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11.09.11 - Schorfheide Marathon

Für die Seele - der 10. Schorfheidelauf 2011

Bei km 10 laufen wir ein Stück durch ein Maisfeld, prall in der Sonne. Da ist eine von insgesamt 10 Verpflegungsstellen willkommen. Von überaus netten Damen und Mädchen werden Wasser, Iso und Cola gereicht. Handfest gibt es Salzbrezeln, Bananen und manchmal auch Schokoladenriegel. Das Angebot ist für mich ausreichend, es gibt mir die nötigen Energieschübe für die nächsten km. Auch die zahlreichen Streckenposten sind allesamt freundlich, manchmal erschallt im Wald ein Echo von ihrem in die Hände klatschenden Applaus. Das tut gut, wah!

 
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Für kurze Zeit nehmen wir den fröhlichen Jens Peter in unsere Gruppe auf. Und nein, er kommt nicht aus Berlin, sondern aus Bad Oldesloe. Wir sind so bei km 15 und wieder drin im Wald, mit Hügeln, Matsch und gottlob auch Schatten. Der Ultraläufer Helfried sagt, dass er den Schorfheidemarathon schon mehrere Male gelaufen ist und dies auch gern mal unter 4 Stunden schaffen würde. "Bei den Temperaturen heute ist das natürlich nicht drin. Und überhaupt, ist das hier, meine Alpenmarathons und Ultras eingeschlossen, der schwierigste Lauf für mich." Das nun kann Thomas gar nicht fassen, der meint der Brockenmarathon müsse doch wohl schwieriger sein. "Ist er nicht, du wirst es erleben. Es sind die ewigen Wechsel von Auf und Ab und vor allem der weich matschige Untergrund hier." Thomas bleibt skeptisch und wir anderen schweigen besser weise dazu. 

Die Hälfte ist geschafft und es geht durch Wald, durch Wald und durch Wald, hoch und runter, an kleineren Seen und Mooren vorbei... Jens Peter hat wieder abreißen lassen, wir laufen ungefähr im 6'er Schnitt. Vorneweg laufen die erfahreneren Helfried und Oliver. Um den redseligen Thomas ist es ruhiger geworden, sein Schritt wirkt schwerer. Ich bin mittlerweile auch ruhiger, halte zu den beiden vorn aber den Anschluss. Sie reden weiter über diesen und jenen Alpenmarathon, da kann ich nicht mitreden. Einen Ultra habe ich auch noch nicht vorzuweisen, aber Kyffhäuser, Rennsteig und Brocken kenne ich. Letztere zwei waren 2002 übrigens die Vorbilder für den ersten Schorfheidelauf. Der Marathon hier ist seit 2006 im Programm. Welcher nun der Schwierigste ist, vermag ich noch nicht zu sagen. Aber ich bin dabei, es herauszufinden.

Es hatte sich angedeutet, Thomas muss abreißen lassen. Ich stelle mir die Frage, wie lange ich wohl mit Helfried und Oliver noch mithalten kann?

Ungewohnt geht es ein-zwei km auf einer Asphaltstraße durch den Wald. Ich finde mich plötzlich in der ersten Reihe neben Oliver als Tempovorgeber wieder. Km 24 die nächste Verpflegung. "Jetzt kommt das wohl schwierigste Stück", sagt Helfried und lässt sich bewusst zurückfallen.

Ich laufe ein wenig unsicher hinter Oliver, zunächst auf einem stoppeligen Feldweg unter üppig voll hängenden Apfelbäumen, ich knicke einmal mit dem linken Fuß um. Doch gleich geht es aufs freie Feld unter die pure Sonne, 4 km lang. Dazu bleibt es hügelig. Oliver geht die Anstiege hinauf. Ich laufe vorneweg, soweit es geht. Durchlaufen ist meine Devise und: bloß raus aus der Sonne. Doch der schattige Wald lässt auf sich warten. Zweimal bücke ich mich nieder und tauche meine Mütze in eine Pfütze auf dem Weg: kurze Zeit Kühlung von oben. Ich laufe weiter und überhole ein paar junge Männer, denen die Erschöpfung deutlich anzusehen ist. Ich halte das Tempo, ungefähr im 6'er Schnitt. Es geht hinter mir nur einer mit: Robert aus Hohen Neuendorf, bei Berlin.

Endlich erreichen wir den Ort Wollertz, ein Streckenposten kündigt den baldigen Verpflegungspunkt an. Dieser wird heiß ersehnt. Zuvor überholt Robert mich noch. Am VP nach 28 km sind einige versammelt. Hier steht auch eine Wasserschüssel mit Schwämmen. Einer fragt: "Wisst ihr, wie warm es heute ist?" "Ja, 27 Grad", kommt die freundliche Antwort der Helferin. Darauf schweigen, es geht wieder in den Wald.

Um diese Uhrzeit etwa findet in der Altkünkendorfer Kirche eine Andacht statt, an der meine Frau Gabi teilnimmt. Der Pastor spricht vom Atem, den man sich im Leben gut einteilen muss. So auch beim Laufen. Mit dem Durchtrennen der Nabelschnur macht der Mensch seinen ersten eigenen Atemzug. Der Pastor, selbst einmal Läufer, schätzt das Glücksgefühl, welches sich nach dem Laufen einstellt.

Wir sind davon noch eine gute Weile entfernt. Aber genießen darf, wer kann, jetzt schon. Es folgt ein herrlicher Trail am Nordufer des Wolletzsees entlang. Der Pfad schwingt sich durch Schilflandschaften über zahlreiche Wurzeln direkt am Wasser entlang. Zweimal stolpere ich, weil ich einmal zu dicht auflaufe und ein anders mal zu sehr in die Landschaft blicke. Nach 30 km geht es mir noch recht gut, aber ich warte auf eine Art Einbruch, weil ich kein "Hitzeläufer" bin. Nach 32 km schlürfe ich mein Gel, ich rechne bald mit der nächsten Verpflegung. Doch die lässt bis km 34 auf sich warten, denn knapp sechs km hält der Trail an. Dort endlich wieder Brezeln und Iso und Cola. Wieder sind hier einige überaus lange versammelt, auch Robert ist schon da. Ich bin vor ihm wieder unterwegs, doch er folgt mir auf dem Fuße.

Wir laufen an einer Garten- und Bootskolonie entlang. Zwei Frauen kommen aus ihrem Garten und feuern an. Sie fragen und ich antworte: "34 km haben wir. Noch acht!" Und ich reiße überschwänglich die Arme hoch. Ich habe einen flachen Weg am Südufer des Wolletzsees zurück Richtung Altkünkendorf erwartet. Doch die rot-weißen Absperrbänder weisen plötzlich links ab in den Wald und hinauf. Die Worte bei der Streckeneinweisung kommen mir in den Sinn: "Wenn ihr glaubt, es ist bald vorbei, irrt ihr euch, es geht erst richtig los." Bis km 35 hielt sich meine Überlegung, ob der Kyffhäuser oder der Schorfheide der schwierigere Marathon ist, noch die Waage. Aber das Restprogramm ließ meine Meinung kippen: Der Schorfheidemarathon ist schwerer. Helfried hat recht. Irgendwas zwischen 600 und 700 Höhenmetern sollen sich auf dieser Strecke verstecken.

Unermüdlich geht es durch den Wald hinauf und hinab, das ist echter Mittelgebirgscharakter. Nach einer giftigen 180 Grad Serpentine knicke ich zum zweiten Mal um. Es schmerzt aber lässt auch wieder nach, ich kann weiter laufen. Und zähle die km herunter: noch 6, noch 5, noch 4. Bei km 38 noch einmal Verpflegung. Immer noch laufen wir durch den Wald. Und ich halte mein Tempo, mache ein paar Platzierungen gut, auch Robert ist nicht mehr hinter mir zu sehen.

Ich stutze, als es bei km 40 schon wieder Verpflegung gibt. Die beiden netten jungen Frauen reichen mir eine große Wasserflasche und ich gieße mir Kühlung über den Kopf. Herrlich! Jetzt muss das Schlimmste doch geschafft sein. Doch die jungen Frauen warnen mich vor: "Jetzt schön aufpassen, es kommen ein paar Wildschweinkuhlen." Ich spüre bald, was sie meinten. Es folgen zwei km über Wiesen-Stoppelweg. Ein Laufen wie auf Eiern, eine Tortur für Muskeln und Gelenke. Und dazu am Rande eines Maisfeldes unter der prallen Sonne.

Der letzte erleichternde Atem, den ich noch übrig habe, entweicht mir, als ich das Ortsschild von Altkünkendorf sehe. Die Pflastersteinstraße entlang, noch zwei, drei Kurven und ich laufe unter namentlich moderierender Ankündigung auf grünem Teppich ins Ziel: Geschafft. Mein 20. Marathon immerhin, wahrscheinlich der Härteste, auf jeden Fall einer der nachhaltigsten und schönsten. Ich bin stolz ihn geschafft zu haben, stolz mir den Atem heute richtig eingeteilt zu haben.

 
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Um die Kirche gibt es Tische, Bänke, Stände. Erdinger Alkoholfrei, Erbsensuppe, Kaffee und Kuchen sind im Programm. Und sofort kann sich jeder die Urkunde ausdrucken lassen. Ich spreche kurz mit dem Ortsvorsteher von Altkünkendorf und habe nur lobende Worte.

Dann nehmen wir die Siegerehrung wahr. Zunächst die ersten drei Damen, dann die Herren. Uwe Langer vom 1.FC Union Berlin gewinnt zum vierten Mal in Folge. Solange er gewinnt, muss er kein Startgeld zahlen. Aber auch er spricht es aus: "Dies ist der schwerste Marathon, den ich bisher gelaufen bin." Und er kommt jedes Jahr wieder. Im nächsten Jahr Sieg Nummer fünf? Gute Frage. Die Konkurrenz sitzt ihm im Nacken und der Bekanntheitsgrad der Veranstaltung dürfte steigen.

Auch wenn der Lauf von den Berlinern dominiert bleiben wird, wah, lohnt die längere Anfahrt auch für andere Liebhaber von Landschaftsläufen. Bei den bisher Teilnehmenden ist die Veranstaltung überaus beliebt. Jetzt auch bei mir. Kann ich doch aus Erfahrung sprechen. Die schmerzenden Muskeln werden schnell vergessen sein. Das Erlebnis für die Seele aber wird lange anhalten.
 
42,195 km Gesamtwertung
Frauen

1.  Wahl, Marita  VS Blankenfelde 4:01:49 h
2.  Weise, Franziska  Jühnsdorf 4:06:25 h
3.  Scheffler, Susanne Freising 4:10:00 h

Männer

1. Laenger, Uwe  1.FC UNION BERLIN 3:03:48 h
2. Seher, Daniel  TSG Weisswasser 3:06:09 h
3. Klos, Stefan  Spreeläufer Berlin 3:20:26 h

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Informationen: Schorfheide Marathon
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