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05.10.14 - Trail Marathon Heidelberg

Ich hab´ mein Herz in Heidelberg verloren

Autor: Joe Kelbel

Wer den Philosophenweg erreicht hat, der freut sich diebisch über die Aussicht und den  romantischer Blick hinüber zur Altstadt, dem Schloß und dem Königsstuhl, über den nur der Teil der Läufer kommen wird, der bis jetzt mit seinen Kräften gehaushaltet hat. Rechter Hand  die neblig-sonnige Rheinebene.

Hinter mir Hochlandasiaten, denen ich ein lautes „Goethe! Geil!“ entgegenbrülle. Super: Der eine hält meine Lumix falsch und blitzt sich voll ins Auge! Der Rest der Sherpas klopft sich wiehernd auf die Schenkel, während Kim So Blitz benommen rumtorkelt. Jetzt muss ich mich aber zusammenreissen!

Der Elisabeth-Charlotte-von-der-Pfalz-Gedenkstein. Die Lieselotte, Enkelin von Elisabeth Stuart, hat uns ein paar schmutzige Brief hinterlassen. Da sind meine Laufberichte Hochliteratur!

 
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Zwischen den Bäumen sieht man die Bismarcksäule. Etwa 50 derartige Säulen gibt es in Deutschland. Ich habe mal mit ner Studentenverbindungen das Leuchtfeuer oben in der Säule in Köln zur Ehre des Reichsgründers angezündet, ging gehörig schief. Ist jetzt verboten.

Verboten gehört auch der weitere Aufstieg zum Heiligenberg, zumindest für Läufer, die denken, dies sei ein Stadtmarathon. Früher hiess der Berg Heidenberg, weil die  Kelten (4.Jahr v.Chr) hier eine riesige Burganlage hinterliessen.

Die Thingstätte, ein Amphitheater, durch das wir jetzt laufen, wurde von den Braunhemden in die Burganlage gebaut. Die hatten keine Probleme damit, aus Kelten germanische Ahnen zu machen. Thing (gesprochen Ding) war die germanische Gerichtsstätte. Wer heute sagt: „Das ist kein Ding!“, der meint damit, dass man über dieses Ereignis nicht reden muss.

 

Jetzt folgt ein gewaltiges Ding!

 

Das 55 Meter tiefe Heidenloch gibt Rätsel auf.  Wir können nicht drüber reden, die Ruine der Michaelsbasilika (1023) können wir nicht sehen. Über den Hegelsteinweg können wir reden, er erinnert an den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Professor für Philosophie an der Uni Heidelberg. Der Weg ist jetzt doch  heftig, technisch noch einfach, so denke ich, aber bis zum Siebenmühlental (km 9 bis 10) habe ich meine Mitstreiter verloren. Äh was? Erst Km 10? Heftig!

Der Aufstieg zum Weissen Stein (548 m, km 20) beginnt asphaltiert, setzt sich fort in einem Singeltrail-Duell mit dem langhaarigen Holländer Leonhard. Seine Tochter studiert in Heidelberg, wohnt im letzten Haus vor der Ziegelhäuserbrücke. „Oh! Beim Hölderlin!“ denkt der Joe, „was an der Brücke wohnt, treibt Philosophen in den Wahnsinn!“

Doch zunächst macht nicht Antje, sondern der Trailmaster seine Spielchen, und die gehen schon Richtung Keufelskopf. Wer diesen Hinweis nicht versteht, der hat noch eine lange Trailkarriere vor sich und flucht jetzt wie ein Rohrreiniger, oder wie der Vogel heisst. Ich jedenfalls lache mich kaputt. Das hier brauche ich! Nein, ich lache schon lange nicht mehr. Was hier kreiert wurde, ist Weltklasse!

 
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Muss an Leonhard, den mit der Zahnlücke, dran bleiben! Bestimmt steht seine bildhübsche Sylvie schon mit einem eiskalten Bier an der Brücke und wartet auf mich, weil er ihr per Handy von mir erzählt hat!  Wir ziehen in Windeseile an vielen, vielen Läufern vorbei, er will seine Tochter sehen, ich will seine Tochter sehen. Wie blöd!

Es geht runter, dann hoch über den Dossenheimer Kopf (539 m), dann wieder runter und hoch zum Glaskopf (485 m, km 23).  Wer sich jetzt noch über fehlende Trails beschwert, der… der…  keine Ahnung, muss mich konzentrieren, ist nicht einfach! Sind jetzt 10 Kilometer Singletrails. Ich bin selten Single, sehr selten, eigentlich gar nicht!

Leonhard ist schnell, sehr schnell, arbeitet an der Blumenbörse. Da, wo man schnell sein muss, wenn die Uhr runterläuft und du dringend ein Gebot abgeben musst. Doch hinter ihm riecht es nicht gerade nach Blumen, weswegen ich vergesse, ein Gebot für seine Tochter abzugeben, diese wunderschöne, oranjeleuchtend-duftende Nelke. 

Leonhard hängt mich ab, meine Oberschenkel wollen nicht mithalten. Zu lange, einfach ewig und zermürbend ist diese Abfahrt!  Kurz vor dem Neckar (km 29) erreiche ich doch wieder den Blumenhändler. Wie heisst seine Tochter? Antje? Sylvie? Egal! Ich seh sie!
Wie ging nochmal dieser romantische Vers?

„Schöne Brücke, magst du ewig stehen,
Ewig aber wird es schon geschehen,
Daß ein bessres Weib hinüber wallt!“

Das also meinte Joseph Viktor von Scheffel. „Es hat nicht sollen sein!“ Foto mit Mareike oder so, dann weiter!  Nein, nein, nein, ich hab mein mein Herz nicht verloren! Auch nicht bei Monika, die sich auf den Zagoramarathon zum Jahreswechsel freut. Mein Herz verliere ich an:

 
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Die Himmelsleiter!

 

Von der Ziegelhäuser Brücke (km 30)  bis zu Himmelsleiter (km 36) ist es ein steigendes, erwartungsvolles, langwieriges Vorspiel. Wirklich kein Spaß, wenn man ahnt, was kommen muss!

Die Himmelsleiter, etwa 1200 Stufen, wurde 1844 angelegt, um den jungen Wald vor den Füssen der Wanderer zu schützen. Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Buch Genesis: Jakob sieht auf seiner Flucht vor Esau die Leiter, auf der die Engel auf- und absteigen.

Ich bin nicht auf der Flucht vor Esau, sondern auf der Flucht vor Ewald. Der grandiose WIBOLT-Finisher stöhnt bei jedem Schritt nicht jugendfrei, sodass sich die Blätter der Bäume rot färben und sich kein Engelchen mehr blicken lässt. Jakob sah sie noch, ich sehe nur einen Jungspunt mit nacktem Oberkörper und gestandene Ultraläufer, die den Weg zum Himmel mit fetten Schweisstropfen garnieren.

Engelsgleich steigt hier niemand hinauf. Jemand fragt mich, ob ich fotografiere, um mich am Leiden der Läufer zu ergötzen. Ich frag´ das Mädchen, ob sie mich fotografieren mag, wenn ich nochmal runter laufe und dann, nur für sie… wieder hoch. Oh, mein Herz, ich hab´s verloren!

Königsstuhl (564 m, km 37), hier bin ich König, ich hab sie alle versägt! Blick zum Rorbachtal. Eichendorff verliebte sich dort in die Tochter des Rohrbacher Küfers. Im Liebesschmerz dichtete er eines der schönsten deutschen Volkslieder:

„In einem kühlen Grunde
da geht ein Mühlenrad
mein' Liebste ist verschwunden die dort gewohnet hat
Sie hat mir Treu versprochen
gab mir ein'n Ring dabei, sie hat die Treu gebrochen,
das Ringlein sprang entzwei.“

An Springen ist nicht mehr zu denken. Es ist schon hochalpin, was sich hier unter meinen Füssen versammelt, nicht versemmelt!  Leichter gesagt als gelaufen! Es sind  nur noch wenige Kilometer, aber ….

„Es geht nur noch bergab!“ sagt der Streckenposten. Glaube niemals einem Streckenposten! Der sieht nicht weit! Schon gar nicht, wenn es wieder bergauf geht. Ich höre den Stadionsprecher, doch es ist noch eine ewige Tortur. Ich grinse wie ein Honigdachs, aber das kommt von den Schmerzen in den Oberschenkeln und die eiern jetzt nicht nur über antikes Kopfsteinpflaster, welches sich aus dem Waldboden hervorkämpft. Es sind uralte Kampfsteine, über die schon Hölderlin und die schöne Marianne von Willemer stolperten, ich rolle und rolle….

Halt! Vollbremsung! Die Nike Free quitschen. Was ist das? Ein Relief, Entdeckungen, bei denen ich schier ausflippe:  „ Dem Maler Ernst Fries“, steht da.  Es klickert! Ernst Fries lebte vor 200 Jahren und hat Landschaftsbilder gemalt! Geile Bilder! Richtig geile! Bitte Leute! Erst meinen Bericht, dann Ernst Fries!

Weiter …Lauf! Lauf ! Lauf, Joe! Mann, gebe ich Gas und dennoch gibt es kein Ende. Man könnte ja an der Strasse langlaufen, aber (danke Bernie, du Sklaventreiber) die Mannheimer sind auf Zack und schicken uns am Strassenrand durcch Dick und Dünn!

 
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Es geht zu Ende. Mit mir auch. Meine letzten Worte: Dieser Trailmarathon ist scharf wie Marianne von Willemer, Johanna Kapp und all die anderen, die an den Brücken von Heidelberg oder in Kühlen Gründen der Nebentäler wohnten.

Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren,
In einer lauen Sommernacht.
Ich war verliebt bis über beide Ohren
Und wie ein Röslein hat ihr Mund gelacht.
Und als wir Abschied nahmen vor den Toren
Beim letzten Kuß, da hab ich's klar erkannt:
Daß ich mein Herz in Heidelberg verloren.
Mein Herz, es schlägt am Neckarstrand.

„Kelbel, Kelbel, Kelbel! Das wird nochmal schlimm enden mit dir!“
(Zitat meines Deutschlehrers, der sich gerade knarzend im Grab umdreht)

 

Einen weiteren Laufbericht (von Klaus Sobirey)
mit vielen Bildern gibt es auf Marathon4you.de

 

Siegerliste Marathon

 

Männer

1 Eisel, Philipp (GER) TV Mußbach 03:32:59
2 Kohmann, Martin (GER)  SG Stern Mannheim 03:36:15
3 Rolli, Markus (GER)  TV Forst Triathlon 03:37:05 

Frauen

1 Grüber, Almuth (GER)  engelhorn sports team  03:42:50 
2 Sina, Manishe (GER)  LG Seligenstadt 04:00:42
3 Loge, Bianca (GER)  LG Rülzheim 04:06:46

392 Finisher

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Informationen: Trail Marathon Heidelberg
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