Bei uns ist La Plagne in erster Linie als spektakuläre Bergankunft der Tour de France bekannt. Vielleicht kennt man auch noch den Namen, weil dort 1992 bei den Olympischen Winterspielen die Wettbewerbe im Rennrodeln und Bobfahren im ersten künstlichen Eiskanal Frankreichs ausgerichtet wurden. Bekannter dürfte der Name bei den Skifahrern sein. Das schneesichere Gebiet verfügt auf 225 Pistenkilometern über 130 Abfahrten. 110 Liftanlagen bringen dabei die Sportlerinnen und Sportler bis auf den Gletscher Bellecôte, und die größte Personenseilbahn der Welt verbindet die Skigebiete von La Plagne und Les Arcs zum Skipassverbund Paradiski.
Mein Laufkumpel Swen hat mich auf das Rennen in La Plagne aufmerksam gemacht. Im Netz habe ich einen Film über den Sprint durch den Kanal der Bobbahn gefunden und schon war das Feuer entfacht.
Anfang August findet LA 6000D Trail de Legende mit vielen verschiedenen Strecken statt. Am besten gefällt mir der Ultra. Er führt auf technisch einfacher Strecke bis ganz hoch auf den Gletscher und ist mit 69 Kilometern und 3400 Höhenmetern auch zwischendurch gut machbar. Es gibt für den Ultra unglaubliche 2000 Startplätze, die gewöhnlich immer ausverkauft sind. Das muss ich mir unbedingt anschauen.
Einen kleinen Vorgeschmack konnte ich schon bei meinem Sommerurlaub bekommen. Bei unserer Fahrt nach Südfrankreich haben wir die Gegend gestreift. Blöderweise habe ich mir bei der neunstündigen Heimfahrt eine Thrombose eingefangen und muss drei Wochen lang die Beine stillhalten. Bewegung ja, aber einen harten Ultra in den Bergen, das geht nicht. So ein Mist. Ich hatte mich so lange auf diesen Lauf gefreut und nun das.
Naja, das Hotel ist gebucht, das Wetter ist perfekt gemeldet und es gibt ein schönes Rahmenprogramm. Ich werde also Buki und Astrid supporten und mir die Strecke und das Rennen als Zuschauer gönnen. Der Lauf ist mit Shuttle-Bussen und kostenloser Seilbahn perfekt für Zuschauer. Statt Laufschuhe, packe ich diesmal eben eine Schelle zum Anfeuern und die große Kamera ein und steige am frühen Freitagmorgen zu meinen Freunden ins Auto.
Nach sechseinhalb Stunden gemütlicher Autofahrt erreichen wir den Start- und Zielort Aime. Gerade mal 2.400 Einwohner hat das schmucke Örtchen, das bereits in der Antike ein Hauptort des Bergvolks der Ceuronen war. Ganz so lange gibt es den Lauf noch nicht, aber man kann schon behaupten, dass LA 6000D eine Wiege des Trailsports darstellt. Die Veranstaltung gibt es schon seit 35 Jahren und in Frankreich ist sie sehr bekannt.
Wir parken etwas außerhalb und sehen, wie gerade der letzte Kilometer des Rennens mit einem großen Schild markiert wird. Ich könnte heulen, dass ich nicht mitlaufen kann, aber was nicht geht, geht eben nicht. Auf der Isère, die hier fließt, tummeln sich ein paar Rafts und Kajaks, im kleinen Ort viele Läuferinnen und Läufer.
Der Ortskern ist bereits abgesperrt und rund um die Basilika Saint-Martin ist schon alles für Start und Ziel hergerichtet. Wir holen unsere Startnummern im Gemeindesaal ab und schlendern anschließend über die Trail Expo, wo wir unseren Startgutschein gegen eine Mütze eintauschen. Die ein und andere Kleinigkeit wandert auch noch in den Rucksack.
Es herrscht bereits eine tolle Stimmung. Man spürt die Vorfreude und die Spannung der vielen Läuferinnen und Läufer. Nach einem leckeren Bier, gebraut mit Gletscherwasser vom Mont Blanc, fahren wir zu unserer Pension im nahegelegenen Longefoy. Auf unserem Spaziergang durch das kleine Bergdörfchen sehen wir die Streckenmarkierung für morgen. Hier kommen die Ultras also durch.
Das Wetter ist herrlich. Sonne pur und zum Laufen eigentlich viel zu warm. Aber für morgen ist die Wettervorhersage jetzt doch nicht mehr so gut. Schon den ganzen Tag über verschlechtert sie sich stündlich. Am Vormittag wird es regnen, und erst ab 11 Uhr soll es wieder besser werden.
In unserem Hotel sind nur Läufer und Leute von der Orga untergebracht. Es lohnt sich, frühzeitig zu reservieren. Die Unterkünfte in der Nähe von Aime sind immer frühzeitig ausgebucht. Abends gibt es für alle einen leckeren Nudelteller mit Dessert. Ein letzter Schlummertrunk und dann geht es gleich ins Bett. Morgen früh, oder besser heute Nacht klingelt um drei Uhr der Wecker.
Um drei Uhr ist Wecken. Die Wirtin hat für uns bereits ein Frühstück vorbereitet. Entgegen der Vorhersage ist es noch trocken. Das ist schon mal ein guter Anfang. Trotzdem wird die Winterkleidung eingepackt. Man weiß ja nie. In meinen Rucksack wandert für jeden noch eine Garnitur zum Wechseln, dann geht es mit dem Auto zum Start. Die Parkplätze sind schon gut belegt. Die Straßen sind voller Läuferinnen und Läufer. Dazu kommen sehr viele Angehörige zum Anfeuern.
Die Stimmung ist phänomenal. Fast zweitausend Läuferinnen und Läufer stehen für den Ultra im Startkanal. Nochmal so viele Zuschauer säumen die ersten hundert Meter der Strecke. Die Basilika wird mit einer Lichtinstallation illuminiert und zaubert eine ganz besondere Stimmung. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich auf der falschen Seite der Absperrung stehe. So ein Mist. Buki und Astrid verschwinden nach dem Check-In schnell in der Menge und ich versuche mit der Kamera ein wenig von dem Flair einzufangen.
Pünktlich um fünf Uhr werden die Läuferinnen und Läufer auf die Strecke geschickt. Gleich darauf beginnt die Startaufstellung für den Marathon, der eine halbe Stunde später gestartet wird. Mit Tausend Tickets ist auch diese Strecke ausverkauft. Wahnsinn. Ich warte auch diesen Start noch ab und schlendere hinter den letzten Läufern zum Auto.
Der erste Kilometer geht leicht bergab bis ins Tal der Isère. Danach folgen drei flache Kilometer zum Einlaufen. Dann kommt der Anstieg, der quasi bis zum Gletscher reicht. Dazwischen gibt es nur wenige kurze bergab Passagen. Vom Parkplatz erkenne ich die Lichter der Stirnlampen, die immer mal durch die Lücken im Wald aufblitzen. Eine lange Kette von Läuferinnen und Läufern zieht sich den Berg hoch. Immerhin ist die Steigung moderat und führt meistens über Fahrwege. Anders lässt sich die große Menge der Teilnehmenden auch nicht organisieren. Die Strecke der Marathonis ist etwas kürzer und steiler und trifft an der Bobbahn etwa zur gleichen Zeit auf die Ultras.
Mein Weg führt über die vielen Kehren der Tour de France, auf denen vor genau einer Woche die letzte Berg-Etappe stattgefunden hat. Die Straße ist vollgemalt mit Namen der Fahrer und ich erinnere mich an den spektakulären Schlussanstieg. Leider beginnt es jetzt zu regnen und als ich das Auto an der Straße an der Bobbahn abstelle, schüttet es wie aus Kübeln. Zum Glück ist es in der Anlage trocken. Hunderte Angehörige stehen oben am Ausgang und jubeln den Ankommenden zu. Begleitet werden sie von einer großen Samba-Truppe, die ordentlich Stimmung macht. Ich gehe ein Stück bergab in die Röhre und versuche etwas von der Stimmung einzufangen.
Die Läuferinnen und Läufer strahlen um die Wette. Sie werden frenetisch angefeuert und haben sichtlich Spaß. Die Bobbahn ist gerade so breit, dass man noch überholen kann, aber es gibt kein Gerangel, auch wenn die Ultras und die Marathonis gleichzeitig in der Röhre unterwegs sind. Astrid kommt mir strahlend entgegen. Sie genießt das Rennen sehr. Buki folgt Ihr fünfzehn Minuten später. Es regnet jetzt draußen wie aus Kübeln und die beiden tun mir echt leid. Fast bin ich froh, dass ich diesmal trocken und warm eingepackt das Rennen von außen beobachten kann.
Eigentlich sollte das Wetter im Laufe des Morgens besser werden, aber davon ist jetzt keine Spur. Ich bleibe noch ein wenig an der Bobbahn und fahre erst weiter, als der Regen etwas nachgelassen hat. Buki und Astrid müssen noch etwa 7 Kilometer bis La Plagne Centre laufen, wo sie sich in der riesigen Verpflegungsstation komplett umziehen und sich für die Höhe trocken und warm einkleiden.
Ich fahre von der Bobbahn direkt nach Belle Plagne zur Seilbahn. Glücklicherweise ergattere ich direkt einen Parkplatz. Die Haltestelle vom Shuttlebus in Plagne Bellecôte, wo man gut parken kann, habe ich irgendwie im Regen übersehen. Belle Plagne lebt quasi nur vom Wintersport. Die riesigen Hotelanlagen stehen im Sommer wohl weitestgehend leer. In den steilen Berg gebaut, sind die verschiedenen Ebenen mit Treppenanlagen, Rolltreppen und Aufzügen verbunden. Die Gassen mit kleinen Geschäften, Bars und Restaurants wirken trotzdem heimelig. Alles aus Holz und Naturstein, lassen sie die Bettenburgen rundherum vergessen. In einer Bäckerei kaufe ich mir ein leckeres Sandwich und einen Kaffee. Vor der angrenzenden Terrasse geht die Strecke vorbei und die ersten Läufer schießen schon zu Tal.
Ich fahre mit der Seilbahn hoch zum Roche de Mio. Die Trasse führt mich direkt in die Wolken und außer fünf Meter Kabel und ab und zu einen Pfeiler kann ich nichts sehen. Der Regen klatscht gegen die Kabine. Oben angekommen, das gleiche Bild. Eiskalt, windig, Regen und die Sicht beträgt keine zwanzig Meter. Also steige ich gleich in die andere Seilbahn hoch zum Gletscher.
An der Zwischenstation sehe ich unter mir den VP am Scheitelpunkt La Chiaupe. Es regnet und stürmt und so bleibe ich in der Gondel sitzen und fahre direkt hoch zum Live 3000, wie die Gipfelstation heißt.
Die Sicht liegt immer noch bei Null. Allerdings klatscht jetzt kein Regen mehr an die Kabine, sondern Schneematsch. Die Bergankunft ist dann auch sehr ungemütlich. Die Leute an der VP preisen ihre warme Suppe an, aber die Ankommenden wollen so schnell wie möglich wieder nach unten. Viele sind aber auch durchgefroren und wärmen sich in einem Wärmeraum auf, der gut gefüllt ist. Eingepackt in Rettungsdecken zittern die Armen um die Wette. Einige werden auch im Café in dem ich mich aufwärme, von ihren Angehörigen und Helfern versorgt. Immerhin schaffen es die meisten wieder nach einer Aufwärmpause auf die Strecke, aber für einige ist hier auch Schluss. Mit diesem extrem schlechten Wetter hat wohl niemand gerechnet. Ich bin froh, dass Buki und Astrid trotz anders lautender Prognose die Winterkleidung eingepackt haben.
Ich helfe einigen Läufern, sich mit der Rettungsdecke einzupacken. Die Helfer koordinieren alles, so gut es geht. Manche Läufer schüttelt es vor Zittern, dass man sie festhalten muss. Neben mir tunkt jemand die Hände in den warmen Kakao, um sie wieder zum Leben zu erwecken. Draußen sehe ich, wie der Zielbogen und die Zeitmatte abgebaut werden. Die Rennleitung verkürzt das Rennen. Der Aufstieg zum Live 3000 entfällt. Die Läuferinnen und Läufer werden bei La Chiaupe direkt ins Tal geleitet. Dafür gibt es einen Zeitaufschlag von 100 Minuten. Eine gute Entscheidung.
Nachdem alle Läufer versorgt sind und wieder auf dem Weg nach unten, fahre ich runter zum Scheitelpunkt La Chiaupe und warte auf Astrid, die nach wenigen Minuten eintrifft. Sie wäre gerne noch hoch zum Gletscher, aber nachdem ich ihr ein paar Fotos von oben gezeigt habe, sieht sie ein, dass das keinen Sinn macht. Zudem gibt es auch rein gar nichts zu sehen. Schade, aber so ist das in den Bergen nun mal. Immerhin konnte sie auf der Strecke hier hoch etwas von der Schönheit der Landschaft erahnen. Bis zum Roche de Mio passiert man einige Seen und der Ausblick muss bei gutem Wetter atemberaubend sein. In diesem Abschnitt befindet sich auch der einzige Singletrail der gesamten Strecke. Aber so richtig kann man bei dem Wetter die Strecke nicht genießen.
Bis Buki kommt, dauert es noch eine Weile. Auch für die Begleitung ist es heute ein harter Tag. Es regnet und die einzigen trockenen Fleckchen überlassen wir den Läuferinnen und Läufern. Trotz des schlechten Wetters herrscht tolle Stimmung und die vielen Fans feuern jede und jeden an, der ankommt. Einfach grandios. Als Buki endlich da ist, hat es aufgehört zu regnen und es sind sogar ein paar helle Flecke am Himmel. Jetzt geht es nur noch bergab. Bis nach Belle Plagne kommt nur ein kurzer Gegenanstieg.
Als ich in Belle Plagne aus der Gondel steige, ist Astrid schon lange durch. Das Warten auf Buki macht mir nichts mehr aus. Es ist jetzt deutlich wärmer und nur noch ein paar Tropfen verirren sich zu uns. Wir stehen mit einer großen Gruppe an der Strecke und begrüßen alle Ankommenden mit großem Tamtam. Bei vielen wartet die ganze Familie. Jemand von der Orga hat Musik dabei und wenn es zu kalt wird, wird einfach getanzt. Ich empfange Buki mit einem Bier und trinke aus Solidarität eine Dose mit ihm mit.
Auf dem Weg ins Tal wird das Wetter dann immer besser und als ich in Aime ankomme, gibt es schon viele blaue Flecken am Himmel. In der Hauptstraße säumen hunderte Menschen die Strecke und feiern die vielen Ankommenden. Vorbei an der Village D’Expo geht es noch einmal vorbei an der Basilika und schließlich in den Zielkanal. Kurz nach meiner Ankunft kommt Astrid ins Ziel. Sie konnte beim ewig langen Downhill noch einmal kräftig Gas geben und ist begeistert von dem Lauf und der Veranstaltung. Die Zielverpflegung besteht aus Tartiflette, einem Nationalgericht aus Savoyen.
Gratinierte Kartoffeln mit Bergkäse überbacken, dazu passt hervorragend das Gletscherbier. Eine Liveband spielt im Hintergrund. Um uns herum nur zufriedene gutgelaunte Finisher. Vergessen sind alle Strapazen, an die nur noch die schlamm-verdreckten Schuhe und Beine erinnern. Läuferherz, was willst Du mehr?
Buki trifft 40 Minuten früher als hochgerechnet im Ziel ein. Auch er hat den langen Downhill genossen. Ein wunderbarer Lauf geht zu Ende. Wir sitzen noch lange in der warmen Sonne und schwärmen von den vielfältigen Erlebnissen. Die tolle Stimmung beim Start, im Ziel, an der Bobbahn, an den VPs, aber auch auf der übrigen Strecke konnte das schlechte Wetter mehr als wett machen. So ist das in unserem Sport. Das Wetter kann man sich nicht aussuchen und manchmal macht gerade eine solche Herausforderung den Reiz des Trailrunnings aus. Und den Gletscher? Naja, den sehen wir uns im nächsten Jahr an. Aber dann gemeinsam.
Der L 6000 D ist eine perfekt organisierte Großveranstaltung. Die Stimmung an der Strecke ist dank des guten Angebotes für Begleitpersonen fantastisch.
Die Strecke hat keine technischen Schwierigkeiten und ist somit perfekt für den ersten Ultra im Hochgebirge geeignet. Die Höhenmeter werden bis auf wenige kurze Bergab Passagen auf der ersten Hälfte gesammelt. Ab dem Gletscher kann man es talwärts rollen lassen. Nie zu steil und ohne schwierige Passagen geht es, abgesehen von einem kleinen Gegenanstieg, nur noch bergab.
Im nächsten Jahr bin ich in jedem Fall am Start. Ich werde dann aber schon mittwochs anreisen, um mich beim Sprint auf der Bobbahn schon mal warmzulaufen und die Stimmung beim Anfeuern am Freitag beim LA 6 D Lacs zu genießen. Der LA 6000D ist trotz der Größe, eine familiäre und herzliche Veranstaltung. Unbedingt zu empfehlen!
LA 6000 D 53,91 Km / D+/- 3.655 m
LA 6000 D en Relais 53,91 Km / D+/- 3.655 m
LA 6D Marathon 43,50 Km / D+/- 2.119 m
LA 6D Lacs 29,97 Km / D+/- 1.558 m (am Freitag)
LA 6 D Foulée 5,27 Km / D+/- 245 m (am Freitag)
LA 6 D Découverte 11,20 Km / D+/- 593 m (am Donnerstag)
LA 6 D Bob 1,50 km/ D+ 125 m (am Donnerstag)
Außerdem gibt es am Donnerstag noch den LA 6 D Aventure für Jugendliche und einen Kidsrun mit verschiedenen Streckenlängen.