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07.04.17 - Special Event

Rheinsteig-Erlebnislauf (1. Etappe)

Wider die DMD

 

Sie haben DMD. Aber wer weiß schon, was das bedeutet? Wenn kleine Kinder hinfallen, denken die Eltern oft, sie seien ungeschickt, und erfahren dann zu ihrem Schrecken von der furchtbaren Duchenne Muskeldystrophie. Die Muskeln werden immer schwächer, bis das Leben im Rollstuhl endet, weil sie elend ersticken, wenn der Muskelschwund siegt. DMD ist selten. Für die Betroffenen ist das aber nur ein schwacher Trost: 2.500 Jungs in Deutschland leiden darunter. Und dann gibt es auch nur wenige Forscher, die sich der Bekämpfung dieser Geißel widmen. Weil die Fallzahlen zu niedrig sind, das Forschen sich also nicht „lohnt“. Aber es ist ihre einzige Hoffnung. Und dafür laufen wir.

Bereits zum zwölften Mal organisieren Brigitte und Rudolf Mahlburg ihren Acht-Tage-Lauf den kompletten Rheinsteig entlang von Bonn nach Wiesbaden über 320 km und 11.700 Höhenmeter. Jedes Jahr springen bei diesem Benefizlauf tausende Euros zugunsten der Stiftung „Benni & Co“ heraus, die sich dem Kampf gegen DMD verschrieben hat. Wer wie ich Benni persönlich kennt und näherungsweise weiß, wie stark sich das Leben seiner Familie um ihn dreht, ja drehen muß, wird ganz still ob des eigenen Glücks, gesund zu sein. Pro km spenden die Komplettläufer aller acht Etappen von Bonn nach Wiesbaden einen halben Euro, die Etappenläufer 20 € pro Teilstück, gerne kann mehr gegeben werden. Bevor ich es vergesse: Bis einschl. Karfreitag könnt Ihr noch kurzentschlossen dabei sein.

Alle Infos unter www.rheinsteig-erlebnislauf.de

 

 
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Ich fahre ans heutige Etappenende nach Unkel/Scheuren, wo mich der nette Hotelier zum Start mitnimmt. Ein tolles Prinzip, welches das Gepäck-Transportproblem löst: Immer holt der nächste Gastwirt das gesamte Gepäck am Etappenstart ab. Wie jeden Tag wird um 8:30 Uhr gestartet und wieder begleiten uns die Kindergartenkinder von nebenan auf den ersten Metern, Hand in Hand geht es los. Dann haben wir ein Einsehen. Nämlich mit den Erzieherinnen, die bereits schwer am Pumpen sind, die Kleinen könnten durchaus noch weiterlaufen. Bergab geht es in die Bonner Innenstadt zum alten Rathaus. Dort, am offiziellen Beginn des Rheinsteigs, werden wir, das sind heute knapp zwanzig Läuferinnen und Läufer, von der Stadtverwaltung, dem Hauptsponsor und der Vorsitzenden des Vereins öffentlichkeitswirksam begrüßt und pressebegleitet auf die Reise geschickt.

Noch zunächst über den Rhein nach Beuel, durch die Telekom-Zentrale, über die Autobahn und durch einen Vorort steht bald die erste Steigung zum sog. Foveaux-Häuschen an. Dies ist ein 1820 errichteter netter Aussichtspunkt, an dem eine erste kurze Rast eingelegt wird. Für diejenigen, die diese Art der Fortbewegung nicht kennen: Es eine Art „Wanderlauf“, die Gruppe bleibt zusammen, geht die Bergaufstücke, joggt die Geraden und läuft bergab.

Trotzdem sollte die Veranstaltung aus sportlicher Sicht nicht unterschätzt werden. Die Laufgruppe hat wegen der Tagesläufer ein täglich wechselndes, großes Teilnehmerfeld mit stark unterschiedlichem individuellem Leistungsvermögen. Dies stellt die Gruppe im wahrsten Sinne des Wortes vor eine Zerreißprobe. Der Lösungsansatz ist, auch wenn nicht alle händchenhaltend durch den Wald laufen müssen, in Sicht- bzw. Rufkontakt zu bleiben. Denn wenn die Schnellen schnell vorlaufen, müssen sie ganz schnell auch schnell warten, weil den etwas Langsameren auch eine schnelle Pause gegönnt sein will, wenn sie die Schnellen wieder eingeholt haben. Und zur Vermeidung eines Stop and Go-Effektes gibt es die Möglichkeiten des Entgegenlaufens, des Genießens von Aussichtspunkten, die nicht zum „Pflichtprogramm“ gehören und die Tatsache, daß schlußendlich die Gruppe das Tagesdurchschnittstempo bestimmt, weil das Tagesziel in jedem Fall gemeinsam erreicht wird.

 

 
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Wir entern den Wald, der sich hier noch Ennert nennt, bevor er später zum Siebengebirge wird. Oberhalb der unmittelbar am Rhein verlaufenden B 42 geht es rheinaufwärts über gute Waldwege in Richtung Oberdollendorf. Das nördlichste rheinische Weinanbaugebiet gewährt jede Menge schöne Blicke über die Wingerte (Weinberge). Der markante Petersberg mit dem Steigenberger Hotel auf der Spitze (früheres Gästehaus der Bundesregierung) ist unser nächstes Ziel, das wir durch ein kleines Tor auf steilem Weg erklimmen. Von dessen Terrassenseite aus kann man einen unvergleichlichen Blick auf das gegenüberliegende Bonn genießen, wenn das Wetter stimmt. Wir wollen uns nicht beschweren, es ist zwar diesig, aber zumindest trocken. Hier machen wir, wie immer, eine kleine Rast und nutzen auch die saubere, geheizte (!) Toilettenanlage.

Den Petersberg müssen wir wieder über viele Stufen hinunter, die feucht ganz schön gefährlich sind. Jogi Löw würde sagen: Höckschte Aufmerksamkeit! Sehr aufmerksam müssen wir auch deshalb laufen, denn schnell hat man mal eine Abzweigung verpaßt und muß wieder den Pfad der Tugend finden. Wir überwinden den vielbefahrenen Zubringer zur A 3 und sind im Gelände der traditionellen Läufe des LT Siebengebirge. Vom Geisberg haben wir eine tolle Sicht rheinaufwärts, bevor uns der Weg wieder hinabführt. Wir passieren nach einer langen Bergabpassage das sog. Milchhäuschen, ein hochbeliebtes Ausflugslokal.

Der nächste dicke Brocken, das erkennen wir nach der Unterquerung der Gleisanlage schnell, wird der Drachenfels. Zwischenziel auf dem Weg zum „höchsten Berg Hollands“ (früher fielen die Kameraden hier zu Tausenden ein) ist zunächst die Drachenburg, ein frisch renovierter Traum in Stein mit wechselvoller Geschichte. (Erst) 1882 legte Baron Stephan von Sarter, er war durch Börsenspekulationen zu großem Reichtum gelangt, den Grundstein zu seinem repräsentativen Wohnsitz, einer Mischung aus Villa, Burg und Schloss. Er wohnte hier zwar nie, hinterließ uns aber ein Kleinod, an dem vorbeizulaufen eine Freude ist. Leider bleibt uns heute durch eine Drachenfels-baubedingte Umleitung des Rheinsteigs dieser Anblick verwehrt. Wer hier noch nicht dabei war, hat echt etwas verpaßt.

Weiter geht es den Drachenfels steil hinauf. Früher wurden die Holländer in Bataillonsstärke auf Eseln hinaufbefördert. Leider ist der Eselsweg wegen Hangsicherungsarbeiten für ein Jahr gesperrt, weshalb wir eine Ausweichstrecke nehmen müssen. Wir teilen uns etwas unterhalb der Bergspitze, einige nehmen eine Abkürzung, die meisten aber wollen ganz nach oben. Hier angekommen überwältigt uns der Blick schlechthin. Auf der anderen Seite geht es wieder herunter Richtung Rhöndorf, der Heimat unseres ersten Bundeskanzlers, Konrad Adenauer. Erst kürzlich habe ich es endlich geschafft, mir sein Wohnhaus anzusehen, kaum daß ich fünfzehn Jahre hier wohne. Es ist ein lohnenswertes Ausflugsziel.

Nach dem Erklimmen des Breibergs, umrunden wir (leider nur) die ruinöse Löwenburg. Nach 34,5 km legen wir eine etwas längere Rast im dortigen Gasthaus ein. Herrlich, auf den Tischen sind jede Menge Kaltgetränke bereitgestellt, Wasser, Apfelschorle und Cola können kaum so schnell nachgereicht werden, wie sie in unseren Hälsen verschwinden. Ich sage nur: Rhabarberstreusel und Milchkaffee. Es geht uns gut. Erstaunlicherweise komme ich nach der Sitzpause problemlos wieder in den Laufmodus. Anschließend stürzen wir uns hinab ins Schmelztal. Seit 1753 wurde hier für rund 120 Jahre intensiver Bergbau (Kupfer, Blei, Zink und Eisen) inkl. des Schmelzens (daher der Name des Tals) betrieben werden.

Wieder hinauf geht’s zum Leyberg. Nach 38 gemeinsamen km ergibt meine Raum-/Zeitberechnung eine zu erwartende deutliche Verspätung gegenüber der Planung und wir sind noch auf einen Geburtstag eingeladen. Daher ergreife ich die Flucht nach vorne und nehme die Beine in die Hände. Morgen Abend werden wir uns beim Abendessen anläßlich des Treffens mit dem glücklicherweise noch lebenden Namensgeber der Aktion, Benni, wiedersehen. Das gemalte „Auge Gottes“ auf diesem Heiligenhäuschen erinnert mich an meine früheren Türkeiurlaube. Auch befindet sich hier immer eine Verpflegungsstelle beim Siebengebirgsmarathon. Der anschließende Weg führt uns vorbei an einigen interessanten Bildstöcken.

 

 
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Dann sind es nach einer ganz langen Bergabpassage nur noch ein paar hundert Meter ins Etappenziel nach Scheuren. Nach 52 km und guten 1.600 Höhenmetern ist es dann geschafft und die verdutzten Begleitpersonen, die mehr als einen Läufer erwartet hatten, muß ich noch etwas vertrösten. Immer wieder gerne bin ich hier dabei, Ihr habt die Fotos gesehen und könnt es gewiß nachvollziehen. Und Ihr habt die Chance dabeizusein. Entweder noch bis Karfreitag als Etappenläufer oder bei der 13. Ausgabe im kommenden Jahr über die komplette Distanz. Irgendwo werde auch ich bestimmt wieder mitmischen.

Ach ja – dann gilt es, doch tatsächlich noch ein Tränchen zu quetschen, denn Brigitte und Rolf hören auf. Nein, natürlich nicht mit dem Laufen und schon gar nicht mit dem Rheinsteig-Erlebnislauf. Aber nachdem sich beide schon eine Weile im wohlverdienten Ruhestand befinden und überraschenderweise bemerkt haben, daß sie auch nicht jünger werden, haben sie sich entschlossen, die Leitung des REL rechtzeitig in jüngere Hände zu übergeben. So werden also Helmut und Björn mit ihren Frauen zukünftig die Verantwortung tragen und dafür sorgen, daß es diese schöne Veranstaltung noch viele Jahre geben wird. Dafür gebührt ihnen unser verschärfter Dank und auch weiterhin meine Teilnahme.

 


 
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