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11.07.15 - Bärenfels Sommer Trail

Der do - wo die da - den da…

Autor: Joe Kelbel

Das Gebiet zwischen Hunsrück und Saarland ist sprachlich gesehen stark zersplittert. Hier laufen mehrere Sprachgrenzen durch, die teils zum Rheinischen, teils zum Moselfränkischen gezählt werden. Durch die Auswanderung im 19. Jahrhundert ist ein hunsrück-pfälzischer Dialekt in zwei brasilianischen Bundesstaaten Amtssprache, das Riograndenser Hunsrück.

„Der do, wo die da, den da…“ ist das, was man hier im Bärenfeller-Land spricht und bezeichnet den Bärenfelsultra. Durch die Verwendung vieler Artikel erreicht man eine Betonung des Gesagten, und das ist nicht ohne.

Während des Laufes stosse ich überraschenderweise auf vieles, das gesagt, aber nie geschrieben wurde. So bin ich „der da wo dies“ sortiert, während ich 65 km mit 2000 Hm laufe.

Wir beginnen auf dem Gelände der OIE AG, in Hoppstädten- Weiersbach, unserem Parkplatz. Die Firma gehört zu RWE, ist ein Biomasse-Heizkraftwerk, in dem Holzschnitzel zu Strom und Wärme werden. Die Wärme brauchen wir heute nicht, aber den  Kochgeschirrhersteller Fissler, der nebenan seine Fabrikationsgebäude hat. Hier werden aus Edelstahl Pfannen gemacht. Über die Hälfte des Umsatzes erziehlt die Firma durch den Verkauf von Woks nach China. 150 chinesischen Familien wohnen mittlerweile oben in der alten Housing Aerea der Amerikaner und kopieren Produkte, was das Zeug hält.

Währenddessen  liegen die in China bestellten Finishermedaillien des Bärenfelslaufes noch beim Zoll in Leipzig. Das Grenzgebiet zwischen Saarland und RP ist halt immer noch berüchtigt, der Zoll St Wendel schafft es nicht mehr.  Bevor Fissler entstand, wurden hier aus Edelstahl Achsen für Panzer hergestellt. Die Fima steht auf dem Gelände des ehemaligen KZ´s  Neubrücken.

 
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Zum Startgelände sind es von hier aus 500 Meter, man unterquert die Autobahn, wegen der die Nahe umgeleitet wurde.  Am nördlichen Rand einer großen Wiese fliesst die Alte Nahe, Grenzfluß zwischen Saarland und RP. Auf der Wiese ist das Start/Zielgelände, Abholung der Startunterlagen, Deponie für Kühltaschen. Die Wiese nennt der Volksmund Kempfeswiese, also Kampfwiese, was passt. Mitten durch die Wiese, genau auf der Grenze zwischen den beiden Bundesländern, führt deutlich erkennbar der Westwall hindurch. Erst 1935 kam das Saargebiet zurück ins deutsche Reich.

Oberhalb der Wiese, auf dem Bergpickel, stand einst das Schloß Burg ( 13. Jahrh), eine Raubritterburg. Dem Bischof von Trier missfielen die Machenschaften der Herren, also schickte er ein Heer zur Kempfeswiese. Wilhelm Bossel vom Stein (Oberstein) hörte davon. Er wollte schon immer seinen Machtbereicht Richtung Westen ausweiten. Also wetzte er mit seinem Heer los, um den Trierern zuvorzukommen. Er kam zu spät, der Bischof hatte ganze Arbeit geleistet. Wilhelm liess wütend die gesamte Burg abtragen, fast jeden Stein, erbaute damit die Burg Nohfelden (Nahefelsen, 1285), von der der Bergfried über unsere heutige Laufstrecke grüßt.

Etwa 15 Ultrakämpfer haben den Frühstart um 7 Uhr genutzt. Frühstarter sind die, die hier auf der Wiese übernachteten und vom lauten Lärm der Aufbauer geweckt wurden. Um 8 Uhr ist offizieller Start. Die Streckenlänge beträgt ca 22 km, die Marathonläufer nehmen also zwei Runden in Angriff, die Ultras drei. Gestartet wird traditionell immer etwas später, dieses Jahr wegen reichlicher Nachmeldungen. So steht ein recht großes Aufgebot auf der Kempfeswiese.

 
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Auf dem Westwall stehend fotografiere ich die Läuferschar, auf RP Seite ein runder Platz, dessen Gräser verdorrt sind. Es ist eine ehemalige Pferdeführanlage, auf Google Earth besser zu erkennen.

Nach wenigen Metern geht es in das Gebiet rund um die ehemalige Schloß Burg. Das ist schon der Bärenpfad, nicht einfach, sehr trailig, es liegen einige größere Steine rum, die Wilhelm Bossel nicht abtransportierte. Die zwei Burggräben machen sichtlich Probleme, sind sehr steil. Sie waren nicht mit Wasser gefüllt, dafür ist das Gebiet zu abschüssig. Man befestigte sie mit Holzpfählen. Jetzt führen Holztreppen hinab und hinauf. Die Läuferschar staut sich hier mächtig, es gibt erste Stürze.

Dann geht es entlang der alten Nahe Richtung Nohfelden . Die alte Nahe ist ein Rinnsal, welches von Grundwasser gespeist und durch Pumpen von der Autobahn ferngehalten wird. Links die Felsen künden von der einstigen Kraft des Flusses. Der Weg ist neuerdings asphaltiert, das freut die Heiligabendläufer, denn es wird keine schmutzige Bescherung mehr geben. Der Weg ist gut laufbar.

 
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Bei km 5,5 gelangen wir nach Nohfelden.  Eine Strasse heisst Zollstrasse, eine andere, auf der wir wenden  „ Im Werdenstein“ und kündigt damit vom einstigen Schloß (1551), das ab 1800 als Steinbruch genutzt wurde und von dem nur wenige Fundamente erhalten geblieben sind. Hier ist der eigentliche Einstieg in den Bärenpfad, ein steiler Trail, dessen Eingang liebevoll von einem hölzernen Bären bewacht wird.

Nach einem km ist die Bärenhöhle erreicht, sie ist zugeschüttet. Man sagt, es gab mal einen unterirdischen Gang nach Werdenstein. Das wäre eine technische Meisterleistung gewesen, machte aber Sinn, denn von hier oben war der Weg frei zur Burg Lichtenberg in der Pfalz, die wie Nohfelden dem Grafen von Veldenz, dem Nachfolger vom Wilhelm Bossel gehörte.

Viele Geschichten ranken sich um den Bärenfelsen, gefunden habe ich keine. Zwar haben die Herzöge hier in den Wäldern zwischen Rheinlandpfalz und Saarland Bären, Hirsche und Elche erlegt, aber dass ein Bär auf dem steilen, trockenen Felsen leben würde, ist schlicht und einfach Jägerlatein. Mit der Namensgebung wollte man nur Neugierige von hier fernhalten.

Der Bärenfels ist seit Jahrhunderten strategischer Stützpunkt von Schmugglerbanden. Von hier aus konnte man wunderbar Lichtsignale senden und das Nahetal überwachen. Zuvor Grenzgebiet zwischen Pfalz-Zweibrücken und Trier, kam nach dem Wiener Kongress eine kuriose Grenze zwischen Sachsen-Coburg und Oldenburg zustande, also katholisch und protestantisch. Nach dem ersten Weltkrieg nutzte man den Unterschied zwischen dem starken Franken im Saargebiet und der deflationären Reichsmark in Deutschen Reich, nach dem zweiten schmuggelte man vor allem Kaffee, Schokolade und Zigaretten nach Deutschland.

Hohe Zölle und unterschiedliche Gesetzgebungen, Mangel an Gütern, Strafen und Verbote waren der Grund für Heimlichkeiten. Versteckt wurden die Waren in der Bärenhöhle, die damals sehr viel größer war, um sie dann Richtung Kaiserslautern transportieren zu können.

Dabei ging es nicht um ein Päckchen Kaffe oder eine Stange Zigaretten, Schuggler waren jede Nacht mindestens zwei Mal unterwegs und transportierten 40-50 kg auf einer Strecke von 30-40 Kilometern. Am Sonntag in der Kirche pennten die Dorfbewohner regelmäßig während der Messe ein, weswegen der Pfarrer seine Steuersünder schon mal zur Kasse bat, um eine neue Kirche bauen zu können.

 
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Der Bärenfels (km 7) ist der Höhepunkt der drei Runden, jede Runde hat 650 Hm. Hier oben gibt es reichlich Getränke, Honigkuchen, Kekse, Salzstangen und mehr, dazu einen herrlichen Blick über den Hochwald und das Birkenfelder Land.

Wie beim Bärenfels ist auch der Name „Wolfersweiler“ eher dafür gedacht, Neugierige fernzuhalten. Bei km 12 laufen wir duch den Steinbruch im Nauwald, der nicht besonderes gutes Baumaterial lieferte. Er bietet nur verwitterte Lava, ist seit 30 Jahren stillgelegt. Wenig später geht es durch die heisse Rhyolitgrube, Flurname „Unterm Gebrantenroth“, also gebrannte Rodung. Deswegen ist es hier wohl so heiss. Rhyolit wurde für Keramik genutzt, die Qualität war aber bescheiden, der Abbau 1970 eingestellt.

Bevor ich zum VP bei km 14 komme, besichtige ich die Hügelgräber, für Fotos zu zerfallen. Sie wurden, bevor sie 1844 untesucht wurden, schon von Raubgräbern geplündert. Nur noch zwei leichte Hügel sind erkennbar.  Die wenigen Funde, wie Urnen, Glas, Fiebeln und Ringe, liegen im Heimatmuseum Birkenfeld.

 
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Wir laufen, das ist vielleicht interessanter, auf einem langgestreckten Bergrücken, der einst eine wichtige Handelsstrasse für keltische Metallprodukte war, und gelangen zum Messerbrunnen. „Messer“ bedeutet lat. Messis, also Ernte. Ein Messi ist also ein Ernteeinbringer.  Hier am Brunnen beschwichtigten die Kelten den Gott Donar, der in den alten Eichen wohnte, um eine gute Ernte einbringen zu können. Man hat deswegen Münzen in die Quelle geworfen. Zunächst fand man jede Menge römische (ab 100 n. Chr), und jüngst einen  Keltenschatz, der noch ausgewertet wird.

Der Parkplatz Drei Eichen, wo der Messerbrunnen steht, ist abgesperrt und muss niemand so genau untersuchen. Wir hatten die Jahre dort unseren VP.  Aber die Damen mussten alle Vorräte dort hinauf schaffen, weswegen der VP nun einige Meter vorverlegt wurde.

Der weitere Weg ist vom steil abfallenden Terrain gezeichnet. Viele Wege kenne ich von den drei Trails, die hier das Jahr über stattfinden. Es sind alte Hohlwege und  Verteidigungsanlagen, die sich an die ohnehin schroffen Täler anpassen. Der nächste VP ist bei km 18, wo ich mir eines den neuen Bier-Sqeezys genehmige. Es geht über weite Teile auf Singletrails, durch Büsche und tiefe Gräser. Deswegen empfehle ich auf der langen Strecke neben Wasserflasche und Zusatznahrung ein Insektenrepellent.

Bremsen dienen zur Verringerung der Geschwindigkeit, auch hier im früheren Grenzgebiet. Ihre Stiche schmerzen mehr als die der Mücken, weil die Biester mit ihren Mundwerkzeugen eine recht große Öffnung in die Haut reissen und viele Bakterien übertragen. Allerdings lassen sie sich auch leicht erschlagen. Normale Mückenmittel helfen nicht gegen die Viecher, es muss schon DEET haltig sein, in Deutschland leider nur in 50% iger Konzentration erhältlich.

Ich habe es nicht genutzt und mir zwei Zecken eingefangen. Wer aufmerksam ist, der erwischt Zecken, während sie andocken. Das dauert 12-24 Stunden und macht sich durch ein Jucken bemerkbar. Für alle  Viecher gilt: Es sind die Weibchen, die uns das Leben schwer machen.

Stege und Brücken führen über das Brutgebiet der Biester in morastige Stellen. Mein dynamischer Laufschritt lässt mich auf einer der Konstruktionen einbrechen. Eindeutig eine Falle, denn im Nu werde ich von Weibchen angeflogen.
Irgendwann öffnet sich der Wald und ich erreiche wieder die Kempfeswiese. 22 Kilometer sind geschafft. Drehen, und zweite Runde angehen. Nach der zweiten Runde komme ich gerade rechtzeitig zur Siegerehrung der Marathondamen, stehle denen ein wenig die Show.

Kaum habe ich die Kurve gekriegt, da kommt der Gesamtsieger Tosso Roby spanisch brüllend ins Ziel. Der Croate lebt in Costa Rica, war Zweiter des Ultra Costa Rica Trails und siegt 29 Minuten vor Guntram Klein, der mein Jahrgang ist. Horst Wendlandt macht den dritten Platz. Dabei haben alle mindestens 12 Stunden Zeitlimit für diesen Lauf.

Ich begebe mich auf meine letzte Runde und beende mit einer guten Leistung und in bester Laune diesen familiären Event. 

 

 

Informationen: Bärenfels Sommer Trail
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