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12.07.25 - Reschenseelauf

Jubiläum im Fackelschein

Traditionen muss man bewahren, werden sich wohl die Organisatoren des Rennerclub Vinschgau um OK-Chef Gerald Burger gedacht haben´. Und so wird der Reschenseelauf nach dem 10- und 20-jährigen Jubiläum auch heuer zur 25. Auflage wieder als Nachtlauf durchgeführt. Zu besseren Orientierung wird die gesamte Strecke von etwa 2.000 Fackeln beleuchtet. Im Sommer 2000 fand die Premiere des Giro Lago di Resia statt, somit wäre die heurige Auflage eigentlich ja sogar schon der 26. Lauf, aber die Veranstaltung im Coronajahr 2020 war ein Einzelstartlauf, der als Sonderausgabe gewertet wird.

In der Nacht um einen mit Fackeln rundum beleuchteten See bin ich noch nicht gelaufen, das hört sich doch sehr aufregend an. Zudem bietet der Vinschgau neben dem Reschensee ja auch noch viele weitere landschaftliche Höhepunkte, wie z.B. mächtige Gletscher- und Bergregionen (Stichwort Ortler, mit 3905 m Südtirols hächster Berg) oder die berühmte Passstraße zum Stilfser Joch.  Und das alles bei mediterranem Klima. Vom Reschenseelauf habe ich schon viel gehört und gelesen, der fehlt noch in meiner Sammlung. Ich hab da auch so eine bestimmte Vision für einen Ausflug ins Südtirol. 

Zur Philosophie unserer Portale passt der Reschenseelauf nicht wirklich. Mit 15 Kilometern ist er weit von einem Marathon entfernt und mit seinem Terrain auf Asphalt und Naturwegen ist er auch kein Trail Trotzdem ist das Event auf Marathon4you und Trailrunning.de gelistet. Die Gründe dafür liegen in erster Linie an den idealen Trainings- und Vorbereitungsmöglichkeiten mit Trails in allen Schwierigkeitsgraden. 

In meinem Fall kommt ein weiterer Spaßfaktor dazu: Charly und ich möchten mit unseren Motorrädern anreisen. Das Wetter und die Vorhersage passen, so ziehen wir das durch und satteln unsere Stahlrrösser bereits am Freitag. Wie wir es vom Trailrunning her kennen, wählen wir nicht die kürzeste, sondern die schönste Route, in diesem Fall über das Hanntenjoch in Tirol. Damit ist bereits die Anreise ein Erlebnis. 


Vorprogramm

 

Bevor es auf dem Veranstaltungsgelände am Samstag um 11 Uhr losgeht, starten Charly und ich bereits ganz früh zu einem Ausflug, der für Biker zum Pflichtprogramm gehört, wenn man im Vinschgau zu Besuch ist. In 45 km Entfernung vom Reschensee liegt der Passo dello Stelvio. Mit einer Höhe von 2.760 m ist das Stilfser Joch der höchste durch eine asphaltierte Straße erschlossene Gebirgspass in Italien und einer der kurvenreichsten der Alpen. Auf der 27,5 km langen Nordseite führen 48 Kehren auf den Passübergang und die haben es wirklich oft in sich. Autos sind nur sehr wenige unterwegs, fast nur Biker und Rennradler. Total abgefahren finde ich den Linienbusfahrer, der sein Ungetüm oftmals nur mit mehrmaligem Zurücksetzen um die Kurven wuchten kann. Aber er kanns halt auch.

Zudem findet auch gerade ein Radrennen über den Stelvio statt. Die spinnen, die Radler. Ich kann ihnen nur meinen allergrößten Respekt zollen. Sind halt auch so verrückt, wie wir Läufer. Vor ein paar Jahren sind wir beim Stelvio Marathon mit 35 km Anlauf ab Kehre 25 auch die Passstraße hochgelaufen. Ich erinnere mich noch gerne daran, kann’s aber mit Blick von oben auf die Kehren fast gar nicht mehr nachvollziehen. Mittlerweile gibt es den Lauf mit Marathon-Distanz leider nicht mehr.

Den Rückweg von Passübergang legen wir über dem Umbrailpass, mit kurzem Besuch in der Schweiz zurück. Wir sind richtig geflasht, als wir um die Mittagszeit am Eventgelände in Graun ankommen. Bereits einen Kilometer vorher ist die Abzweigung zum riesigen Parkbereich auf grüner Wiese, hier stehen Unmengen an Parkplätzen für PKWs kostenfrei zur Verfügung und das noch ohne große Parkplatzsuche und langen Anlaufweg. Direkt neben dem Start- Zielgelände steht auch für Sportler*innen und Besucher*innen, die mit dem Camper oder Zelt anreisen, ein Bereich zur Verfügung, inklusive WCs und Dusch-Truck. Bis Sonntagmittag muss er aber wieder geräumt werden. 

Unser erster Weg führt uns zur Abholung unserer Startunterlagen, die wir mit der per E-Mail zugeteilten Startnummer empfangen können. Passend zum Nachtlauf gibt es heuer als Teilnehmergeschenk eine Stirnlampe mit 230° Weitwinkel-Frontbeleuchtung entlang der Stirn und eine Trinkflasche aus Aluminium. Am Infopoint erkundigen wir uns, wo wir unsere Wärmebekleidung deponieren können. Obwohl es tagsüber angenehm warm ist, sind die Nachttemperaturen mit ca. 15 Grad nicht mehr dazu geeignet, sich nach Beendigung des Laufes noch länger mit Shirt und kurzen Hosen aufzuhalten, wie wir am Vorabend feststellen konnten. Da wir zum Event mit dem Bus vom Nachbarsort anreisen, ist das wichtig für uns. Der Einsatz der Stirnlampe während des Laufes ist durch die Fackelbeleuchtung nicht unbedingt notwendig, meint der Betreuer.

Der Besucherandrang ist in der Mittagszeit noch nicht so groß, so können wir entspannt über die Expo schlendern. An den zahlreichen Verkaufsständen gibt es alles rund um den Laufsport. Zusätzlich wird ein reichliches Angebot an regionalen Produkten wie z.B. Speck, Käse, Brot oder auch Kunsthandwerk angeboten. Hier und da gibt es auch etwas zu kosten. Am Stand eines Sponsors könnte man sich gratis ein Sackerl mit unterschiedlichen Süßigkeiten und Werbe-Artikeln zu deren 100-jährigen Jubiläum abholen, hierzu müsste man sich aber in eine lange Schlange einordnen. Nix für uns. 
Selbstverständlich gibt es auch diverse Gastronomiestände und dazu einen großen Platz mit vielen Biergartengarnituren, wo man sich niederlassen und die Speisen und Getränke auch verzehren kann. Das große Festzelt mit reichhaltigem Speisenangebot steht am Ende der Wiese direkt vor dem Zieleinlauf. Das hat seinen guten Grund. Als besonders Schmankerl dürfen wir heute Nacht das Festzelt der Länge nach durchqueren. 

 

 
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Einen wunderbaren Blick auf das ganze Gelände, die Grauner Bucht, die umgebenden Bergen und natürlich auch auf das Wahrzeichen der Region, den aus dem See ragenden Kirchturm, hat man von der auf einem Hügel thronenden Kapelle St. Anna aus. Neben St. Anna ist der Kirchturm das letzte sichtbare Zeugnis von Alt-Graun. Bis 1950 gab es hier drei Seen, die im Zuge der Seestauung für die Stromerzeugung zu einem großen See vereint wurden. Die Einwohner der kompletten Ortschaft Graun und ein Großteil des Dorfes Reschen wurden im „nationalen Interesse zur Stärkung der nationalen Industrie“ zwangsenteignet und zur Aus- oder Umsiedlung gezwungen. Rund 1.000 Betroffene wurden durch das Bauprojekt ihrer Existenz beraubt. Das Kirchengebäude von Graun wurde gesprengt. „Il Campanile di Curon“ von 1357, wie der Turm so schön in Italienisch heißt, blieb dank der Einflussnahme einiger bedeutender Persönlichkeiten und des Denkmalamtes erhalten und wurde unter Denkmalschutz gestellt.


 
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Bereits am späten Nachmittag um 17 Uhr starten die Handbiker ihr Rennen, 6 an der Zahl. Fünf Minuten später folgen die Nordic Walker*innen und ab 17.15 finden die Kinderläufe statt. So füllt sich das Startgelände immer mehr. Charly und ich sind da nicht mehr vor Ort, wir sind im Nachbarort St. Valentin auf der Haide einquartiert. Da wir unsere Bikes nicht mehr bewegen wollen, sind wir auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Von 20 bis 22.30 Uhr wird die Verbindungsstraße von Reschen bis St. Valentin für den kompletten Durchgangsverkehr gesperrt, da die Busse nur alle Stunde fahren, wählen wir 19 Uhr als Anreise. Der Rückweg nach Mitternacht ist leider für uns nicht mehr planbar. Aber irgendwie werden wir schon wieder zurück ins Hotel kommen, ungünstigen Falls zu Fuß. 

Wir haben eine lose Verabredung mit Klaus und Patrick. Als wir um 19.15 Uhr das Eventgelände betreten, stehen sie auch schon ganz zufällig neben uns. Mittlerweile wuselt es hier nur so von Menschen. Die Tische sind gut belegt und vor allem die Stationen mit Ess- und Trinkbarem sind stark frequentiert. Oberkörperfrei servieren heiße Jungs scharfe Würste und das kommt offensichtlich gut an. Ab 20 Uhr verschwindet die Sonne so langsam hinter den hohen Bergen, was die Temperatur deutlich sinken lässt. Ich bin froh, noch meine Wärmebekleidung anzuhaben. 

Eine halbe Stunde vor dem Start beschließen wir unsere Kleidersäcke abzugeben. Schreck lass nach, damit haben wir nicht gerecht, eine mindestens 50 Meter lange Schlange hatte wohl dieselbe Idee. Mit einer derartigen Menge hat man vermutlich aus Veranstaltersicht auch nicht gerechnet. Aber 5 Minuten vor Startbeginn schaffen wir es gerade noch rechtzeitig zum Startplatz zu gelangen. Wie bereits zum Jubiläum 2019 wird wieder im Straßentunnel von Graun gestartet.

Etwas unkontrolliert drückt sich eine große Menge an Läuferinnen und Läufern Richtung Tunneleingang. Vier Startgruppen, die in 4-Minuten-Abständen gestartet werden, soll es laut Ankündigung geben, in die sich die 4000 Teilnehmer*innen anhand von vorgegebenen Laufzeiten einsortieren sollen. Hektik und Stress gibt es in der Röhre nicht, ganz gesittet rückt man langsam nach vorne auf, soweit es halt geht.  

 

 
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Es wird Nacht


Um Punkt 21.30 Uhr geht der Vorhang vor dem Tunnelausgang hoch, Pyrotechnik wird gezündet und das Feld setzt sich in Bewegung. Es dauert etwas, bis ich ins Freie gelange, eine Zeitmessmatte kann ich nicht sehen, so aktiviere ich unmittelbar am Ausgang mein GPS. Auf der gesperrten Hauptstraße laufen wir durch den Ort. Links und rechts bereiten uns hunderte Menschen ein begeistertes Spalier mit enthusiastischer Anfeuerung. Noch kann man alles gut sehen, die Dämmerung ist noch nicht so weit fortgeschritten. 

Nach anderthalb Kilometern verlassen wir die Vinschgauer Straße, es geht runter auf eine neue Trassenführung über die Aufschüttzone. In der kurzen Zeit ist es bereits deutlich finsterer geworden. Auf Schotter laufen wir wenige Meter neben der Wasserkante des Lago di Resia entlang. Ab hier beginnt auch die Markierung durch Fackeln. Rund um den See werden uns 2.000 Stück den Weg weisen.

Mein technisches Equipment bereitet mir gerade immense Probleme. Ein Blick auf meine Laufuhr verrät mir …nix. Nur wenige gelaufene Meter werden angezeigt. Links und rechts türmen sich die Berge im Etschtal bis fast auf 3.000 m Höhe auf, ich vermute der GPS-Empfang wird dadurch empfindlich gestört. Ein weiteres Problem habe ich mit meiner Kamera, schnell muss ich feststellen, sie ist für Nachtaufnahmen mit beweglichen Objekten gänzlich ungeeignet, was man den Bildern deutlich ansieht. 

In Abständen von etwa 10 Meter sind die Fackeln platziert, sie können den Untergrund aber nicht wirklich erhellen, aber man weiß zumindest, wo es entlang geht. Einmal gerate ich leicht ins Stolpern. So hinterfrage ich kurz meine Entscheidung, ob es richtig war ohne Lampe zu laufen. Aber man kann doch relativ problemlos laufen, ein Lampenschein würde natürlich für etwas mehr Sicherheit sorgen.

Nach vier Kilometern erreichen wir am Staudamm den südlichsten Punkt unserer Runde, mittlerweile ist es stockdunkel. Nur noch die Silhouetten der Berge und der im Mondschein glänzende See sind von der Umgebung zu sehen. Zu Beginn der Staumauer stehen wieder viele Fans und feuern uns an. An einer ersten Getränkestelle gibt es Wasser und Iso.

Auf 415 Meter Länge überqueren wir die hell erleuchtete Staumauer. Ich starte nochmal einige Fotoversuche mit und ohne Blitz, aber das wird heute Nacht nix Gscheites, so beschließe ich das weitestgehend einzustellen. Nach der Staumauer biegen wir auf den westlichen Radweg um den See ab, wo wir wenig später den nächsten Getränkeposten erreichen.


 
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Viel zu sehen gibt es für uns auf dem Vinschgauer Radweg nicht mehr. Schwarz geht es links von uns die Berge hoch, schwarz liegt das gegenüberliegende Ufer in etwa einen Kilometer Entfernung und schwarz zieht sich das gepflegte Asphaltband des Radweges am Ufer entlang, Nur die weiße Fahrbahnbegrenzung, die Fackeln die Lichter der Stirnlampen sorgen für Kontraste. Selbst der Mond hält sich hinter den Bergen irgendwo versteckt. 

Im weiteren Verlauf wird der Kurs auf der Westseite immer welliger. Ein ums andere Mal sind jetzt doch spürbare Anstiege zu bewältigen. Ich habe das Gefühl, in dunkler Nacht nimmt man die Steigungen wesentlich deutlicher wahr. Vielleicht hat man ohne optische Ablenkung mehr Gefühl für die Umgebung.

Nach 8 km sind wir auf Höhe von Graun, der Sprecher ist vom gegenüberliegenden Seeufer zu vernehmen. Kurz darauf steht mit fast 30 Höhenmetern der längste Anstieg an. Hier schalten einige in den Hiking-Modus. Abwärts geht es zum beleuchteten Parkplatz der Schöneben Bergbahn, wo wieder Getränke bereitstehen.

Auf der Altdorfstraße erreichen wir nach 11 km den Ortsanfang von Reschen. Am beleuchteten Seeufer wage ich wieder einmal einige Fotoversuche, in den hell erleuchteten Ort kommen wir nicht, wir zweigen vorher wieder Richtung dunkles Seeufer ab. Auf einem Schotterweg folgen wir der Uferlinie. Ein paar Schifferl kann ich als Silhouette erkennen. In etwas Entfernung spielt Blasmusik, als ich die Musikgruppe passiere, machen sie gerade Pause. 

Schon von weitem kann man den beleuchteten Alt-Grauner Kirchturm im Wasser stehen sehen, für uns bedeutet das, jetzt ist es nicht mehr weit. Die letzten Meter vor dem Zieleinlauf führen uns am seitlichen Rand durch das vollbesetzte Festzelt. Noch hundert Meter im Freien und unsere 15 km lange Runde ist beendet. Charly wartet bereits auf mich. Dann werden uns wunderschöne, aufwendige Medaillen überreicht und an einem weiteren Stand wartet ein kleines Lunchpaket für jeden.


 
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Ich bin gerade einmal ein paar Minuten im Ziel, als es plötzlich anfängt zu regnen. Auch der Himmel ist jetzt schwarz. Wie gut, dass ich wärmende Klamotten abgegeben habe. Nach einer Viertelstunde ist der Regenspuk auch schon wieder vorbei. An mehreren Stellen im Außengelände sind große Feuerschalen entzündet worden, wo man sich wieder trocknen und vor allem schön wärmen kann. 


Die Sperrstunde ist aufgehoben


So langsam tröpfeln nach und nach auch die letzten Teilnehmer*innen im Ziel ein. Das Ende der Veranstaltung bedeutet das aber noch lange nicht, jetzt geht die Party erst richtig los. An den Kassen  für Getränke und Essen gibt es lange Warteschlangen, keiner verlässt das Gelände. Die Sperrstunde ist heute aufgehoben, verkündet der Sprecher. Mit Techno werden wir im Außenbereich lautstark unterhalten. Im Festzelt übernimmt das die Liveband Plug&Play aus Meran bis zum Beginn der Siegerehrung,

Die Sieger sind altbekannte. Olympionikin Tereza Hrochová aus Tschechien gelingt der Hattrick, bei den Herren gewinnt unser Landsmann Konstantin Wedel ebenfalls schon zum wiederholten Mal. Großen Respekt nötigt mir Simon Josy aus Luxemburg ab. Mit 92 Lenzen ist er der älteste Teilnehmer, auch er war bereits mehrmals hier am Start.
In jeder Altersklasse werden die ersten drei mit einer Steige bester Südtiroler Äpfel prämiert. Das zieht sich natürlich lange dahin. Erst nach 1.00 Uhr in der Nacht beginnt ein weiterer Höhepunkt des Abends. Ein spektakuläres Feuerwerk taucht den See in funkelnde Farben. Das Warten hat sich definitiv gelohnt. 


 
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Was für ein Erlebnis. Ein fantastisches Event, zwei begeisterte Typen, drei Tage, vier Länder und fünf Pässe. War mega, mehr geht nicht.
 

 

Informationen: Reschenseelauf
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