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03.08.14 - Gondo Marathon

Genuss und Herausforderung


Der berühmte Simplon-Adler bleibt für uns im Nebel verborgen. Der über 9 Meter hohe Adler aus Granitquadern wurde im Zweiten Weltkrieg von einer Gebirgsbrigade als Erinnerung an die "Wacht am Simplon" gebaut. Schon die Römer nutzten den Pass, aber erst der Stockalper ließ einen gut nutzbaren Transportweg anlegen. In seinem Auftrag entstand Mitte des 17. JH der Weg mit seinen Befestigungen und Brücken, aber auch unterwegs viele Lagerhäuser und Unterkünfte. Ein gutes Geschäft, denn er hatte ja auch das Transportmonopol über den Pass. Um 1650 beschäftige er 212 Säumer, die mit Maultieren die Waren transportierten.

Als die Zeit des Stockalpers vorbei war, verfiel der Weg mehr und mehr.  Jahrzehntelang war die Reise über den Pass wieder sehr mühsam und gefährlich. Erst Napoleon erkannte die strategische Bedeutung dieser Route wieder, doch dieses Mal nicht als Handelsverbindung sondern als militärischer Transportweg. Er ließ eine Straße bauen, um Soldaten, Kanonen und weiteres Material über den Pass zu transportieren. Seither konnte der Pass auch mit Postkutschen befahren werden.

Napoleon wollte oben auch ein großes Hospiz errichten lassen, doch die Bauarbeiten dazu wurden nach seinem Sturz eingestellt. Erst viele Jahre später kümmerten sich die Chorherren von St. Bernhard um den Weiterbau und zogen 1831 schließlich in das Gebäude ein. Heute können bis zu 130 Reisende hier übernachten. Schon 1870 wurden über den Pass pro Tag in jeder Richtung vier Fahrten mit der Postkutsche angeboten. 170 Pferde brauchte man, um den Verkehr aufrecht zu halten. Nach 1882 ging der Verkehr am Simplon durch die Eröffnung des Gotthardtunnel stark zurück, der Simplontunnel setzt ihm ab 1906 sogar noch mehr zu. Erst ab 1960 wurde die Passstraße für den zunehmenden Autoverkehr Stück für Stück ausgebaut. 

 
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Nun verlassen wir für heute den Stockalperweg. Gleich nach Aufbruch vom Pass laufen wir ein kurzes Stück durch ein Sumpfgebiet. Hier bleiben keine Schuhe trocken. Dann steigen wir hinauf in den Nebel. Eintöniges Grau ist um rund um uns, einzige Farbtupfer sind die vielen blühenden Blumen. Für einen kurzen Moment reißt unter uns die Wolkendecke auf und ich blicke hinab zum Pass. Dann marschiere ich wieder durch den Nebel bergauf. Der Weg wird immer schmaler, manchmal sehen wir nur noch Wegspuren. Aber die Orientierung ist völlig problemlos, denn selbst in dichtem Nebel sehen wir an kritischen Stellen in dichtem Abstand Fähnchen vor uns. Nur der Regen nervt allmählich..

Als ich einen Bergrücken erreiche und es auf der anderen Seite wieder abwärts geht, glaube ich schon, bereits den Bistinenpass überschritten zu haben. Dann führt der Pfad jedoch wieder hinauf.

Nebel, Regen, Stille - eine meditative Stimmung. Ich glaube, eine Stunde lang sehe ich keinen Menschen vor oder hinter mir. Selbst die Murmeltiere bleiben heute in ihren Höhlen.

Schließlich taucht im Nebel vor mir ein kleiner See auf. Dahinter erkenne ich einige Leute, die in roten Jacken im Regen ausharren, um uns Läufer zu versorgen. Der 2417 m hohe Bistinenpass ist erreicht. Mehr als die Hälfte der Tagesetappe liegt nun hinter mir und fast nur noch Abstieg vor mir.

Schnell und gut gelaunt laufe ich bergab und überhole einige andere Läufer. Bald reißen vor mir die Wolken teilweise auf, so dass ich nun zumindest einen Teil der Umgebung erkenne. Der Weg ist genau richtig, um so richtig Gas zu geben. Als dann auch noch der Regen aufhört, wird das Ganze für mich wieder zum Genusslauf.

Etwa 700 Höhenmeter unter dem Pass ist bei der Nidrist Alpe (km 28,7) die nächste Verpflegungsstelle. Nach kurzem Plaudern mit den netten Leuten dort laufe ich neben dem rauschenden Gamsa-Bach weiter bergab. Dann  scheint plötzlich auch noch die Sonne - welch ungewohntes Gefühl! Nun macht das Laufen gleich doppelt so viel Spaß! 

 
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Später führt wieder ein herrlicher Trail durch Bergwald abwärts und gleich mehrmals unter einem Wasserfall hindurch. Klasse! Zwischendurch lädt ein befahrbarer Weg zum Beschleunigen ein. Dann treffe ich bei km 35 wieder einmal auf gut gelaunte Leute bei einer Verpflegungsstelle.

Ich habe irrtümlich das Höhendiagramm so in Erinnerung, dass ich nun nur noch 5 km bergab und danach 2 km aufsteigen muss. Entsprechend optimistisch sause ich bergab. Schon kurz nach der VP zweigt links unsere Route auf den nächsten Genusslauftrail durch den Wald ab. Schöne Blicke hinab ins Rhonetal und nach Brig erfreuen mich.

Unser Ziel in Brig Ried liegt etwas oberhalb der Stadt und ist Luftlinie nun nicht mehr weit von mir entfernt. Es scheint so, als wäre ich bald dort.  Doch dann muss ich überraschend wieder bergauf marschieren. Erst nach einigem  nervenden Aufstieg führt ein Trail hinab zur Saltina-Schlucht. Mehr als 100 Höhenmeter laufen wir nun sehr steil hinab. Wie erwartet, dürfen wir unten nicht zu Fuß durch die Saltina waten, was ansonsten fester Programmpunkt ist beim Gondo Event.  Aber nach den starken Regenfällen der letzten Zeit ist die Strömung viel zu stark, so dass wir stattdessen über die Brücke müssen.

Beim Briefing kündigte Brigitte an, dass es von der Brücke noch zwei Kilometer bis zum Ziel sind.  „Aber glaubt bloß nicht, dass es NUR zwei Kilometer sind!“, fügte sie vielsagend an. Die ersten Meter laufen wir noch bequem einem kleinen Bewässerungskanal entlang. Dann weisen uns die Markierungen  auf einen brutal steilen Trampelpfad.

Glaubt mir: dieses Finale ist hart! Das geht so richtig böse in die Beine. Es sind nur etwa 100 Höhenmeter auf diese Weise zu überwinden, aber die scheinen mehr anzustrengen, als der gesamte Aufstieg zum Simplonpass. An einer Stelle müssen wir einen tiefen Wassergraben überwinden. Nur ein kleiner Sprung, aber auf der anderen Seite ist es rutschig.

Kurz vor dem Ziel überrascht uns am Ortsrand noch eine kleine Verpflegungsstelle. Wer braucht so kurz vor dem Finish noch etwas zu trinken? Kurz?  Weiter geht es aufwärts, zuletzt über Dorfstraßen und erst zum Zieleinlauf dürfen wir kurz abwärts sprinten.

7:15, das ist zwar eine Viertelstunde länger, als ich mir für heute vorgenommen habe, aber immer noch eine Stunde vor dem offiziellem Zielschluss.

In Brig Ried stehen viele der typischen Walliser Speicherhäuser, die auf Stelzen gebaut und unten mit großen Steinplatten versehen sind, damit Mäuse nicht hinein kommen. Im Zielbereich ist ein Stand, an dem man Getränke sowie Würstchen mit Brot kaufen kann, um die Zeit bis zum Abendessen zu überbrücken. Viele von uns legen ihre Klamotten und Schuhe zum Trocknen in die inzwischen heiß vom Himmel knallende Sonne.

Wir übernachten im Schutzraum.  Die Belüftung hört sich nach Sturm mit Starkregen an. Einige Läufer verziehen sich ins Schulhaus,  zwei legen sich vor den Eingang und schlafen an der frischen Luft. Witzig finde ich unterschiedlichen Icons für die Duschen der Männer und der Frauen.

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Informationen: Gondo Marathon
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