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16.11.13 - Untertage-Marathon

Schicht im Schacht

Auf in die ersten Runden

 

Wie beim Rennsteiglauf werden wir angehalten, noch ein paar Schunkelbewegungen zum Schneewalzer hinzulegen. Die Musik endet und dann entlässt uns ein großer Gong auf den Kurs.  Geschossen wird hier nicht.

 
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Die Meute stiebt davon und bis ich zwei Bilder im Kasten habe, ist die Hälfte der Läufer schon um die erste Kurve verschwunden. Ich will euch kurz die erste Runde beschreiben, soweit ich dieses noch in Erinnerung habe.

Nach dem Start laufen wir links, rechts ist die Verpflegungsstelle. Der erste Teil der Strecke ist gut beleuchtet. Einige Fahrmaschinen und Geräte stehen auf der Seite in den Nischen. Doch nach drei Minuten müssen wir durch einen noch geschlossenen Plastikvorhang. Soll der eventuellen Rauch abhalten, frage ich mich. Das Feld wird kurzzeitig aufgehalten, denn maximal zwei, drei Renner kommen gleichzeitig durch die Sperre. Dahinter lässt es sich freier laufen.

Recht wellig und immer wieder um Kurven laufen wir weiter. Auch sind ein, zwei etwas dunkle Stellen sind dabei, so dass es sich empfiehlt, die Stirnlampe einzuschalten. Es ginge auch ohne, aber es ist entspannter und sicherer mit Licht auf dem rustikalen Geläuf. Vergesst hier mal die Vorzüge einer flachen Asphaltstrecke. Ein Schlappschritt kann dich schneller auf den salzigen Boden der Tatsachen bringen als dass dir lieb ist.

Nach einer Gefällstrecke holen sich fast alle Sportler einen Becher Aqua an der Wasserstelle. Rund zwölf Minuten bin ich unterwegs. Nach einem kurzen Stück kommt das längste und steilste Gefälle, ich schätze mit 15 bis 20 Prozent geht es da hinunter. Und da der Boden mitunter glatt ist, hält man ihn mit viel lockerem und feinem Gestein bedeckt. Es staubt fürchterlich, die Sicht beträgt etwa 20, 25 Meter. Das Salz am Boden stiebt beim Hineintreten auseinander, wie wenn man in Zement oder Mehl tritt. Wer seine Zunge hinausstreckt, kann gleich prophylaktisch etwas gegen den Mineralienmangel tun.

Schätzungsweise 400 Meter laufen wir hinunter und nach einer Rechtskurve nimmt das Gefälle deutlich ab. Die Quittung kommt beim nächsten Richtungswechsel mit einer Steigung von etwa 20 Prozent. In diesem Bereich kommt mir die Temperatur sehr hoch vor. Ich schätze knapp 25 Grad. Die ersten Läufer fallen in den Wanderschritt. Der Anstieg zieht sich recht steil dahin und wird erst etwas flacher, als wir linkerhand einen Blick auf die Oberseite des Förderbandes werfen können. Auch die Luft wird etwas erträglicher und ist weniger warm, denn ein großes Rohr belüftet den parallelen Nebentunnel.

Die erste Runde endet mit dem Durchlaufen des Zielbogens. Die Zeit wird genommen. Ich sehe auf der Anzeigetafel 22 Minuten plus X und ein „11 to go“. 22 Minuten auf 3,5 Kilometer, das gibt einen Kilometerschnitt jenseits von gut und böse. Das Tempo könnte ich auch nach einem längeren Wirtshausbesuch noch laufen. Ob derjenige, der neulich irgendwo im Berchtesgadener Land einen Kasten Bier gestohlen hatte, das auch geschafft hätte? Auf alle Fälle kam dem zwei Stunden nach dem Mundraub die Polizei auf die Schliche. Da hatte er schon 17 Flaschen geleert. Eine Vernehmung zu dem Vorfall und eine Alkoholkontrolle waren trotzdem noch möglich. Die ermittelten 5,5 Promille zeugen von einer Ausdauer der anderen Art.

In den nächsten Runden versuche ich nicht schneller zu werden, auch wenn mir dieses Tempo recht langsam zu sein scheint. Aber hier hat alles eine andere Dimension. Ich weiß nicht einmal, ober wir auf diesem Kurs im Uhrzeigersinn oder andersrum laufen. Das Gefühl für Richtung und Zeit verschwindet.

Man entdeckt immer wieder etwas Neues. So sehe ich, dass jemand an ein Förderband mit dem Finger ein „Glück auf“ hingeschrieben hat. Oder ein Hinweisschild zu einem Brandschutztor, oder auf eine Bremsprüfstrecke. An der tiefsten Stelle steht neben einem Metallverschlag und der offenen Tür „Die lustige Welt unter der Erde“. Was mag sich dahinter verbergen.

 

Das Arschleder

 

Die ersten Runden liegen hinter mir und es beginnen die Überrundungen. Der Satz gefällt mir. Wobei die Führenden mich schon in der dritten haben stehen lassen. Mit Karacho stürzen sie sich die Gefälle hinunter. Einer, es ist Michael Müller, kennt die Strecke nach mehreren Siegen besonders gut und war vielleicht auch noch zum Geheimtraining hier.

 
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Ja, das Schuhwerk. Wer mit flachen Schuhe mit wenig Profil oder gleich mit Slicks unterwegs ist, braucht sich nicht wundern, wenn er an den Gefällestücken keinen festen Halt findet. Einige tragen hinten auffällig Spuren diverser Bremsproben. Die Backenbremse hat zugegriffen. Ein Arschleder hätte auch geholfen.

Dieses Kleidungsstück zählt im Bergbau als Utensil gegen das Durchwetzen des Hosenbodens bei der Arbeit im Stollen, sowie als Schutz vor Nässe und Kälte beim Sitzen. Das Kleidungsstück wird auch in einem Euch bekannten Lied besungen. Und das geht so:

„Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt.
Und er hat sein helles Licht bei der Nacht, |
schon angezündt’

Die Bergmann’s Leut sein’s kreuzbrave Leut,
denn sie tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht
und saufen Schnaps“

Mittlerweile bleibe ich an jeder Tankstelle stehen. Ein paar Schluck Wasser sind für die Gurgel und den Rest lasse ich in die Schlitze des Radhelms sickern. Ansonsten ist meine Mischung Cola mit warmen Tee sowie Schokoriegel und Bananen. Es gibt auch Weingummi und Trockenobst. Privatverpflegung kann auch deponiert werden. Ins übermäßige Schwitzen komme ich fast nicht, denn bevor der Schweiß in die Augen rinnt, ist er verdunstet.

Auf meine Frage, wo es denn Bier gäbe, werde ich auf die 13. Runde vertröstet! Dabei sind die Thüringer Bierbrauer gar nicht soooo weit weg, Stichwort Köstritz. In der sechsten Runde laufe ich auf Roland Blumensaat und seinem Laufkollegen Ronny Hartwig auf. Die beiden sind die ersten, die sich ratschenderweise die Arbeit erleichtern. Bisher kämpfte sich jeder alleine durch, keine Unterhaltung. Mit einem „Du wirst uns noch in deiner letzten Runde überrunden,“ so schickt mich Roland weiter.

Ich bin da skeptisch und überlege nur kurz, oben im Zieleinlauf rechts abzubiegen. Doch meine Verfassung ist ok.. Ich kann weiterhin die starke Steigung hochlaufen, wo doch die meisten zu Spaziergängern werden. Übrigens, wer nach der sechsten Runde oder später abbiegt, wird für den Halbmarathon gewertet. So erhalten auch diejenigen eine Wertung, für die der Marathon heute in der Tiefe eine unbezwingbare Höhe darstellt.

 

Auf und nieder bis zum Ende

 

„Der Letzte macht das Licht aus“, so lese ich auf dem Trikot von Parick Geller und Joachim Sysol, die aus dem Großraum Stuttgart angereist sind. So langsam bekomme ich Appetit auf den Kurs, denn es ist immer mal wieder für Ablenkung gesorgt. Durch die fleißig klatschenden Zuschauer am Ende der langen Steigung, oder durch die Helfer und die Beschäftigten, von denen einer meint: „Das ist noch sehr locker.“

 
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Oder der Stephan Klein aus Düsseldorf, der zu Beginn in Wikingerkluft mit Bewaffnung unterwegs war und jetzt bereits nur mehr mit getigerter Laufhose unterwegs ist. Er hält den Daumen hoch, als ich vorbei laufe und ihn fotografiere.

„Du bist eine Runde zu früh“, sagt Roland bei meinem zweiten Überholmanöver. „Mein Lauffreund Ronny macht hier seinen ersten Marathon.“ Bei der Betreuung wird da nichts schiefgehen, auch wenn ich diese Strecke für eine Premiere nicht empfehle. Es sei denn, der Betreuer hat eine Geisel dabei.

Mittlerweile bin ich in einem richtigen Flow und die Runden vergehen wie im Rausch. Ohne Biergenuss. Von der Wasserstelle verabschiede ich mich in der zwölften und letzten Runde und danke den Helfern für ihre Unterstützung. Einige Läufer kann ich auf der Steigung noch einsammeln. Ob es dann in der Gesamt- oder Klassenwertung maßgeblich ist, ist mir wurscht. Oben halte ich mich rechts und laufe durch das Ziel. Ich erhalte ein Schulterklopfen, Medaille und Druckprotokoll.

 

Zielimpressionen

 

Ich schnappe gleich meine Kamera und versuche noch ein paar Bilder zu machen. Mit den kleinen Kameras ist bei den Lichtverhältnissen nicht ganz einfach.

 
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Der Blick auf das Druckprotokoll lässt mich staunen, denn alle Runden sind in einem Zeitkorridor von weniger als 90 Sekunden. Die zweitschnellste ist die letzte (um eine Sekunde) und die zweitlangsamste die erste (um zwei Sekunden) Runde. Verrückt! Und im Laufe des Rennens habe ich mich vom Gesamtplatz 105 nach Runde sechs bis auf Platz 56 beim Finish vorgearbeitet.

An meiner Bierbank läuft der Weidener Wolfgang Wild barfuß herum und begibt sich dann in die Hände der Sanis, denn eine Blutblase lässt ihn nicht mehr in die Schuhe kommen. Einen rechten Durst habe ich nicht, nach zwei Bechern Cola ist der gestillt. Und meinen herzhaften Appetit stille ich mit einer Soljanka, eine säuerliche Suppe mit Fleisch, Würstchen und Gemüse. Der Transport nach Übertage geht schnell vonstatten und da sind in der Bergamnnskaue die Duschen mollig warm.

Fazit:

Wer den Untertage-Marathon langsam anläuft, reichlich trinkt und überhaupt nicht auf die Uhr schaut, wird seinen Spaß finden. Ich hatte den zur Genüge. So ein Abenteuer kann ich mir nächsten Jahr schon wieder vorstellen. Aber nur unter dem Schutz der Heiligen Barbara, die ist nämlich Patronin der Bergleute. Wie sang schon Heino: „Die Schönste auf der Welt ist meine Barbara.“

Die Organisation ist perfekt, die Helfer haben jederzeit ein richtiges Wort für dich und reichen die Getränke zu. 214 Zielläufer beim Marathon, 62 finishen den Halben. Glück Auf!

Marathonsieger Männer:
1. Adrian Brennwald Salomon Schweiz 3.07.34
2. Michael Müller SV Glückauf Sondershauen 3.13.54
3. Ricardo Schlemonat Gerwisch 3.22.50
4. Ralph Reinemann Pentos AG 3.23.57
5. Ulrich Amborn LG Offenbach 3.25.37

Marathonsieger Frauen:
1. Silvia Schmied LAV Haelnsia 3.50.37
2. Uschi Smeets LG Mönchengladbach 4.05.31
3. Henriette Thorhauer SV Glückauf Sondershausen 4.101.21
4. Katharina Waldmann Bundeswehr 4.36.54
5. Steffi Elsner Hoppegarten 4.39.14.

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