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15.05.16 - Special Event

Eco Marathon del Sale (Trail Romagna)

 

Hartmann, gut erkennbar an seiner Kappe vom Mozart 100, liegt schon gut 200 Meter vor mir. Er geht es heute ziemlich schnell an. Beim Trail in Innsbruck am 30. April sind wir eine Zeitlang zusammen gelaufen. Am Ende erreichte er nach 6 h 23 vier Minuten vor mir das Ziel. Eigentlich kaum zu glauben, dass die Schotter- und Feldwege entlang dem Kanalsystem im Salinenpark alle Namen haben, das gibt’s bei uns nicht. Die 5 km-Marke wird bei der pedonale viale del Vittorio erreicht. Heute kenne ich die vermeintliche Ursache, warum ich am Anfang eines Marathons schon zwei Minuten hinter meiner Normzeit liege: ich komme auf dem Untergrund einfach nicht zügig voran.

 

 
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Wer gehofft hat, dass bei der 5 km-Anzeige auch gleich die Labestation folgt, der wird enttäuscht. Es geht noch ein Stück weiter in östliche Richtung, die Adria nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernt. An der Labe stehen Dutzende Läufer/innen, eilig hat es offenbar niemand. Die mich überholt haben, treffe ich hier wieder. Jene, die mir zu langsam waren, kommen nun wieder näher. Fausto, den  „Sir Marathon“ kenne ich von zahlreichen anderen Bewerben, er hat bereits über 600 Marathons gefinisht.

Von den Salinen sind wir längst weg, um uns herum sind Weizenfelder und in Richtung Küste Pinienwälder, die ganze Gegend ist eine einzige Eco-Schutzzone mit entsprechenden Tafeln und  Hinweisen versehen. Vereinzelt trifft man auch Wanderer und Radfahrer – im Rahmen des Lauffestivals wird auch ein Bike-Run-Event angeboten. Doch so genau sehe ich nicht hin, ob die Biker eine Startnummer haben.

Die Wetterbedingungen für einen Trail sind heute bestens, zwar hat es in der Nacht stark geregnet, doch nun gegen 10 Uhr vormittags scheint die Sonne wie schon beim Start. Den Regenlachen kann man ausweichen, Läufer im hinteren Feld sind heute Nutznießer, denn die Vorderen haben die Nässe des Grases schon mit ihren Schuhen aufgesaugt. Den Drehwurm spüre ich nicht, doch nach meiner Orientierung laufen wir nun wieder beim pineta Milano Marittima nach Süden. Der Trail ist gut mit orangen Bändern an den Bäumen und Sträuchern markiert. In gutem Glauben und mit Wohlwollen hat Hartmann beim Briefing vor dem Start für mich synchron übersetzt, doppelt hält allemal besser.

Als wir zur 10 km-Anzeige kommen, die wie davor beim 5 km-Abschnitt an ein zu klein geratenes Surfboardsegel erinnert, vermisse ich erneut die Labestation. Einen Augenblick denke ich, sie vielleicht versäumt zu haben, doch alle laufen vorbei. Andererseits sind im Feld kaum Teilnehmer/innen zu sehen, die mit einem Trailrucksack mit Trinkblase unterwegs sind.

Sobald der Untergrund uneben wird und wir auf reinen Feldwegen laufen, schmerzt mein linker Fuß. Die Ursachen kennt der Orthopäde, mit der alternativ zum Hobbymarathonlaufsport empfohlenen Altersgymnastik, mit Radfahren und Schwimmen möchte ich noch eine Weile zuwarten. Die von den Läufern benutzte rechte Spur ist zwar ausgetreten, sie hat aber hin zur Dammböschung eine stark abfallende Neigung. Das ist „Gift“ für mein Fußproblem, ich kann nur sehr langsam laufen. In dieser Phase überholen mich gut ein Dutzend Läufer/innen, denen ich davor schon meine Kehrseite gezeigt habe.

Hier im Flussverlauf des Savio gibt es viele Wander- und Radwege. Man kann z.B. bis nach Ravenna auf Naturwegen radeln, wie mir die nette Dame am Eco-Tour-Stand gestern erzählte. Und inmitten der Naturlandschaft befinden sich in der Umgebung zahlreiche Diskotheken zum Abtanzen, wenn man nach den Eco-Trails noch Lust und Laune dafür hat.  

 

 
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Der Marathonkurs führt am rechten Ufer des Savio nun nach Westen, wir bewegen uns von  der Küste weg. Die Landschaft erstrahlt in einem frischen Grün, wie man es in unseren Breiten nur nach einem warmen Frühlingsregen im Mai kennt. Wie oft habe ich mir schon gedacht, dass all die Wehwehchen und leider auch Dauerschäden an meinen Füßen es allemal wert sind, dank meiner Teilnahme an Marathons in zahlreichen Städten, Regionen und Ländern auf diese Weise ein Stück der Welt gesehen und viele schöne Momente dabei erlebt zu haben.

Vielleicht habe ich tatsächlich die 10 km-Labe verpasst, so bin ich richtig froh, als ich  „ristoro“ lese und wir bald darauf zur 15 km-Anzeige kommen. Hier teilt sich die Laufstrecke, die Halbmarathonis scheren nach rechts aus, für uns geht es gerade weiter. Ich bin mit 1:45 Stunden schon sehr im Verzug, aber so ist es eben, wenn man nicht richtig Tritt findet. Fausto nähert sich mir von hinten und liest die Aufschrift auf meinem „Dienst-Shirt“. Er ersucht um ein Foto und hält ein Transparent in die Kamera. Sein Enkelkind sei gestern geboren worden, heute läuft er für Tommaso, wie er mit Stolz anmerkt. Mit seinen 618 gefinishten Marathons zählt „Sir Marathon“ zu den arriviertesten Sammlern Italiens. Er ist natürlich auch Mitglied im Club Supermarathon Italia.

So schön hier die Landschaft ist, so wenig komme ich mit dem Untergrund zurecht. Die Feldwege sind so uneben, dass man sich nicht richtig abstoßen kann, was zum Um und Auf des Laufens gehört. Zu unserer Linken ist der Savio, dessen Flusslauf hier durch Sträucher und Laufbäume verdeckt ist. Wir laufen tlw. eigentlich auf einen mehrere Meter hohen Erdwall, der als Damm fungiert und der an den Böschungen von allerlei Pflanzen überwuchert ist. Natur pur, könnte man anmerken, so steht es auch in der Fremdenverkehrswerbung der Emilia Romagna. Knapp vor der nächsten Labestelle bei der Ponte di Lido di Savio kommen uns einige Teams der Bike- und Laufgruppe entgegen. Ein kleiner Bub fährt auf dem Kinderrad voraus, der dickliche Papa schwitzt und geht hinten gemächlich nach. Ich rechne mir aus, dass ich wohl noch 1 ½ Stunden brauchen werde, um nach der noch bevorstehenden Schleife von gut 10 Kilometern hier nahe der via Argine destro Savio  nach links wie eben die Bike & Run-Teams abbiegen zu können.

Weil ich so sehr im Verzug bin, bleibe ich bei der Labe knapp vor der Savio-Brücke nicht stehen. Vor und hinter mir ist das Läuferfeld nach 2 h 55 sehr weit auseinandergezogen. Es ist der Zeitpunkt, wo kleine Einzelkämpfe ausgetragen werden. Eine junge Frau versucht mich zu überholen, doch sie schafft es nicht und fällt zurück. Einen Ausreißer hole ich nach 23 Kilometern ein. Der Marathonkurs hier auf gewalzten Schotterwegen ist mit orangen Bändern bestens markiert. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Strecke seit dem Start fast immer leicht ansteigend verlaufen ist.

 

 
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Ich drehe mich um, es ist bald 12 Uhr 30 und die Helligkeit mag mehr als 20.000 Lux betragen. Mein Isowert von 800 bei der Programmautomatik soll Läufer in Bewegung schärfer abbilden. Nur sind in der Phase des Rennens nur mehr einige wenige zu sehen. Der Vollautomatik-Modus tut es auch. Knapp vor der 25 Km-Marke kommt ein Läufer mit rotem Shirt von einem Marathonclub nach. Ich bin gespannt, ob er sein konstantes 6:30-Tempo halten kann.

Bei uns in Wien an der Donau am Kagraner-Ufer sind Hausboote  am Wasser fixiert, hier am Torrente Bevano, ein Kanal parallel zum Fiume Montone, sind in kurzen Abständen Häuser auf Stegen in den Fluss gebaut, die alle sozusagen als Accessoire ein überdimensioniertes aufgespanntes Netz haben – nur so viele Fische gibt es im Fluss nicht, wie Netze zur Verfügung stehen.

Endlich komme ich zur Labe, wieder stimmt der sonst übliche 5 km-Abstand nicht, meine Garmin zeigt 26 ½ km an. Gleich mehrere Kollegen stehen da und lassen sich Zeit, darunter auch der Marathonlaufexperte im roten Hemd. Es gibt Wasser, Iso, Cola, Kekse, Orangen. Man weist mich darauf hin, die Plastikbecher nicht mitzunehmen. Ich deute an, dass ich sie zerknüllen und in meiner Bauchtasche verstauen und keinesfalls achtlos im Naturschutzgebiet wegwerfen werde.

Es geht in den Pinienwald, genau ins  Ecosystema della Pineta Litoranea. Als Vorteil auf diesem Waldstück im Vergleich zu den Agrarwegen und Schotterstraßen sehe ich für mich die von Wanderern und Radfahrern frequentierten Wege mir einer trittfesten, aber weichen Humusschicht. Dieser Untergrund sagt mir als Läufer zu, ich kann wieder etwas Tempo machen und so die „Verfolger“ auf Distanz halten.  Aber insgesamt habe ich die Schwierigkeiten des Trails Romagna deutlich unterschätzt. Trail-Runner benötigen eine andere Ausrüstung und auch Lauftechnik als Marathonläufer auf asphaltierten Straßen.

Der gesamte Pinienwald hier nahe dem Strand ist ein einziges Naturschutzgebiet mit Lehrpfaden und Beschilderungen über die Flora und Fauna.  Und es ist kühl hier, im dichten Nadelwald mit viel Buschwerk dazwischen kommt die italienische Sonne nicht richtig durch. Nach ca. vier Kilometern führt die Marathonstrecke direkt zum Strand. Die vielen Bagni sind ein Markenzeichen der Region. Neben den abgesperrten und nur gegen Eintritt nutzbaren Bädern mit Anlagen für diverse Freizeitaktivitäten und Restaurants gibt es auch Strandbereiche, die öffentlich zugänglich sind.

Der Kollege im roten Shirt holt mich hier wieder ein, es geht nun in die Sanddünen. Die 30 Kilometer sind laut meiner Garmin erreicht. Der Kurs führt zurück auf die Brücke und über den Savio. Zu unserer Rechten ist die Labestelle, die ich vor einer guten Stunde ausgelassen habe. Jetzt, 1 ¼ Stunden später, ist mein Durstgefühl so groß geworden, dass ich gleich drei Becher trinke und dafür Wasser, Iso und Cola mixe. Als ich nach Westen blicke, traue ich meinen Augen nicht: 200 Meter entfernt marschiert Hartmann des Weges. Das ist insofern überraschend, als er ein ziemlich hohes Anfangstempo vorgelegt hat. Nach einigen Minuten habe ich ihn und einen Kollegen eingeholt. Hartmann weiß, dass er heute nicht sub 5 Stunden finishen wird. Ich trabe an den beiden vorbei, sie bleiben zurück. Auf der asphaltierten via Marina erblicke ich die 35 km-Anzeige.

 

 
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Eine Polizistin in Motorradfahrerinnen-Dienstkleidung sperrt die Straße auf Bedarf, sodass die Läufer/innen unbehindert in die  Pineta Milano Maritima wechseln können, ein ähnlich schattiges Waldstück wie die Pineta Litoranea. Ein Läufer mit dem offiziellen Shirt in Gelb der eingeladenen Begleiter des 2000. Jubiläumslaufes  von Rekordhalter Christian Hottas im Rahmen des Hannover-Marathons 2013, wo ich auch mitgelaufen bin, kommt mir aus der Gegenrichtung entgegen. Er dürfte sich zunächst verirrt haben. Bald darauf überholt er mich.

Bis ins Ziel sind es noch etwas mehr als 3 Kilometer.  Es geht zurück in das Zentrum von Cervia. Der Hottas-Shirt-Träger ist nur mehr als Punkt auszumachen. Hinter mir kommen drei oder vier Läufer nach, darunter auch der Kollege mit dem roten Shirt. Ich versuche nochmals ein wenig Tempo zu machen. Doch die Nummer 35, jener Kollege, der Hartmann begleitet hat, kommt mit einem Pacemaker, der offenbar aus der Familie stammt, unaufhaltsam näher. Ich sehe heute keinen Sinn darin, 10 oder 20 Sekunden schneller ins Ziel zu kommen. Daher lasse ich mich 200 m vor der Zeitnahme überholen. Ich finishe mit 5:11:25. Eine einfache Tonmedaille wird mir umgehängt.

Nach Abgabe des Chips übergibt man mir in einer Halle das üblicherweise vor dem Lauf ausgehändigte Startsackerl mit einem Essensbon für eine Portion Pasta. Ein Joma-Shirt in orange wird ebenfalls jedem Finisher ausgehändigt.

Draußen setze ich mich ins Gras und genieße die Sonnenstrahlen. Der Eco-Marathon delle Sale wurde seinen Namen gerecht. Er begann mit einem Panoramalauf durch den Salinennaturpark und endet mit der Übergabe eines Päckchens feinsten Salzes aus der örtlichen Produktion. Als ich schon bei der Pasta sitze, erblicke ich Hartmann, der diesmal mit 5:18 sieben Minuten später gefinisht hat. Uns Marathonsammlern geht es mit Fortdauer nicht mehr primär um die Laufzeit, sondern um das gute Ende. Hartmann wird getreu seiner Laufphilosophie in Cervia wahrscheinlich nicht mehr bei einem Marathon antreten, ich könnte mir vorstellen, diesen schönen Trailrun nochmals in Angriff zu nehmen.

 

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Mein Fazit lautet daher:

 

Wer einen flachen Marathon auf naturbelassenem Untergrund mag und  sich auch sonst zu den Trail-Runnern zählt, der könnte Gefallen am Ecomarathon in Cervia finden. Der Kurs ist als Trail Romagna ausgewiesen, was bedeutet, dass reine Asphaltläufer ohne Trailerfahrung hier mit gewissen Schwierigkeiten rechnen müssen. Die Veranstalter sind großzügig, was die Schlusszeit betrifft. Der letzte Läufer im Klassement wird mit 6:14 h gewertet. Die Versorgung orientiert sich nicht an den gängigen 5 km-Splits, das sollte man ändern.

Das Preis-/Leistungsverhältnis ist wie immer in Italien zumindest als gut einzustufen:  40 Euro Startgelt in der Nachfrist sind vertretbar, alleine das Joma-Funktionsshirt würde man nicht unter 20 Euro im Geschäft bekommen. Der Anfang ist gelungen, der Eco-Marathon in Cervia wird weiter wachsen.


Sieger bei den Herren:

1.Gianluca Palli (ITA) - 2:43:36    
2.Mattio di Nunzio (ITA) - 2:57:48   
3.Andrea di Giorgio (ITA) - 3:00:13

Damenreihung:

1. Anna Giunchi (ITA) - 3:29:41    
2. Barbara Bertarelli (ITA) - 3:58:03
3. Alina Popa Oana (ITA) - 4:09:41

170 Finisher beim Marathon, 258 beim Halbmarathon, 76 beim Viertelmarathon.

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