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02.04.23 - Special Event

Trail des Cisterciens: Ora et labora

Wer in Belgien bei Veranstaltungen ausführliche Webseiten erwartet oder umfassende Informationen, ist eigentlich fehl am Platz. Hier geht es ums Laufen. Oder besser ums Trail Laufen. Denken im deutschsprachigen Raum immer noch viele, Trailrunning wäre Straßenlauf im Wald, werden sie in Belgien eines Besseren belehrt. Hart und schmutzig geht es buchstäblich über Stock und Stein. Flüsse dienen auch oder gerade im Winter als harte Prüfsteine und während die deutsche Heldentruppe noch auf besseres Wetter wartet, werden in Belgien gleich zu Beginn des Jahres schon die Grundsteine für eine fantastische Trail-Saison gelegt.

In den ersten drei Monaten des Jahres findet man allerorten eine große Anzahl von gut gemachten Veranstaltungen. Medaille, Finisherpräsent, praller Startbeutel? Fehlanzeige. Eine Startnummer für kleines Geld in der Morgendämmerung ist alles, was Dich erwartet. Vielleicht noch ein heißer Kaffee, aber das war‘s dann auch schon, bevor es auf den Trails zur Sache geht.  So liegt nur wenige Kilometer über der Grenze, unbemerkt von der deutschen Trail-Blase, ein Paradies für Läuferinnen und Läufer, die das Naturerlebnis suchen.

Außer auf den großen Veranstaltungen, findet man nur selten deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auch meine letzte belgische Schlammschlacht liegt zugegebenermaßen schon ein paar Jahre zurück. Also wird es Zeit, mal wieder etwas belgische Trail Luft zu schnuppern. Back to the roots, sozusagen.

 

Keine Frühlingsgefühle


Start und Ziel des Unterfangens ist der kleine Ort Tangissart, südlich von Brüssel, wo am Sonntagmorgen um sieben Uhr der Startschuss zum Trail des Cisterciens fällt. Mit einer 67km Strecke passt er perfekt in mein Trainingsprogramm. Wegen des frühen Starts, klingelt schon um halb drei der Wecker und so bleibt nur wenig Schlaf. Mit an Bord sind Lukas, der seinen krankheitsbedingt verpatzten Lauf am Ventoux nachholen möchte, Viola, unsere Straßenlauf-Expertin, die gerade erst Saarlandmeisterin im Marathon (Altersklasse) wurde und Wolfgang, der es in diesem Jahr endlich wissen möchte und für einen 100er in den Alpen ordentlich Körner sammeln muss. Ich hoffe, der Lauf wird nicht zu hart, aber die spärlichen Informationen und das Streckenprofil der vergangenen Ausgaben lassen mich auf ein einigermaßen entspanntes Laufabenteuer hoffen.

 

 
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Es ist der zweite April, aber von Frühling noch keine Spur. Acht Grad zeigt das Thermometer, als wir ins Auto einsteigen. Es regnet, und je näher wir unserem Ziel kommen, umso kälter wird es. Immerhin geht es recht zügig nach Belgien und so sind wir schon um kurz nach sechs in dem kleinen Örtchen Tangissart. Es regnet immer noch und die Sonne will sich einfach nicht blicken lassen. In einer kleinen Gemeinde-Halle geben uns freundliche Helferinnen im Zisterzienser-Outfit die Startnummer und einen GPS-Tracker. Immerhin ist es drinnen warm. Draußen hat es fünf Grad. Trotzdem laufen viele in kurzen Hosen und T-Shirt. Die Oberschenkel um mich herum sprechen Bände, und mir wird klar, dass es heute eine einsame Veranstaltung für mich wird. 

Kurz vor sieben gibt es ein französisches Briefing von einer der Ordensschwestern. Kurz und knapp zeigt sie die Markierung, den Rest verstehe ich nur bruchstückhaft. Als die Kirchenglocken läuten, geht es nach draußen und nach einem kurzen Countdown werden wir auf die Strecke entlassen.

 

Fifty shades of Matsch


Das Tempo ist schon gleich zu Beginn recht hoch. Eine kleine Runde durch den Ort, und wir sind im Wald. Bereits auf den ersten Metern wird klar, was uns heute erwartet. Der Boden ist komplett aufgeweicht und voller Wasser. Da wo kein Matsch ist, sind Pfützen, in denen die schmutzige Brühe steht. Anfangs versuche ich noch auszuweichen, aber das ist ein einziges Rumgeeiere. Ich nehme die Direttissima durch den Matsch. Die erste halbe Stunde im Wald laufe ich mit Kopflampe. Die Sonne überlegt es sich ganz genau, ob sie bei dem Wetter überhaupt rauskommen soll. Immerhin regnet es nicht mehr. Aber eine ungemütliche graue Wolkendecke liegt über der hügeligen Landschaft.

 

 
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 Als wir den Wald verlassen, nehme ich die Lampe ab. Wir laufen durch Weinfelder, die ich so weit nördlich nicht vermutet habe. Ein Naturliebhaber entschied sich, hier auf dem Brachland um das Chateau de Bousval, Wein anzubauen. Die Reben sind noch jung und alles ist sehr modern angelegt. Wir laufen zuerst am Schloss und dann am Produktionsstandort vorbei. In einem sehr modernen, begrünten Gebäude, können Besucher und Schulklassen alles über den Weinanbau erfahren. Leider ist es noch zu trüb und die Fotos sind alle unscharf. Alles erscheint grau in grau, nur der Matsch wechselt öfters mal die Farbe. Im Wald war er dunkel, auf den Feldern kommt Lehm dazu. Von braun bis beige und fast weiß wechselt die Schuhfarbe. Der Boden ist mit Wasser gesättigt. Selbst auf Wiesen sinkt man ein und Wasser und Matsch fluten die Schuhe. Im Sommer ist hier bestimmt alles gut laufbar, aber davon ist heute keine Spur.

Die Landschaft ist hügelig. Die An- und Abstiege sind dabei recht moderat. Zwischen Wald und Flur immer wieder kleine Schlösser, dann Ortschaften mit schön renovierten, typisch wallonischen Häusern oder sehr noblen Nachhaltigkeitsbunkern. Brüssel ist ja nicht weit. In dieses Bild passt auch der Golfplatz, den wir passieren. In der Driving Range sind alle Abschlagplätze belegt und der perfekte Rasen, der aussieht, als wäre er mit Kamm und Schere geschnitten, liegt voller Bälle. Das leuchtende Grün passt so gar nicht in das morgendliche Grau, von der Farbe meiner Schuhe ganz zu schweigen.

 

 
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Immer wieder folgen wir kleinen Bachläufen. Eine Skulpturenstraße mit ganz vielen Holzfiguren sorgt für etwas Abwechslung, ansonsten ist der Blick immer fest auf den Boden gerichtet. Ich bin auf Viola aufgelaufen, die sich beim letzten Downhill eine Schlammpackung gegönnt hat. Gemeinsam ziehen wir schweigend weiter. Es geht über einen frisch gepflügten Acker. Unglaublich. Meine Schuhe saugen sich an dem Lehm fest. Als wir wieder eine Straße erreichen, bin ich fünf Zentimeter größer und die Pampe will sich einfach nicht von den Schuhen lösen. Erst das Durchlaufen einiger Pfützen befreit mich von dem lästigen Begleiter.

 

 
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Bei der nächsten Bergab-Passage liegt eine Frau, die sich wohl das Bein gebrochen hat. Die Sanitäter sind schon da und es wird auf den Krankenwagen gewartet. Ich kann nichts zur Verbesserung beitragen und ziehe nun noch vorsichtiger weiter. Bergab ist es echt haarig. Auch grobe Stollen nutzen nichts. Am besten ist immer noch, die tiefste Schlammrinne zu nutzen.

 

Bete und arbeite


Ein Stück weiter kommen wir zum ersten Mal an das Kloster Villers-la-Ville, das namensgebende Zisterzienserkloster aus dem 13. Jahrhundert. Die Zisterzienser führten ein hartes Leben. Hunger, Kälte, wenig Schlaf und viel harte Arbeit prägten das Leben der Mönche. Im ganzen Kloster gab es nur einen beheizten Raum, der nach der Arbeit nur kurz betreten werden durfte. Die Entbehrungen sollten den Mönch von seiner irdischen Last befreien und ihn allein offen für Gott machen. Bete und arbeite. Das Prinzip ist bei allen Fanatikern hinreichend bekannt: je härter die Entbehrung, umso größer der Sinn. Das Prinzip soll sogar bei Sportlern in etwa in dieser Art funktionieren.

 

 
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Ein warmer Raum wäre mir jetzt recht angenehm. Immerhin hatte ich auch wenig Schlaf und gearbeitet habe ich heute auch schon ordentlich. Aber wir biegen direkt wieder ab, um das Kloster in einer großen Schleife zu umrunden. Die Wanderer unserer Veranstaltung sind jetzt mit auf der Strecke. Umständlich versuchen sie dem Matsch zu entkommen, was aber nur leidlich gelingt. Bei der Streckenteilung entscheidet sich Viola für die Abkürzung. Sie hat genug vom Matsch. Der Unfall vorhin und der Anblick der armen Läuferin, die auf den Krankenwagen gewartet hat, haben die letzte Motivation geraubt. Ich muss also allein weiter.

 

Ein Hoch auf den Trappisten Orden


Auf der nächsten Anhöhe erreiche ich bei der Marathondistanz die nächste Verpflegung. Hier gibt es passenderweise ein leckeres Hopfengetränk aus der Zisterzienserfamilie. Das Bier der Trappisten ist immer noch eine wichtige Einnahmequelle für den Orden und es gibt in Belgien 5 Brauereien, die das Starkbier unter der Aufsicht und Verantwortung von Trappistenmönchen brauen. Zum Verweilen ist es aber zu kalt. Es hat immer noch 5 Grad und der Wind bläst hier recht ordentlich. Gut gestärkt geht es ins letzte Drittel.

 

 
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Stoisch spule ich die Kilometer ab. Unterwegs treffe ich auf einen weiteren Deutschen und begleite ihn ein Stück. Der Untergrund kostet mich viel Kraft und die Reserven sind schnell wieder am Ende. Ich habe einen Hungerast. Mir ist kalt und alles tut weh. Ich stopfe alles Essbare, was ich dabei habe in mich rein und langsam komme ich wieder zu Kräften.

Ich erreiche das Kloster zum zweiten Mal. Das Gewölbe der 90 Meter langen Kirche ist noch erhalten. Kreuz und quer geht es zwischen Ruinen und staunenden Sonntagsausflüglern durch die imposante Anlage. Eine schöne Abwechslung, die aber allzu schnell vorbei ist. An der Verpflegung greife ich anständig zu und nehme noch eine Banane mit, falls mich unterwegs wieder der Hunger überkommt. Ich bin jetzt ganz allein. Im nächsten Ort verlaufe ich mich und lade die Strecke auf die Uhr. Es war nur ein kurzer Abstecher.

 

Schwere Beine, gute Stimmung


Ich bin müde und die Aufmerksamkeit lässt nach. Ab und zu überhole ich eine Läuferin oder Läufer. Das Wetter ist noch genauso trüb wie heute Morgen. Aber ich will mich nicht beschweren. Es war klar, was mich hier erwartet. Im Grunde ist das doch die Herausforderung. Der Matsch macht mir nichts mehr aus. Bete und arbeite. Ich habe mich abgefunden und genieße den Matsch. Ich mache keine Gehpausen mehr, sondern laufe das Ding langsam, aber beständig nach Hause. Damit ist ein ordentlicher Pflock für die kommende Saison gesetzt.

 

 
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Im Ziel ist man schon am Aufräumen, obwohl der Zielschluss noch weit entfernt ist. Wolfgang, Lukas und Viola sind schon geduscht und warten auf mich.  Ich gebe meinen Tracker ab, gönne mir ein Finisherbier und eine Grillwurst. Dann geht es in das improvisierte Duschzelt hinterm Haus. Immerhin ist das Wasser ordentlich warm und spült den Dreck und den Schweiß von meinem geschundenen Körper. Eine Wohltat. Als wir ins Auto einsteigen fängt es wieder an zu regnen. Und so verlassen wir Tangissart so, wie wir gekommen sind. Allerdings um eine gute Erfahrung reicher.

 

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Fazit

 

Der Trail des Cisterciens ist ein technisch einfacher Landschaftslauf. Die Strecke verläuft durch das ehemalige Herzogtum Brabant. Im Sommer bestimmt gut laufbar, ist im Frühjahr eine Schlammpackung garantiert. Highlights sind die vielen kleinen Ortschaften mit ihrer typischen Architektur, verschiedene kleine Schlösser aus der Blütezeit der Grafschaft Brüssel und natürlich das namensgebende Zisterzienser- Kloster in Villers-la-Ville. Die Strecke ist sehr gut mit Flatterband und Pfeilen markiert und wird zusätzlich in der Woche vor dem Start als GPX-Datei zur Verfügung gestellt.  Die Teilnehmenden der Ultra-Strecke können mittels Tracker online verfolgt werden.

 

Die Strecken

67 km  Running               (+/- 1420Hm)
37 km - Running               (+/- 760 Hm)
21 km – Running              (+/- 480 Hm)
21 km – Marche Nordic    (+/- 480 Hm)


Bei den letzten Ausgaben gab es zusätzlich eine 100 Kilometer Strecke, die in diesem Jahr allerdings nicht angeboten wurde.

 

 

 


 
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