Im Juli ist das Laufangebot eher knapp, was wegen der gelegentlichen Hitze und vielen Urlaubsabwesenheiten durchaus nachvollziehbar ist. Umso schöner, dass eine paar sehr ernsthafte Organisatoren, Diederik Vandeneede und Ward Geyskens, mit der zweiten Auflage des „Brabantse Wouden Trail“ ein richtig großes Ding anbieten, nämlich von der Marathondistanz bis zu 201 km (!) im gleichnamigen südwestlich von Brüssel bei Leuven gelegenen Waldgebiet.
Der Name ist eher als Oberbegriff zu bestehen, denn eigentlich handelt es sich um eine Sammlung einzelner Gebiete wie den Heverleebos, Meerdaalwoud und Egenhovenbos, viele davon unter Naturschutz, die nahtlos in einander übergehen. Das Gebiet ist so groß, das die vier angebotenen Strecken nur teilweise überlappen, so dass man durchaus mehrmals antreten kann, wenn man die Gegend erkunden möchte. Die ist zwar nicht so spektakulär wie in den Alpen oder Ardennen, aber doch abwechslungsreicher als man denkt, so dass keinerlei Langeweile aufkommt – ganz anders als bei so manchem Stadtlauf.
Der Start in der Nähe von Bertem ist von Düsseldorf in unter 2h erreichbar, sodass man, wenn man die 44 oder 75 km Strecke wählt, mit einem Start um 9 Uhr ganz gemütlich morgens anfahren kann. Parkplätze sind maximal 8 Minuten entfernt, also auch hier kein Stress, auch deshalb, weil das Rennen trotz der professionellen Organisation nicht zu viele Teilnehmer hat, in Summe etwas unter hundert.
Nachdem ich die letzten Monate öfter in den 50er Kilometern und um die 2000 Höhenmeter unterwegs war, scheinen mir die 75 km mit etwa 1.200 Höhenmetern die richtige Herausforderung zu sein. Dabei gibt es zwei Versorgungsstationen, so dass man im Maximum 27 km auf sich selbst gestellt ist. Bei 26 °C ist also neben den normalen zwei Halbliter-Softflaschen mindestens noch eine weitere Halbliterflasche im Rucksack angeraten. Und genügend Kalorien für zwischendurch.
Meine Sammlung aus Gels, Snickers, Proteinriegeln, diesmal sogar Minisalamis und dazu Elektrolyttabletten hat sich bewährt. Eine Sonnenkappe ist gut, hat aber nicht jeder dabei gehabt, da man etwa 2/3 der Zeit ohnehin gut beschattet im Wald verbringt. Stöcke braucht man keine, die Steigungen sind nie zu steil und auch nie zu lang. Für die Düsseldorfer: Die Gegend und auch die Strecke erinnern teilweise etwas an den Stadtwald, wenn auch deutlich vielfältiger.
Die Strecken sind nicht gekennzeichnet, sprich man arbeitet mit Karte Uhr oder Handy, wobei ersteres aus meiner Sicht deutlich praktischer und langlebiger ist. Da man nicht ständig abbiegen muss und die Wege, auch die kleinen engen Pfade, gut sichtbar sind, braucht man nur alle paar Minuten einmal auf die Karte schauen. Ich bin nur einmal kurz zu weit gelaufen, aber auch nur, weil ich zu tief in Gedanken war (s.u.). Verloren gehen kann man aber ohnehin nicht, dann jeder hat am Rucksack einen kleinen GPS-Transponder angebracht, so dass die Organisatoren immer wissen, wo man sich befindet und auch Freunde und Verwandte live den Fortschritt im Internet verfolgen können.
Um 9 Uhr war der Start mit etwa 70 Leuten, wobei sich die Marathonläufer schon nach drei Kilometern verabschieden und man den Rest der Strecke weitgehend alleine unterwegs ist. Am ersten Verpflegungspunkt haben wir uns noch zu viert getroffen, am zweiten war das Feld dann zu weit auseinander gezogen. Da das Waldgebiet nicht von Wanderern, Radfahrern oder Reitern überlaufen ist und man so nur selten auf andere Menschen trifft, hat man reichlich Zeit, den Wald, die Bäume, die Felder, die Flüsschen, die Angelteiche und die Weinberge (!) inkl. einer Hochzeitsfeier zu bewundern und sich also einmal wirklich tiefe Gedanken machen.
Leider kreisten diese bei mir ab Kilometer 25 fast ausschließlich um mein linkes Knie, was zuerst ein wenig, kurze Zeit später aber schon erhebliche Schmerzen verursachte. Das Knie hat mir schon manchmal Probleme gemacht, aber immer erst nach 50 Kilometern, so dass man dann bis 70 oder 80 noch irgendwie hinkommt. Gehen funktioniert gut, bergauf laufen auch, aber flach und bergab ist nicht erträglich.
Wie jeder gut informierte Amateurtrailläufer hatte ich also einige Stunden Zeit, um über Courtney Dauwalter und ihr Konzept der Pain Cave nachzudenken. Es hat aber nicht wirklich funktioniert. Vor allem, da sie eine junge, gut trainierte Athletin ist und ich immer Angst haben muss, dass manche Elemente des Bewegungsapparates vielleicht schon aus Altersgründen echten Schaden nehmen könnten. Ist einem das intensive mentale Training oder eine Medaille oder die Gesundheit wichtiger? Schließen sie sich aus oder wird alles gut?
Nach über 20 Kilometern ohne Genuss habe ich mich für die Gesundheit entschieden und bin bei der Versorgungsstation bei Kilometer 49 als DNF ausgestiegen. Zeit hätte ich bis zum Cutoff eigentlich genug gehabt, selbst schnell gehend noch ins Ziel zu kommen, aber irgendwie war es für mich ok, einmal bewusst nein zu sagen und mit den Konsequenzen leben zu müssen.
Die bestehen ja eigentlich auch nur darin, dass man keine Medaille bekommt und ohne Nutzung der eigenen Beine irgendwie zum Zielpunkt kommen muss. Das war dann einfacher als gedacht: Ich habe mich schlicht an die Straße gestellt und den Daumen rausgehalten. Mit einer Startnummer vor dem Bauch sieht man ja einigermaßen seriös und vermutlich auch bedürftig aus, so dass ich zweimal weniger als fünf Minuten bis zur Mitnahme warten musste. Nette Leute, die Belgier, und ein paar interessante Gespräche. Auch interessant, dass beide Chauffeure, obwohl direkt an der Sprachgrenze zwischen Flandern und Wallonien wohnend, lieber Englisch als Französisch sprechen wollten. Mein Holländisch reicht leider nur zum Bier bestellen.
Die letzten 500 Meter bin ich dann doch noch einmal gelaufen, und das ging sogar nach dem längeren Sitzen ganz gut. Ich denke dennoch, dass es die richtige Entscheidung war auszusteigen. Meine Statistik sagt, dass ich bisher viermal Knieprobleme hatte, wie gesagt sonst immer deutlich später, aber interessanterweise immer mit dem gleich Paar Laufschuhe, die ich nur für leichtere, weniger technische Strecken einsetze. Das muss zwar nicht der Grund sein, aber zur Sicherheit werde ich die einmal aussortieren und beim nächsten Lauf auf jeden Fall wieder meine Standardschuhe tragen. Vielleicht hilft das ja und ich hoffe, noch nicht mit dem Langstreckenlaufen aufhören zu müssen. Es gibt noch viel zu viel Natur zu entdecken.
Kann man den Brabantse Wouden Trail empfehlen? Unbedingt! Klein, aber wirklich schön. Egal auf welcher Distanz. Und neben der Medaille gibt es natürlich auch ein Bier nach dem Lauf, diesmal sogar alkoholfrei, also auch für Fernanreisende geeignet. Und den Abend und Sonntag genießt man dann am besten in Brüssel.
Das Angebot im Überblick:
Strecke [km] |
Höhenmeter [m] |
Finisher |
Beste Zeit [h] |
Median Zeit [h] |
201 |
3.030 |
8 |
36:56 |
46:12 |
162 |
2.450 |
4 |
24:38 |
26:16 |
110 |
1.620 |
4 |
13:09 |
15:18 |
75 |
1.180 |
14 |
7:15 |
8:58 |
44 |
575 |
50 |
3:16 |
5:09 |