trailrunning.de

 
 
 

14.06.25 - Zugspitz Ultratrail

Rekonstruktion eines Hundert Meilen Abenteuers

Den ZUT muss man nicht mehr erklären. Deutschlands größtes Trailrunning-Event kennt man im In- und Ausland. Für viele ist das Rennen der Einstieg in die alpine Laufwelt. Dazu bietet es für jeden die passende Distanz und gibt mit einer perfekten Organisation den Teilnehmenden die nötige Sicherheit, sich in dieses Abenteuer zu stürzen. In diesem Jahr kommt mit dem ZUT 100 zum ersten Mal ein Hundert Meilen Rennen dazu. Zur 100 km Strecke wird ab der Pestkapelle dabei eine Schleife um die Mieminger Kette im Süden angehängt. Somit wird das gesamte Wettersteingebirge umrundet.

Nicht ganz frei von Größenwahn, habe ich mich mit Buki zu diesem Bergmonster angemeldet. Ich war schon bei der Premiere des ZUT dabei und habe nur gute Erinnerungen, obwohl ich den 100er später auch mal abgebrochen habe. Aber das hatte Gründe.

Ich sitze vorm Rechner und versuche, die Strecke nochmal durchzugehen. Ich weiß nicht so recht, wie ich den Einstieg finde. Die Waage hat heute Morgen immer noch vier Kilo weniger angezeigt und ich denke mal, meine geistige Leistungsfähigkeit ist noch nicht ganz zurück. Ich weiß noch, dass ich im Ziel nicht mehr ganz bei der Sache war, aber das war vielleicht auch die Euphorie über das Finish nach 44 Stunden ohne Schlaf, mit mörderischen Temperaturen und einer wahrlich schweren Strecke. Dabei hat es schon vor dem Rennen einige Zweifel gegeben. Also ganz an den Anfang.

 

Jetzt geht’s los

 

Am Mittwochmorgen schlafe ich noch einmal aus. Nach dem Duschen fährt es mir beim Anziehen der Strümpfe durch den Rücken. Ein waschechter Hexenschuss erwischt mich ausgerechnet vor meinem Saisonhighlight. Am Wochenende habe ich die Ausrüstung für eine eigene Veranstaltung geschleppt und das ist jetzt die Rache. Das darf doch nicht wahr sein. Um zwölf steht Buki vor der Tür. Alles nur muskulär. Das wird wieder. Wir haben ja bis morgen Abend Zeit.

Die Fahrt nach Garmisch klappt ganz gut, auch wenn ich bei den Pausen aus dem Auto aussteige, als hätte ich das Rennen schon hinter mir.

 

 
© trailrunning.de 7 Bilder

 

Wir checken in unserem Hotel in der schönen Altstadt von Partenkirchen ein. Ein Schweinekrustenbraten und zwei Helle sorgen für die nötige Bettschwere. Schon um neun Uhr liegen wir flach. Wir brauchen so viel Ruhe, wie irgend möglich.

Ich schlafe sehr unruhig. Die Matratze ist sehr weich und mein Rücken schmerzt bei jeder Bewegung. Um vier Uhr muss ich raus, schaffe es aber kaum aus den Federn. Wieder im Bett suche ich lange nach einer schmerzfreien Schlafposition und als ich diese gefunden habe, falle ich in einen tiefen festen Schlaf.

Beim Aufwachen geht es mir erstaunlich gut. Der Rücken ist noch etwas verspannt, aber kein stechender Schmerz mehr. So wandern wir die zwei Kilometer nach Garmisch, wo rund um den Richard-Strauss-Platz, der Veranstalter, Plan B, ein ganzes Dorf aufgebaut hat. Vor uns liegt das Wettersteingebirge mit der Zugspitze, hellgrau und kahl, ein wenig Altschnee in den steinigen Rinnen. Ein fantastischer Anblick, aber auch furchteinflößend. Diesen Klotz werden wir die nächsten Tage umrunden.

Es herrscht bereits reges Treiben. Alles ist perfekt organisiert. Zuerst gibt es die Startnummer in einem Rucksack. Darin ist ein weiteres Dropbag und Anhänger für weitere Taschen. Es sind zwei Dropbags unterwegs erlaubt und eine für den Zielbereich. Dazu gibt es ein Booklet mit verschiedenen Gutscheinen der Sponsoren. Ich kaufe mir noch ein praktisches Erste Hilfe Set und löse einen Gutschein gegen eine kleine wasserdichte Tasche ein. Dort kommt meine zweite Stirnlampe, die Reservebatterien und eine Powerbank hinein. Shirt hatte ich nicht vorbestellt. Brauche ich nicht, schließlich gibt es ja ein Finishershirt. Und ohne das will ich nicht nach Hause fahren.

 

 
© trailrunning.de 17 Bilder

 

Wir sind wieder früh zurück im Hotel. Nachdem die Rücksäcke und die Dropbags gepackt sind, versuchen wir noch etwas zu schlafen. Dann geht es noch einmal unter die Dusche und wir machen uns auf zum Start.

Buki hat immer noch Probleme mit der Achillessehne. Eigentlich ist klar, dass er das Rennen nicht finishen wird, aber wer weiß das schon. Mein Rücken hat sich heute Morgen auch noch nicht nach einem Finish angefühlt.

 

Lauf in die Nacht

 

Im Startbereich ist schon eine Wahnsinns-Stimmung. Wir geben unsere Dropbags ab. Dann trinken wir im Café einen doppelten Espresso und einen großen Radler. Die Pflichtausrüstung wird penibel kontrolliert. Es wird sogar geprüft, ob die Notfallnummer im Handy abgespeichert ist. Im Startkanal treffen wir einige bekannte Gesichter. Unter den Zuschauern sind viele Mitglieder unseres Vereins, die in den kommenden Tagen auf den sechs anderen Strecken unterwegs sein werden.

Es geht alles ganz schnell und pünktlich um zwanzig Uhr werden wir unter tosendem Beifall auf die Strecke geschickt. So eine Stimmung kenne ich nur aus Spanien. Tausende Menschen säumen die Strecke. Es wird mit allem angefeuert, was Lärm macht. In der ersten Kurve brennen Bengalos. Musik, Glockenlärm, Anfeuerungsrufe begleiten uns durch ganz Garmisch. Nicht umsonst ist der ZUT das größte deutsche Trailrunning Event. Ich bin schon beim Start überwältigt.

Ab dem Hausberg wird es etwas ruhiger. Am ersten Anstieg bei Hammersbach wieder eine große Gruppe, die uns Mut macht. Die Sonne ist zum Glück schon hinter den Bergen verschwunden. Trotzdem ist es immer noch sehr warm.

 

 
© trailrunning.de 18 Bilder

 

Ich kenne die Strecke vom TAR im letzten Jahr. Auf moderaten Wegen geht es hoch zum Eibsee. Auch dort am ersten VP wieder Angehörige, die uns anfeuern. Dann wird es einsamer. Wir brauchen jetzt die Stirnlampen, obwohl die Bergspitzen noch im Abendlicht strahlen. Schnell ist der zweite VP an der Gamsalm erreicht. Ich fülle meine Vorräte auf und gebe Elektrolyte zum Wasser. Es ist immer noch sehr warm. Es ist kurz vor Mitternacht. Ein kleiner See spiegelt das Mondlicht. Die Stimmung ist unbeschreiblich.

Bis zur Ehrwalder Alm geht es lange bergab, dann folgt ein langer Aufstieg zur Pestkapelle. Am VP warte ich auf Buki. Er hat Probleme. Seine Sehne schmerzt und er bekommt keinen Druck mehr auf die Wade. Er macht das einzig Richtige in dieser Situation. Er steigt aus. Der Shuttlebus an der VP ist schon gut gefüllt. Viele Teilnehmer kommen mit der Hitze nicht klar. Dabei sind wir erst fünf Stunden unterwegs.  

Ich verabschiede mich von Buki und stapfe allein weiter. Ein herber Verlust. Ein zuverlässiger Partner ist bei einem langen Ultra eine starke Motivation, der einem über das ein oder andere Tief hinweghelfen kann. Und es ist absolut selten, dass man jemanden hat, mit dem man auf der Strecke perfekt harmoniert. Schade, aber dann muss ich es allein machen.

 

 
© trailrunning.de 30 Bilder

 

Ich liege gut im Rennen und habe etwa zwei Stunden Puffer zum Cutoff. Mein Rücken macht so wenige Probleme, wie schon lange nicht mehr. Von der Pestkapelle steigen wir hoch zum Wannigsattel. Die Strecke wird jetzt anspruchsvoller. Ein Schild warnt vor einem gefährlichen Streckenabschnitt. Ein Altschneefeld passieren wir ganz am Rand. Die Wege sind ausgesetzt. Vor dem Felderer Joch erreichen wir auf dem Sattel den höchsten Punkt des Rennens. Steil fällt der Weg danach ab. Nach dem technischen Downhill geht es nochmal hart nach oben zum Steinernen Hüttl, dann kommt ein langer Downhill zur Hämmermoosalm, dem nächsten VP. Die Dämmerung bricht an. Die erste Nacht hätten wir hinter uns und den ersten von vier Marathons.

 

Die Extraschleife

 

Bisher waren wir auf der 100 Km Strecke unterwegs. Nach der Hämmermoosalm geht es in die Extraschleife. Die technischen Trails lassen keine Müdigkeit aufkommen und obwohl mein letzter Schlaf nicht sehr erholsam war, fühle ich mich gut. Mit den ersten Sonnenstrahlen ziehe ich die Windjacke aus. Es wird direkt ordentlich warm. Steil und felsig geht es hoch zur Niederen Munde. Ein hartes Stück Arbeit gleich zum Frühstück. Vom Sattel blicken wir ins Inntal. Unter uns Telfs und Pfaffenhofen. Am Straßberghaus ist der erste VP der Extraschleife. Wir haben erst 53 Kilometer hinter uns und ich bin schon fast 13 Stunden auf den Beinen. Was, erst 13 Stunden? Ich beginne hochzurechnen, aber höre gleich wieder damit auf.

 

Erholungsphase

 

Immerhin folgt jetzt ein etwas flacherer Abschnitt. Außerdem sind wir nicht mehr so hoch und laufen viel im schattigen Wald. Eine einfache Strecke mit schönen Wegen und Pfaden durch duftende Kiefern- und Lärchenwälder. Es ist sehr warm und ich nutze jedes Rinnsal, um mein Kühltuch einzutauchen. Es gibt dann etwa eine gute Stunde erfrischende Feuchtigkeit ab. Eine geniale Erfindung, die ich besonders heute nicht missen möchte. Die Hitze macht uns schwer zu schaffen. Immerhin sind wir ab dem VP Arzkasten nur noch zweistellig.

Bis zum nächsten VP ist noch das Marienbergjoch zu bezwingen. Ich genieße die Bilderbuchstrecke und  fühle mich sehr gut. Die Downhills laufe ich in gutem Tempo und auch berghoch komme ich gut voran. Vor allem aber bin ich hochmotiviert. Ich hatte noch kein Tief zu überwinden und freue mich einfach nur, dass ich Teil dieses fantastischen Rennens sein darf.

 

 
© trailrunning.de 25 Bilder

 

 

Halbzeit



Im Domero Hotel in Biberwier wartet mein Dropbag auf mich. Buki ist hier, um mich ein wenig zu betütteln und mir alle Wünsche zu erfüllen. Er hat Charlie, einen Laufkumpel von uns mitgebracht, den er in Garmisch getroffen hat. Sie kümmern sich sehr gut um mich. Claudia von unserem Verein kommt gerade mit nassen Klamotten aus der Dusche. Abgetrocknet hat sie sich nicht. Gute Idee, bei der Hitze. Ich lassen erst mal einen Liter kaltes Sprudelwasser durch die trockene Kehle laufen. Cola und ISO mag ich nicht mehr. Dann noch ein Radler, einen doppelten Espresso und nochmal Wasser. Auf Essen hab ich keine Lust.

Ich wechsele die Klamotten. Die Schuhe wechsele ich nicht. Die Füße sind okay. Neue Strümpfe gibt es aber. Außerdem muss ich mir das Knie tapen. Seit einer Weile springt am Knie meine linke Sehne bei jedem Schritt bergauf. Ein Band unterhalb des Knies sorgt für Abhilfe. Die Hälfte des Rennens ist geschafft. Ich liege gut dreieinhalb Stunden vor dem Cutoff und es sind nur noch zwei Marathons.

 

Zum Klettersteig

 

Gut erholt, gut hydriert, hoch motiviert und ausgestattet mit Helm, geht es nach einem letzten Espresso nach draußen. Die Hitze raubt einem fast den Atem. Es hat 35 Grad im Schatten, der aber nur spärlich vorhanden ist. Ein Stück geht es noch bergab, dann kommt ein schonungsloser Anstieg. Zuerst noch recht lieblich, folgen wir dem Ehrwalder Wasserfall-Erlebnisweg. Die Hitze ist brutal. Eben noch topfit, bin ich schlagartig komplett im Sack.

Neben mir rauscht wildes Wasser zu Tal. Ich stelle mir vor, dass ich mich einfach in den Bach lege und das kühle Wasser läuft über mich. Wahrscheinlich würde ich sterben, aber das wäre ein schöner Tod. In Gedanken schwimmt mein Körper im frischen Wasser zu Tal. Fantastisch. Es wird Zeit für ein Koffein-Gel. Ich schütte mir eine anständige Portion Wasser über den Kopf und den ganzen Körper. Jetzt bin ich wieder im Hier und Jetzt. Es läuft sogar ganz gut und ich komme auch wieder ganz gut voran.

 

 
© trailrunning.de 12 Bilder

 

Dann beginnt der Immensteig. Im Anstieg stehen mehrere Warnschilder: Nur für geübte Wanderer. Dann geht es steil nach oben. An einer Ruhebank erinnert uns ein Schild an das Anlegen des Helmes. Olaf läuft auf mich auf. Gemeinsam ziehen wir weiter. Sehr steil und ausgesetzt geht es nach oben. Der schwierige Weg kostet sehr viel Kraft. Jetzt wird der Steig seilversichert. Ich will nicht, dass Olaf mir beim Leiden zuschaut, aber bei ihm ist die Luft auch raus. Wir ziehen uns am Stahlseil in die Höhe. Dann folgen einige Eisenkrampen. Dann wieder Stahlseile, an denen man sich hochziehen muss. Der Schweiß rinnt aus allen Poren und ich bin total erschöpft. Das waren die bisher härtesten Kilometer des Rennens.

Wenig später sind wir wieder an der VP Pestkapelle und damit auf der 100 KM Strecke. Dort geben wir den Helm wieder ab. Einige Läuferinnen und Läufer sitzen im Schatten des Zeltes und erholen sich von der großen Hitze und den Strapazen des Klettersteigs. Anscheinend sind schon viele wegen der mörderischen Hitze ausgestiegen. Bei uns ist der Zeitvorsprung auf’s Cutoff stark geschmolzen. Egal, jetzt folgt ein Downhill und ein moderater Abschnitt  bis zur Hämmermoosalm. Ich halte mich nicht lange auf und ziehe gleich weiter.

 

Weg des Zweifels

 

Es ist später Nachmittag und mein Zeitpuffer ist dahin. Ob die Zeitlimits angepasst werden, war an der Pestkapelle nicht klar. Es hieß aber, dass auch die Elite noch nicht im Ziel ist und damit der erwarteten Ziel-Zeit mehrere Stunden hinterherhinkt. Ich fange an zu rechnen, was zu erheblichen Zweifeln führt, ob ich das nächste Cutoff noch schaffen kann.

Nach der nächsten VP geht es nochmal heftig in die Höhe und den Abstieg habe ich auch in schlechter Erinnerung. An einer Alm checke ich dann bei einem Sprudelwasser und einem Radler mal die Fakten. Die Rennleitung hat eine SMS geschickt mit der Anpassung der Zeitlimits. Leider reicht mein Verstand nicht mehr aus, die SMS zweifelsfrei zu deuten. Olaf schließt auf mich auf und wir beratschlagen unterwegs das weitere Vorgehen.

Neugierige Kühe zwingen uns zu der ein und anderen Umleitung. Sie wollen den Weg einfach nicht für uns freimachen. Wenig später treffen wir auf weitere Läuferinnen und Läufer, die im Zweifel ob des weiteren Rennverlaufes sind. Wenn ich eins bei meinen Ultras gelernt habe, ist es, dass man nach 24 Stunden im Rennen nur noch sehr schwer intelligente Entscheidungen treffen kann und am besten alle Zweifel zur Seite schiebt. Mach das, was Du kannst, und warte was kommt.

 

Wieder in der Spur

 

An der Hämmermoosalm werden wir herzlich empfangen. Die Medical Crew schaut uns tief in die Augen und fragt nach unserem Wohlbefinden. Die Zeitlimits wurden angepasst. Für uns gibt es 5 Stunden Plus. Dann sind wir mit den Limits bei den Läuferinnen und Läufern auf der 100 Km Strecke. Damit hat die Rennleitung unkompliziert und im Sinne aller Läuferinnen und Läufer der 100 Meilen-Premiere eine kluge Entscheidung getroffen.

Es ist später Abend und ich lasse mir Zeit, mich auf die Nacht vorzubereiten. Die Almwirtschaft ist leider schon geschlossen, aber das nette Mädel am VP gibt mir ihr Sprudelwasser. Außerdem stärke ich mich mit einer leckeren Kürbissuppe und Käsetoasts. Ab hier sind wir auf der bekannten 100er Strecke. Das gibt mir Sicherheit. Ich weiß genau, was noch kommt.

 

 
© trailrunning.de 10 Bilder

 

Hoch zum Scharnitzjoch

 

Ich laufe allein los, will mein eigenes Tempo machen. Es wird dunkel und ich bin überrascht, dass ich noch so klar bin. Ich genieße die Stille und bin ganz bei mir. Der Vollmond erscheint rot hinter der Bergkette. Ein guter Fahrweg führt stetig in die Höhe und ich komme gut voran. Ich bin froh, dass die Sonne endlich verschwunden ist. Ab und zu weht jetzt sogar eine frische Brise. Ich versuche die Stimmung mit der Kamera einzufangen, aber dafür reicht das Licht nicht mehr aus.

Kurz vor der Wangalm treffe ich auf eine Gruppe Jugendlicher. Sie teilen mit mir eine Flasche Bier, von dem sie schon einiges getrunken haben. Berghoch begleiten sie mich noch ein Stück bis zur Alm, wo die Bergwacht für uns stationiert ist, dann wird es wieder einsam. Auf technischen Pfaden geht es hoch zum Scharnitzjoch. Schon von weit unten leuchtet in der Höhe das Not-Biwak der Bergwacht, die auf der ganzen Strecke für unsere Sicherheit sorgt. Ein harter Job, der nicht hoch genug wertgeschätzt werden kann.

Nach der netten Begrüßung am Biwak geht es steil und in einem Gewirr aus möglichen Wegen auf endlosem Schotter in die Tiefe. Mehrmals muss ich mich neu orientieren, um halbwegs auf der Spur zu bleiben. Am frühen Morgen, noch in der Dunkelheit, erreiche ich wieder die Zivilisation. Zwei Männer sitzen an einem Häuschen auf einer Bank und warten wohl auf einen Schützling. Mir fällt direkt der Kasten Sprudelwasser ins Auge und ich kaufe den beiden eine Flasche davon ab. Das war jetzt genau das Richtige. Schön kühl fließt es durch die Kehle. Am anschließenden VP Hubertushof nehme ich einen Kaffee und laufe gleich weiter.

 

Tribut an die zweite Nacht

 

Ich bin jetzt irgendwie im Automodus. Die Strecke nehme ich nicht mehr so richtig wahr. Es kommt mir vor, als hätte ich jemanden bei mir, aber da ist natürlich niemand. Ich laufe an einem Fluss entlang und weiß, dass ich die Strecke kenne, fühle mich aber irgendwie deplatziert. Ich weiß, dass mein Hirn nicht mehr korrekt arbeitet und zwinge mich, auf die Markierungen zu achten. Das Dümmste wäre jetzt ein Verlaufen.

Passenderweise erreiche ich die Geisterklamm, der ich ein Stück folge. Dann folgt ein langes Stück entlang einer einsamen Straße. Oder war es umgekehrt? Meine Erinnerung lässt mich für ein paar Stunden etwas im Stich. Jedenfalls ist der Weg einfach zu laufen und ich mache gut Strecke. Am nächsten VP hätte ich die Möglichkeit, mich in einer Hütte mit anderen kurz aufs Ohr zu legen. Ich nehme lieber einen starken Kaffee und ein paar der leckeren Kartoffeln. Ich will die Kühle der Nacht ausnutzen. Wir sind ja noch nicht fertig.

 

Powernap

 

Nach dem VP Mittenwald geht es wieder in die Höhe. Beim ersten Anstieg überholen mich in kurzem Abstand die beiden Erstplatzierten der 100km Strecke. Ich merke, dass ich nur noch Quark im Kopf habe. Ich setze mich im Wald auf eine Bank, stelle mir den Wecker auf 15 Minuten und mache die Augen zu. Pünktlich zum Wecken schließt Olaf wieder auf mich auf. Einigermaßen erfrischt geht es gemeinsam weiter. Dann muss auch Olaf einen Powernap einlegen.

Die Dämmerung beginnt so langsam und die ersten Läuferinnen und Läufer des Ultratrail ziehen an mir vorbei. Alle grüßen sehr nett und haben aufmunternde Worte für mich. Die kann ich auch gut gebrauchen. Denn der Monsterabschluss wartet noch auf mich. Einsam umrunde ich den Ferchensee in der Morgendämmerung. Nebel wabern über das Wasser. Die Stimmung ist einzigartig. Die Nächte gehören zu einem perfekten Lauf einfach dazu.

 

 
© trailrunning.de 17 Bilder

 

Letztes Aufbäumen

 

An dem VP am Schloss Elmau warten die Crews auf ihre Lieben. Auf mich wartet mein Dopbag. Ich wechsele nochmal die Klamotten und auch die Schuhe. Dann lege ich mich auf eine der angebotenen Liegen und mache die Augen zu. Nach der verabredeten halben Stunde weckt mich das Mädel des VP. Das war jetzt bitter nötig und ich fühle mich top. Noch 34 Kilometer. Lachhaft. Noch ein Kaffee und schon geht es gut erholt in den Endspurt. Eine liebliche Strecke führt uns durch die schöne Landschaft. Schade nur, dass die Albspitze noch so weit weg ist.

Die ersten Läuferinnen und Läufer der Marathonstrecke überholen mich. Sie werden mit Kamera-Fahrrädern und Drohnen begleitet. So langsam füllt sich die Strecke. Alle sind gut drauf und man kann die positive Energie spüren, die unseren Sport ausmacht. Hier läuft die Zukunft. Viele ganz junge Männer und junge Frauen sind unterwegs und heben endlich den Altersschnitt der in Deutschland so lange viel zu hoch und zu männlich für eine lebendige Trail-Szene war. Ich genieße die Gemeinschaft. An der Laubhütte, VP 8, lasse ich mir den Bauch voll mit kaltem Brunnenwasser laufen, dann kommt der schwierige Teil.

 

 
© trailrunning.de 20 Bilder

 

Schlussanstieg

 

Ich bin froh, dass ich jetzt unter vielen Gleichgesinnten laufe. Oder besser: steige. Es kommt der letzte Hammer-Anstieg. Nicht enden wollende 1000 Höhenmeter sind zu überwinden. Nach 38 Stunden und 150 Kilometern in den Beinen wird das kein Zuckerschlecken. Das Thermometer ist wieder weit über 30 Grad. Mit den Läuferinnen und Läufern des Mittenwald Trails (44km) kann ich natürlich nicht mithalten. Aber obwohl ich sie ausbremse, haben alle ein nettes Wort des Respekts und der Wertschätzung für mich übrig. Wo es geht, lasse ich die Jungen vorbeiziehen, aber allzu lange stillstehen kann ich auch nicht. Erstens will ich das Ding endlich hinter mich bringen und zweitens verträgt mein Kreislauf den Wechsel nicht so gut. So versuche ich stetig voranzukommen, ohne die anderen zu sehr zu behindern, was auch ganz gut gelingt.

 

Trailparty auf der Alpspitze

 

Schon von ganz unten hört man die Cheeringzone der NOMADS, der Trailcommunity aus Garmisch. Unfassbar welches Feuerwerk die Mädels und Jungs am Ende des schweren Steigs abfackeln. Entlang der letzten Höhenmeter stehen die Fans mit Glocken und Schildern und feuern uns an. Oben auf dem Plateau warten nasse Schwämme und Getränke auf die Läuferinnen und Läufer. Sogar der Drittplatzierte des ZUT 100 steht bereits in der ersten Reihe und feuert mit an. Nach 25,5 Stunden war er im Ziel und steht jetzt hier zum Anfeuern. Unfassbar. Hunderte Angehörige und Freunde warten auf die Ankömmlinge, die euphorisch begrüßt werden. So was kenne ich nur aus Spanien oder aus Sierre Zinal. Für mich ist es fast schon wie ein Zieleinlauf. Das härteste Stück ist geschafft, wobei es noch ein paar hundert Meter hoch geht. Entlang des gesamten Weges sind Cheering-Zonen verschiedener Vereine.

 

 
© trailrunning.de 16 Bilder

 

An der Hochalm ist am VP ein weiteres Highlight. Ich treffe Freunde aus unserem Verein, die mich mit allem versorgen, was ich möchte. Die Stimmung ist hier oben unbeschreiblich. Völlig euphorisch ziehe ich den Berg hoch. Auf der anderen Seite auch wieder Cheering Gruppen, die ich schon von der Strecke kenne. Einer meiner Mitstreiter, der gestern wegen der großen Hitze aussteigen musste, reicht mir ein Bier. An der Schnapsbar (ja, die gibt es wirklich), nehme ich einen Aperol Spritz.

Gut gelaunt und mit der Gewissheit, dass ich das Ding im Sack habe, schaukele ich bergab. Wir kommen nochmal bei den NOMADS vorbei, wo ich viele Bekannte treffe. Läuferinnen aus meinem Verein überholen mich oder begleiten mich ein Stück. Ich hole mir noch eine kalte Dusche ab, dann geht es in den letzten Downhill.

 

Finishline

 

Sehr steil geht es nach unten. Ich versuche zu laufen. Habe keine Lust, jetzt noch unnötig zu trödeln, aber meine Muskulatur ist durch. Die Füße schmerzen. Mein linkes Knie ist geschwollen und mag kein Tempo mehr machen. Das Geröll macht es nicht einfacher und wenn ich ins Rutschen komme, habe ich einfach keine Kraft mehr, mich abzufangen. Also kein Risiko.

Langsam ziehe ich talwärts. Wenn es mal gerade nicht so steil ist, jogge ich ein wenig, aber die Luft ist endgültig raus. Am letzten VP nehme ich noch eine Dusche, dann schaukele ins Tal. Die Hitze ist mörderisch und ich bin froh, als das steile Stück endlich vorbei ist. Eine letzte Abkühlung am Bach und schon bin ich in Garmisch. Am Ortseingang erwartet mich Buki und läuft mit mir bis zum Zielkanal.

Ich habe es geschafft! Meine Uhr zeigt 167 Kilometer und 8650 Höhenmeter. Ich bin mächtig stolz, das Ding zu Ende gebracht zu haben. Es war ein fantastisches Abenteuer und schreit nach einer Wiederholung.

 

 
 
© trailrunning.de

 

 

Fazit

 

Der ZUT ist die größte Traillauf-Veranstaltung Deutschlands und das zurecht. Die Orga lässt nichts zu wünschen übrig. Von A bis Z ist alles durchdacht und gut organisiert. Die Streckenmarkierung ist sehr gut. Ich bin ohne Navigation gelaufen und hatte nie Probleme, die Strecke zu finden.

Die Verpflegungspunkte sind gut ausgestattet und lassen keine Wünsche offen. Die Helferinnen und Helfer machen einen tollen Job. Man fühlt sich immer sicher und in guten Händen. Die Stimmung war auf der gesamten Strecke überragend gut. Ich bin gespannt, wie die gelungene Premiere der 100 Meilen im nächsten Jahr fortgesetzt wird. Mit der diesjährigen Anpassung der Zielzeiten sehe ich ein großes Potential für den Lauf.

Viele Vereine und Initiativen sorgen für ordentliche Stimmung auf der Strecke. Start und Zieleinlauf können sich mit den ganz Großen messen. Eine Teilnahme lohnt sich schon allein wegen der Trailparty auf der Alpspitze. Ich bin im nächsten Jahr wieder dabei. Diesmal als Läufer und zum Anfeuern auf einer der besten Trailpartys Europas.

Eine frühzeitige Anmeldung ist unabdingbar. Die kurzen Strecken sind sehr schnell ausverkauft.

 

Strecken            

ZUT 100                                    164 km/8.302 D+ und 8.302 D-
Ultratrail                                    106 km/5.293 D+ und 5.293 D-
Ehrwald Trail                               86 km/4.080 D+ und 4.420 D-
Leutasch Trail                              68 km/2.870 D+ und 3.370D-
Mittenwald Trail                           44 km/1.860 D+ und 2.080 D-
Garmisch-Partenkirchen Trail     29 km/1.440 D+ und 1.440 D-
Grainau Trail                               16 km/760 D+ und 810 D-

 

 

 

 

Informationen: Zugspitz Ultratrail
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
Zurück zur Übersicht
 
 
 
 
 

Kontakt

Trailrunning.de
Klaus Duwe
Buchenweg 49
76532 Baden-Baden

07221 65485

07221 801621

office@trailrunning.de