuziehen oder mit den warmen bis ins Ziel zu laufen.

 
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Nach einer Stunde Erholung mache ich mich wieder auf den Weg. Am Gang sitzt Bei mit einem Teller Nudeln. Ich freue mich sie zu sehen, sie ist wirklich zäh. „Good luck“. Ich muss mich im Zelt erst durchfragen, wo es weiter geht. Hinunter zum Lac von Champex, vorbei an den Bussen, die die Aussteiger nach Chamonix zurückbringen. Es sind viele, der Bus ist gerammelt voll. Es geht wieder leicht aufwärts am See entlang. Wo sind meine Stöcke? Verdammt, die stehen noch im Toilettenwagen. Nochmal zurück, hinauf zum Zelt. Wenigstens stehen sie noch, aber wieder einige wertvolle Minuten eingebüßt.

 

Informationen: Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB)
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